Oberkamnitz

  • Beitrags-Kategorie:Landkreis Tetschen-Bodenbach
  • Beitrag zuletzt geändert am:15. Mai 2024
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Gemeindebereich

Die Gemeinde Oberkamnitz – Gerichtsbezirk Böhmisch-Kamnitz – bestand aus der Ortschaft Oberkamnitz mit dem Ortsteil Fabeldörfel. Von 1849 bis kurz vor 1900 hatte auch die ab 1832 entstandene Ortschaft Füllerdörfel dazugehört, die dann zur Gemeinde Nieder-Preschkau ungegliedert wurde. Außer der Gemeinde Oberkamnitz gab es – angrenzend an diese – auch einen Ortsteil „Oberkamnitz“ im Rahmen der Stadt Böhmisch-Kamnitz.
Mundartliche Aussprache des Ortsnamens: „Öberkamtz“ und „Fobldarfl“.
Gesamtfläche der Gemeinde: 538 ha

Ortsgeschichte

Das ganze Gebiet der Gemeinde Oberkamnitz gehörte stets zum gleichen Herrschaftsgebiet wie die Stadt Böhmisch-Kamnitz, d. h. es war ursprünglich Bestandteil der 1283 von der Gaugrafschaft Tetschen abgespaltenen Herrschaft Scharfenstein und seit 1535 Bestandteil der damals gebildeten Herrschaft Kamnitz, bis es 1850 dem Gerichtsbezirk Böhmisch-Kamnitz eingegliedert wurde.

Schloßbergruine, früher Burg Kempnitz

Der Kamnitzer Schloßberg mit der Ruine der mittelalterlichen Burg Kempnitz befindet sich im Gemeindegebiet von Oberkamnitz. Wegen der Bedeutung der Burg für die Entwicklung der Stadt und der Herrschaft Kamnitz wird jedoch die Geschichte der Burg im Rahmen der Geschichte von Böhmisch-Kamnitz abgehandelt.

Ortschaft Oberkamnitz

Oberkamnitz dürfte als östlicher Teil des großflächigen Dorfes Kamnitz entstanden sein, das in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts als deutsches zweireihiges Waldhufendorf entlang des Kamnitzbaches gerodet wurde. Als bald darauf um 1260 bis 1270 der mittlere Teil der Gesamtsiedlung zur Stadt erhoben wurde, blieb Oberkamnitz außerhalb der 1278 urkundlich belegten Stadtumwallung und entwickelte sich dadurch zur selbständigen Ortschaft ebenso wie der westliche Teil der Gesamtsiedlung, das später Niederkamnitz. Ein wichtiges Indiz für diese planmäßige Aufteilung ist die Tatsache, dass Oberkamnitz, Niederkamnitz und Böhmisch-Kamnitz jeweils das gleich große Grundareal von 538 ha aufwiesen (J. Wieden).

Der Ortsname „Kamnitz“ dürfte nach allen Umständen zu schließen von dem Gewässernamen Kamnitzbach übernommen worden sein, der so viel wie Steinbach bedeutet (slawisch kamen = Stein). Trotz dieses Namens ist Oberkamnitz eine. Deutsche Gründung, wie seine Hof- und Fluranlagen zeigten.

Der älteste Nachweis für das Bestehen von Oberkamnitz stammt gemäß Neder von 1393 und lautet „oben in dem Dorfe“. Nur wenig später enthalten die Libri erectionum 1416 den Hinweis „in dem Oberstein Dorffe zu Kemnitz“.

Die Hoflehentafel benennt 1457 „Kempnicz superior“ und 1460 (für 1428) „Camenicze superior“ (d. h. in beiden Fällen „oberes Kamnitz“). In der tschechisch geführten Landtafel kommt 1614, 1619 und 1635 erstmals „horzeyssi Kameniczy“ vor (= Oberkamnitz).

