Gemeindebereich
Die Gemeinde Niederfalkenau – Gerichtsbezirk Böhmisch-Kamnitz – bestand ausschließlich aus der Ortschaft Niederfalkenau.
Gesamtfläche der Gemeinde: 899 ha
Lage
Die Ortschaft Niederfalkenau liegt in 420 bis 500 m Meereshöhe im obersten Kamnitztal am rechten Bachufer und wird von der Bezirksstraße durchzogen, die von Böhmisch-Kamnitz nach Osten zur Reichstraße Rumburg-Haida führt. Die Entfernung von Böhmisch-Kamnitz beträgt etwa 8 km. In nördlicher Richtung zweigt eine Bezirksstraße nach Kreibitz ab, in südlicher Richtung führt eine Straße über den Tanneberg nach Haida.
Die Gemeinde Niederfalkenau grenzt unmittelbar an die auf der linken Seite des Kamnitzbaches gelegene Ortschaft Falkenau (Gemeinde Falkenau-Kittlitz/Kreis Böhmisch-Leipa) an, aus der Niederfalkenau ursprünglich hervorging und mit der es in vieler Hinsicht sehr verbunden ist.
Bodengestalt
Gut 90% des Gemeindegebietes ist bewaldet, der Rest zum größten Teil besiedelt, und nur unbedeutende Flächen werden landwirtschaftlich genutzt. Die Forsten gehörten früher zur Gänze der fürstlichen Kinsky‘schen Domäne Böhmisch-Kamnitz, doch wurde seit der tschechoslowakischen Bodenreform nach 1920 ein Teil der dortigen Wälder vom Staat übernommen. In Niederfalkenau befanden sich eine staatliche Forstverwaltung und 2 Hegerhäuser.
Der Ort ist in seiner Bodengestalt geprägt durch das Kamnitztal und einen Steilhang, der sich bis zum Eibenberg (686 m), dem Hackelsberg (665 m) mit dem Birkenstein und dem Mittelberg (663 m) erstreckt. Diese Gipfel sind Phonolithstöcke, die auf eruptive Weise die hügelige Sandsteinplatte der Umgebung durchbrochen haben.
Gewässer und Trinkwasserversorgung
Das wichtigste fließende Gewässer der Gemeinde Niederfalkenau ist der Kamnitzbach (dort auch Wall- oder Wolstnerbach genannt), der im Wallteich oder Wallsteiner-Teich seinen Anfang nimmt und auf 4 km Länge die südliche Gemeindegrenze bildet. Im Ort selbst münden einige kleinere Gewässer in den Kamnitzbach, u. A. der Bielsbach und der Falkenauer Bach. Die nördliche Gemeindegrenze wird vom Kreibitzbach gebildet.
Teiche: An der östlichen Grenze und gleichzeitig am östlichsten Punkt des Kreises Tetschen liegt der von dichtem Wald umschlossene Wallsteiner-Teich, am Oberlauf des Bielsbaches der Bielsteich, in Falkenau-Kittlitz der Mühlteich und der ehemalige Dörr- und Pilzteich.
Trinkwasserversorgung: Die Gemeinde Besitz eine eigene Wasserleitung, die bereits vor 1914 erbaut wurde.
Flur- und Geländenamen
Lammelberg, Hinterecke, Blaues Meer, Torbuche, Kreibitzer Seite, Marschner Heide, Werner Berg, Bäckengründl.
Bevölkerung und Erwerb
Niederfalkenau hat von Anfang an eine gewerbliche Berufsstruktur gehabt. Die Ergebnisse der Berufszählung von 1939 zeigen 60,6% Anteil der Wirtschaftsbereiche Industrie und Handwerk und – bei der Auszählung nach der Stellung im Beruf – 56,5% Arbeiter. Die Arbeitnehmer waren allerdings nur zum kleineren Teil in ortsansässigen Betrieben beschäftigt; die meisten fanden Arbeit in der Glasindustrie der Nachbargemeinde Falkenau-Kittlitz sowie in Böhmisch-Kamnitz.