Da das älteste Kamnitzer Stadtbuch Oberkamnitz nicht eigens ausweist, lassen sich vor dem 17. Jahrhundert keine für die Ortschaft charakteristischen Familiennamen benennen und auch keine Angaben über die ursprüngliche Größe der Ansiedlung machen. Es ist aber wahrscheinlich, dass Oberkamnitz anfangs nicht viel mehr Bauerngüter umfasste als Niederkamnitz, bis es nach der Zerstörung der Burg Kamnitz auf dem Schloßberg (um 1444) zur Auflösung des Schloßvorwerkes und 1476 zum Verkauf der Felder kam. Dadurch ist wahrscheinlich der Bestand an Bauerngüter etwas vergrößert worden.

Zur Zeit der StR von 1654 hatte „Ober Kemnitz“ 13 Bauern und 4 Häusler, zusammen also 17 Häuser. Die Namen der Bauern waren Hiekisch, Knechtel, Hille, Krauß, Kreibich, Limpächer, Röhnert, Terme, Vatter und Wenzel.

Sechs von ihnen betätigten sich als Fuhrleute. Zur Zeit des TK von 1713 wurden in Oberkamnitz 20 Wirte festgestellt (davon 13 Bauern), neben denen 16 Häusler bestanden; zusammen gab es som36 Häuser. Die Namen der Bauern lauteten damals: Knechtel, Limpächer, Beitlich, Krauße, Wenzel und Böhme. Zwei Einwohner betätigten sich als Fuhrmänner, 1 als Schleifer und 2 als Landgänger; es wurde vielfach Spinnerei betrieben. Es gab 1 Gasthaus und 1 Mühle (Obermühle).

In der Müller’schen Karte von 1720 und in der Josefinischen Karte von 1781/82 ist der Ort als „Ober Kamnitz„ verzeichnet. Gemäß der Topographie Schallers (1787) gab es 79 Nummern, gemäß der Topographie Sommers (1833) 113 Häuser mit 720 Einwohnern. Erwähnt sind in diesem Jahre das Gasthaus, die Mühle, 2 Glasschleifereien und oberhalb des Ortes am Kamnitzbach eine wichtige Holzschleuse. Im Jahre 1875 gab es in Oberkamnitz 24 Glaskugler, 2 Glasgraveure, 15 Glasschleifer und 1 Glasschleifmühle.

Eine bedeutende Persönlichkeit von Oberkamnitz war der Fabrikant Josef Theodor Rochlitz (*Oberkamnitz 1835, ♰ Böhmisch-Kamnitz 1909), der von 1878 bis 1882 dem böhmischen Landtag angehörte.

Ortsteil Füllerdörfel

Seit dem Jahre 1832 entstand auf den Gründen des ehemaligen Füllergutes in Oberkamnitz die neue Ortschaft „Füllerdörfel„, die 1849 in die politische Gemeinde Oberkamnitz einbezogen, aber um die Jahrhundertwende nach Nieder-Preschkau umgemeindet wurde.

Füllerdörfel hatte 1869 17 Häuser und 139 Einwohner, 1890. 20 Häuser mit 173 Einwohnern.

Die Einwohnerzahl von Oberkamnitz entwickelte sich infolge der im Ort selbst und in Böhmisch-Kamnitz sich vollziehenden Industrialisierung seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg stetig aufwärts. Ohne Füllerdörfel, aber einschließlich Fabeldörfel betrug der Bevölkerungsstand 738 im Jahre 1869, 849 im Jahre 1890 und 1197 im Jahre 1910. Die Einwohner waren bis dahin durchwegs Deutsche. Von 1856 bis 1857 hielt sich der nochmalige Komponist Anton Dvorak zwecks Erlernung der deutschen Sprache in Oberkamnitz auf; er war beim Müller Ohm (Nr.42) untergebracht.

Industrie: Der älteste bedeutende gewerbliche Betrieb in Oberkamnitz war die um 1600 errichtete und mindestens von 1644 bis 1870 im Besitz der Familie Kittel befindliche Schleifmühle (seit letztgenannten Jahre an ihrer Stelle die Baumwollspinnerei Preidl). Aus dieser Familie stammt der Kaiserliche Rat Bezirksarzt MUDr. Anton Kittel (1825 bis 1908).

1835 wurde die Papierfabrik Asten & Dörfl gegründet, als zweitälteste ihrer Branche im Gebiet des späteren Kreises Tetschen. Sie hatte 1841 19 Beschäftigte (7 Männer und 12 Kinder) und befand sich seit 1860 im Besitz von Ignaz Fuchs, dessen Erbe und Nachfolger Robert Fuchs im Jahre 1915 in den Adelsstand mit dem Beinamen „von Robettin“, erhoben wurde. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg (1920) erfolgte die Umwandlung der Firma in die Böhmisch-Kamnitzer Papierfabrik AG. Von 1840 bis 1855 befand sich die Schafwollspinnerei Wenzel Böhm im Ort (später in Niederkamnitz). Im Jahre 1858 wurde die Maschinenfabrik und Eisengießerei Josef Theodor Rochlitz gegründet (etwa 1912/13 von der Firma Adolf Renger übernommen).

1866 gründete Christian Kreibich eine Kunstwollspinnerei. Im Jahre 1870 baute der Großindustrielle Franz Preidl an Stelle der alten Schleifmühle Kittel (Obermühle) seine vierte Baumwollspinnerei im Kamnitzer Gebiet (Fabrik IV).

Noch vor 1833 entstanden folgende Betriebe: k. k. privil. Baumwoll-, Zwirn- und Baumwollbörtelfabrik Weber & Co. (1886 von Fa. Mattausch in Franzenthal angekauft, 1909 im Besitz von Robert Kögler u. Söhne bzw. 1914 der Mechanischen Strickerei Meinels Erben, Großpriesen a. d. Elbe); Schafwollspinnerei Eduard A. Burka (1914 im Besitz von Eduard Schiffner). In den 90er Jahren gab es in Oberkamnitz die Strickmaschinen- und Fahrradfabrik Wagner & Worm, ferner eine Fabrik gebogener Holzmöbel und bis Anfang des Ersten Weltkrieges mehrere Strumpfwirker in Heimarbeit, die in der Genossenschaft „Strumpfwolke“ zusammengeschlossen waren.

Die häufigsten Familiennamen in Oberkamnitz waren 1934: Ritschel, Wenzel, Eschler, Kunig, Weber, Bauer, Beitlich, Fiedler, Finke, Girschik, Gürtler, Knothe, Kny, Krause, Kreibi, Langer, Milan, Richter, Schiffner, Scholze, Seidel, Stanka, Ullrich, Winkler, Wolf.

Ortsteil Fabeldörfel

Gemäß, den Ermittlungen von E. Neder entstand dieser Ortsteil ab 1840. In der Franziszeichen Landkarte von 1848 sind bereits einige Häuser verzeichnet, ohne jedoch eine Bezeichnung zu besitzen. Namensgebenden war offenbar der Fabelsberg südlich von Oberkamnitz, in dessen Nähe die neue Ansiedlung entstanden. Ein Teil von ihr steht in der Steinschönauer Gemarkung, weshalb dieser Nachbargemeinde ebenfalls einen Ortsteil Fabeldörfel hat, der im örtlichen Sprachgebrauch auch „Neue Welt“ oder „Neu-Amerika“ genannt wurde. Im Jahre 1890 hatte das Oberkamnitzer Fabeldörfel 12 Häuser mit 88 Einwohnern, 1910 13 Häuser mit 113 Einwohnern. Diese Zahlen sind in den o. g. Daten für die Gemeinde bereits enthalten.

Lage

Die Ortschaft schließt sich ohne Unterbrechung der geschlossenen Siedlung östlich an die Obere Straße und die Alte Straße in Böhmisch-Kamnitz an. Etwa in der Mitte der Ortschaft zweigt nach Südwesten die Staatsstraße nach Steinschönau und Haida ab, unweit östlich dieser Stelle beginnt die nordwärts gerichtete Staatsstraße über Hasel nach Kreibitz und in Verlängerung des Ortes nach Osten führt die Bezirksstraße in Richtung Hillemühl und Niederfalkenau weiter. Alle drei Ausfallstraßen sind ein Stück in die Täler hinein von Oberkamnitzer Häusern gesäumt. Die Meereshöhe der Ortschaft Oberkamnitz beträgt 300 bis 330 m.