Einwohner
Auf den Wirtschaftsbereichen Land- und Forstwirtschaft entfielen in der Gemeinde nur 8,7% der Einwohner. Es gab nur 2 im Hauptberuf geführte landwirtschaftliche Betriebe, daneben aber eine ganze Reihe kleiner Nebenerwerbslandwirdschaft, die sich in Arbeitnehmerhänden befanden. Gemäß dem Adressbuch von 1934 hatten in Niederfalkenau 46 selbständige Wohnpartein ihren Hauptberuf in der Glasveredlung, davon 2 als selbständige Glasmaler (1942: 6 Selbständige Glasmaler). Darüber hinaus übten zahlreiche Einwohner die Glasveredlung in Heimarbeit aus.
Bedeutende Produktionsbetriebe: Glasfabrik Rudolfshütte – Loschek AG, Asbest- und Schiefererzeugung Loschek AG, Dampfsägewerk Wenzel, Dampfsägewerk Töppel und früher auch ein Schotterwerk. Als Vorläufer der Glasfabrik ist der vor dem Ersten Weltkrieg und einige Jahre danach in Betrieb gewesene Glasraffinerie Josef Knizek anzusehen.
Die schon vor 1914 eröffnete Spar- und Vorschußkasse für Hillemühl und Umgebung hatte seit etwa 1939 auch in Niederfalkenau eine Zahlstelle.
Verkehr, Gastgewerbe, Sport
Bahnstation: Falkenau-Kittlitz seit 1889
Post: Kittlitz seit 1869
Autobusverbindungen: keine
Gastgewerbe: 4 Gasthäuser, und zwar Gasthaus Marschner (Nr.2), damit verbunden das Waldtheater auf der „Marschner Heide“, Gasthaus Zippe/Neumann (Nr.14), Gasthaus Melzer (Nr.63) und Gasthaus Tlusty (Nr.60).
Sportanlagen: Turnhalle, Turnplatz, Schwimmgelegenheit und Kahnfahrt im Mühlteich in Falkenau-Kittlitz.
Pfarrei, Matriken, Kirche
Niederfalkenau gehörte bei seinem Ausbau im 17.Jahrhundert zunächst zu der in Ober-Preschkau bestehenden Expositurkirche der Pfarrei Steinschönau. Als 1786 in Falkenau eine Filialkirche von Ober-Preschkau erbaut wurde, kam Niederfalkenau in deren Zuständigkeitsbereich. Bald folgte die Umgliederung der Filiale Falkenau zur Pfarrei Blottendorf (Herrschaft Bürgstein), und 1849 wurde Falkenau selbstständige Pfarrei innerhalb des Vikariats Böhmisch-Kamnitz.
Die Matriken für Falkenau sind durchwegs seit 1782 erhalten. Möglicherweise sind auch in den seit 1671 vorhandenen Kirchenbüchern von Ober-Preschkau ältere Eintragungen für Niederfalkenau enthalten.
Die Pfarrkirche hl. Antonius von Padua ist 1786 bis 1788 auf Veranlassung des aus Falkenau stammenden Bischofs von Neapel, Anton Bernhard Gürtler (1726 bis 1791), erbaut worden und wurde von diesem mit beachtlichen Kunstwerken ausgestattet. Dazu gehören insbesondere das Altarbild St.Antonius, eine Meisterkopie nach Correggio und das Ebenholzkreuz mit einem Elfenbeinchristus. Später kamen Bildhauerarbeiten von Anton und Josef Max aus Bürgstein dazu.
Das Kirchenfest von Falkenau- verbunden mit einem Volksfest – fand am 13.Juni bzw. dem darauffolgenden Sonntag statt.
Die Beerdigungen von Niederfalkenau erfolgten auf dem Friedhof von Falkenau-Kittlitz, der sich in unmittelbarer Nähe der Kirche befindet.
Schule
Niederfalkenau gehörte seit jeher zur Schule Falkenau, die seit dem 18.Jahrhundert besteht. Vorher bestand eine Zugehörigkeit zu Ober-Preschkau und ursprünglich zu Steinschönau (1654 belegt). Im Jahre 1746 war ein gewisser Josef Schubert Lehrer in Falkenau.