Bodengestalt

Das Gemeindegebiet von Oberkamnitz ist überwiegend bergig und wird vom Kamnitzbach in zwei Teile gegliedert. Der eine – nördlich des Baches gelegen – ist kleiner, steiler und erreicht eine Meereshöhe von 457 m in der Nähe des Felsgipfels Nolde (489 m), der jedoch auf Böhmisch-Kamnitzer Gebiet liegt; hier dominiert der Wald, durchsetzt von Sandsteinfelsen, so dass für landwirtschaftliche Nutzung wenig Möglichkeiten vorhanden sind. In dem südlich des Kamnitzbaches sich ausbreitenden größeren Gemeindeteil steigen die Hänge allmählicher an, und hier erstrecken sich die Wirtschaftsstreifen der Bauernhöfe von der Bachniederung (300 bis 330 m) bis an die Gemeindegrenze von Steinschönau (fast 400 m). Überragt wird dieses Gelände vom Kamnitzer Schloßberg (544 m), mit einem Aussichtsturm seit 1880, vom Fabelsberg und Schenkenberg (395 m) und weiter südlich vom Forstberg (591 m). Alle diese Gipfel bestehen aus Basalt, während sonst sandige Böden vorhanden sind. Entlang des Kamnitzbaches sowie der in ihn einmündenden Bäche (Haseler und Preschkauer Bach) befinden sich die Ortschaften und die Industriebetriebe. Die Gesamtfläche der Gemeinde wird zu rund 50 % landwirtschaftlich genutzt und ist zu gut 40 % bewaldet. – In stiller Waldeinsamkeit nördlich von Oberkamnitz ist die Andachtstätten „Brüderaltar“ errichtet. In der Nähe befindet sich die Rudolf-Fischer-Hütte.

Gewässer und Trinkwasserversorgung 

Der Kamnitzbach – das Hauptgewässer der Gemeinde – durchfließt die Ortschaft von Osten nach Westen und nimmt dabei von Norden her den Haselbach und ein von der Nolde kommendes unbenanntes Rinnsal auf; von Süden der Preschkauer Bach zu. An der Grenze zur Stadt Böhmisch-Kamnitz wird der Kamnitzbach gestaut und der Mühlgraben abgeleitet.
Teiche: Schanderteich – genutzt für Karpfenzucht – unweit der Einmündung des Haselbaches in den Kamnitzbach. Zwei kleine Teiche bei der Papierfabrik zur Einwässerung von Schleifholz.
Trinkwasserversorgung: Die gemeindliche Hochquellwasserleitung wurde vor 1914 gebaut; das Quellgebiet und das Reservoir befindet sich nördlich der Ortschaft in Richtung Hasel. Jeder Bauernhof besaß außerdem seit alter Zeit einen Röhrbrunnen.

Flurnamen

Schieferheide, Erlenbüschel, Kreuzbaum, Hinter-, Mittel-, Vordergründel, Kippe, Hörnl, Augustus Höhe, Schenkenbergweg, Pilzberg, Sandbruch, Franzensruhe, Achloßbergwiesen, Töpferstein, Fuchsenloch, Grasgraben, Vogelherd, Wurzelsberg, Vogelbwrg, Stinkiges Loch, Weißer Stein, Hasler Fuchsberg, Arschkarbe, Bloßlehne, Himmelfahrt, Krautgarten, Tonelschlüchte.