Verwaltung
Im 18.Jahrhundert hatte (Nieder-)Falkenau mit Hillemühl eine gemeinsame Richterei, die sich lange Zeit in Hillemühl befand. Im Jahre 1849 wurde die Ortschaft (Nieder-)Falkenau der politischen Gemeinde Hillemühl angegliedert und erhielt erst am 4.Juli 1914 Selbständigkeit. Drei Jahre später wurde der Ortsname Falkenau geändert in Niederfalkenau, womit auf eine schon im 18.Jahrhundert bisweilen gebräuchliche Namensform zurückgegriffen wurde.
Gemeindevorsteher bzw. Bürgermeister seit 1918 waren:
Franz Grohmann, Thomas Karl und Heinrich Eiselt.
Gemeindepersonal: 1 Gemeindediener
Kulturpflege und Vereinsleben
Vereine: Freiwillige Feuerwehr, Radfahrverein „Schwalbe“ und ein Kirchenchor in Falkenau-Kittlitz.
Brauchtum: Flurprozession an Bitttagen, Osterschießen, Johannisfeuer gemeinsam mit Falkenau-Kittlitz.
Sonstiges: Gemeindebücherei gemeinsam mit Falkenau-Kittlitz.
Sehenswertes
Kriegerdenkmal in der Ortsmitte neben der Volksschule von Falkenau.
Ortsgeschichte
Das Gebiet der späteren Ortschaft Niederfalkenau hatte seit 1283 der Herrschaft Scharfenstein zugehört und kam ab 1535 zur Herrschaft Kamnitz, die damals im Zuge einer Erbteilung in der Familie Salhausen abgetrennt und selbstständig geworden war. Bei dieser Herrschaft, die sich bis 1614 in Wartenberger Besitz und von diesem Jahre an in Kinsky‘schen Besitz befand, verblieb das Gebiet bis 1850 , als es dem Gerichtsbezirk Böhmisch-Kamnitz zugeordnet wurde.
Niederfalkenau ist als Siedlungserweiterung der bereits seit Anfang des 15.Jahrhundert bestehenden Ortschaft Falkenau der Herrschaft Bürgstein (ab 1850 Bezirk bzw. Kreis Böhmisch-Leipa) entstanden. Dieser wurde 1464 urkundlich und erhielt 1470 bis 1480 den Zuzug von Glasmachern aus Bayern und Schlesien. Im Jahre 1530 errichtete der in Aschberg/Sachsen geborene Glashüttenmeister Paul Schürer in Falkenau einer der ersten Glashütten Nordböhmens, die bis 1758 bestand. Die Familie Schürer wurde wegen ihrer gewerblichen Pioniertätigkeit 1592 in den Adelsstand erhoben mit dem Prädikat „von Waldheim“. Die Bedeutung der Falkenauer Glaserzugung und Veredlung ist daran zu ermessen, das 1683 eine eigene Zunftregel für Glasmaler, Glasschneider und Schaummacher erlassen wurde.
Der Ortsname Falkenau hängt nach Meinung von F.Hantschel (Heimatkunde Böhmisch-Leipa 1911) nicht mit der Falkenjagd zusammen, sondern geht auf den Personennamen Valentin zurück.
Mindestens seit Anfang des 17.Jahrhunderts standen nördlich des ursprünglichen Falkenau, d.h. Nördlich des Kamnitzbaches, 2 Häuser , die den Anfang des späteren Niederfalkenau darstellten.
Ab 1668 setzte der Ausbau dieses Ortsteils ein. Im TK von 1713 hatte das Dominikaldorf Hillemühl-Falkenau auf der Kamnitzer Seite des Baches 17 Häuser. Wie viele davon auf das spätere Niederfalkenau entfielen, ist nicht angegeben, jedoch für 1725 die Zahl von 9 Häusern eindeutig feststellbar . Die Bewohner fanden ihren Lebensunterhalt durch Flößerei und Waldarbeiter sowie in der Glashütte. Die Familiennamen der damaligen Hausbesitzer waren: Grohmann, Kühnel, Matzel, Pilz, Streit und Zinke.
Die Josefinische Landkarte von 1781/82 enthält für das Ortsgebiet die Bezeichnung „Niederfalkenau „ und „ Neufalkenau“ zum Unterschied von „Oberfalkenau“ . In dieser Landkarte tritt erstmals die Ortschaft „Kittlitz“ oder „Kittelsdorf“ auf, die seit 1758 an Stelle der alten Falkenau Glashütte der Familie Schürer entstanden und nach dem Gründer Johann Josef Kittel benannt worden war. Ein Vetter jenes Kittel war Johann Leopold Riedel, geboren 1726 in Falkenau-Kamnitzer Seite (Niederfalkenau) als Sohn von Johann Karl Riedel [Geboren 1701 in Pablowitz bei Böhmisch-Leipa als Sohn von Johann Christoph Riedel. Glashändler in Neuschloß bei Böhmisch-Leipa. Johann Karl Riedel starb 1800 in Christiansthal im Isergebirge.] der dort Glasmalerei und Vergolder sowie Ortsrichter war. Erstgenannter Johann Leopold Riedel pachtete 1752 die Glashütte Antoniwald im Isergebirge und wurde der Stifter der beiden Riedel-Familien in Polaun, welche als „Glaskönige“ die Rohglaserzeugung im Isergebirge bis 1945 fast ausschließlich beherrschten.
In der Topographie von Schaller (1787) ist Niederfalkenau nicht eigens verzeichnet, sondern wahrscheinlich in den 46 Häusern von Hüllmühl mitenthalten. Hingegen führt Sommer in seiner Topographie von 1833 die Kamnitzer Seite von Falkenau mit 37 Häusern, darunter 1 herrschaftliches Forsthaus, mit 357 Einwohnern auf.
Bei der Volkszählung von 1869 und 1890 wies die damals der Gemeinde Hillemühl zugehörende Ortschaft Falkenau 341 bzw. 400 deutsche Einwohner auf. Die Glasindustrie war 1875 wie folgt vertreten: 13 Glaskugler, 12 Glasschleifer,53 Glasmaler und 5 Versilberer mit zusammen 92 Gehilfen.
Bis 1910 war – infolge zahlreicher neugeschaffener Arbeitsplätze im benachbarten Falkenau-Kittlitz – die Einwohnerzahl in Niederfalkenau auf 602 angestiegen. Nach dem Adressbuch von 1914 gab es 1 Glasraffenerie, 10 Glasmalerwerkstätten, 1 Brettsäge und 2 Kistenerzeugung. Nach dem ersten Weltkrieg ging die Einwohnerzahl wieder etwas zurück, obwohl die Industrialisierung sich verstärkte.
Die häufigsten Familiennamen in Niederfalkenau waren 1934: Endler, Melzer, Schier und Wenzel, Brosche, Donath, Grohmann, Heinrich, Kürschner, Pilz und Tlusty.
Nachwort (Ausklang)
Die Kriegsverluste der Gemeinde Niederfalkenau betrugen 15 Tote und Vermisste, das sind 7,8% der männlichen Bevölkerung von 1939. Im Jahre 1959 lebten 25% der ehemaligen Einwohner in der Bundesrepublik Deutschland, 60% in der DDR und 13% noch in der CSSR , letztere wohl überwiegend tschechische Glasfacharbeiter, deren Familien meist nach 1918 nach Niederfalkenau zugezogen waren.
Heute
Gemäß der neuen tschechischen Verwaltungseinteilung bildet Dolní Falknov (deutsch Niederfalkenau) keine selbständige Gemeinde, sondern ist zusammen mit Mlýny (deutsch Hillemühl) der Gemeinde Kytlice (deutsch Falkenau-Kittlitz) eingegliedert. Die Ortschaft Dolní Falknov hatte 1961 110 Einwohner gegenüber 391 Einwohner in Niederfalkenau im Jahre 1939.
Kriegerdenkmal
Unmittelbar am Ortsrand an der Straße nach Ceska Kamenice steht im Wald ein schmaler Obelisk.
„Tetschen-Bodenbach – Heimatverband Kreis Tetschen-Bodenbach“ (Hrsg.) „Heimatkreis Tetschen-Bodenbach. Ein Buch der Erinnerung“ – 1969
„Alfred Herr – Heimatkreis Tetschen-Bodenbach: Städte und Gemeinden“ – Heimatverband Kreis Tetschen-Bodenbach e.V.“ 1977 – S.555-558
„Die deutschen Heimatführer“ Band 17/18 Sudetenland – Druck 1939
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