Bevölkerung und Erwerb

Oberkamnitz gehörte zu den stark Industrialisierten Gemeinden des Kreises Tetschen. Fast zwei Drittel (65,1 %) der Bevölkerung lebten 1939 von industriellen und handwerklichen Berufen. Mit dieser hohen Quote lag Oberkamnitz an 8. Stelle unter den Gemeinden des Kreises.
Rund 56 % der Einwohnerschaft entfielen auf Arbeiterfamilien. Ein Teil der Arbeiter war allerdings nicht in den ortsansässigen Betrieben tätig, sondern hatte die Arbeitsplätze in Böhmisch-Kamnitz und Niederkamnitz, während anderseits Arbeiter aus Nieder- und Ober-Preschkau, Hasel und Hillemühl nach Oberkamnitz „einpendelten“.
Der nach dem Ersten Weltkrieg bis 1930 auf 9,6 % angestiegenen Bevölkerungsanteil der Tschechen hängt überwiegend mit der Zuwanderung von Papierfabrik- und Glasarbeitern zusammen. Infolge des Anwachsen der Industrie war die Landwirtschaft in Oberkamnitz verhältnismäßig stark in den Hintergrund getreten. Trotz nur 6,7 % Anteil von Land- und Forstwirtschaft und folglich nur 3,4 % mithelfenden Familienangehörigen gab es in Oberkamnitz noch 13 hauptberufliche Landwirte (Adressbuch 1934), die etwa den 12 landwirtschaftlichen Betrieben mit 5 und mehr ha Wirtschaftsfläche entsprachen (1939). Außerdem wurden 27 kleinere landwirtschaftliche Betriebe mit 0,5 bis unter 5 ha von Arbeitnehmern als Nebenerwerb geführt.
Industrie: Böhmisch-Kamnitzer Papierfabrik AG mit Gleisanschluss (vormals Papier-, Zellstoff- und Holzstofffabrik Fuschs), Maschinenfabrik Adolf Renger, Gardinenweberei Meinels Erben, Spiegelschleiferei A. Härtling, Steinbruch (Schotterwerk) „Hillbauer“ F. Beitlich, Sand Grube „Pilzbauer“ F. Wenzel. Charakteristisch für Oberkamnitz war das Vorhandensein von Lohnfuhrwerken (1942 mit 5 Betrieben vertreten, außerdem 1 Autotransportbetrieb), ferner je 1 Gürtlerei und Feilenhauerei sowie 2 Wagnereien, davon eine spezialisiert auf Wintersportartikel. Weiteres bestand die Einkaufs-, und Erzeugungsgenossenschaft „Heimwerk“.

Verkehr, Gastgewerbe, Sport

Bahnhaltestelle: Oberkamnitz. Nächste Bahnstationen: Böhmisch-Kamnitz. Postamt: Böhmisch-Kamnitz. Autobusverbindungen: Nach Böhmisch-Kamnitz, Steinschönau und Ober-Preschkau.
Gastgewerbe: 6 Gasthäuser, und zwar: „Insel Korsika“ (J. Bauer, Nr. 101), „Zu den drei Linden“ (J. Knothe, Nr. 114), Werkskantine der Papierfabrik (M. Ahne, Nr. 74), „Beim Wenzelbauer“ mit Saal und Bühne (M. Wenzel, Nr. 75), „Zum Stiefel“ mit Fremdenzimmer (E. Fritsche, Nr. 53) und in Fabeldörfel Gasthaus E. Horn (Nr. 111); bis in die 30er Jahre hatten die Gasthäuser „Alte Schmiede„ (M. Schmidt, Nr. 77) und „Grüner Baum“ (volkstümlich „Beim Polschen“) bestanden.
Sportanlagen: Sportplatz „Kreuzerwiese“, Freibad.

Pfarrei, Matriken, Kirche

Das Gebiet der Gemeinde Oberkamnitz gehörte stets zur Stadtpfarrei St. Jakob in Böhmisch-Kamnitz, und zwar mit dieser von 1532 bis 1624 überwiegend lutherisch. Die Matriken für Oberkamnitz sind – wie sämtliche Kirchenbücher von Böhmisch-Kamnitz – seit 1630 erhalten, jedoch bestehen zwischen 1714 und 1735 gewisse Lücken.
Kirchenfest am Patroziniumstag der Böhmisch-Kamnitzer Pfarrkirche (Jakobi, 25.Juli). Prozession zur Marienkapelle in Böhmisch-Kamnitz am Tage Mariä Geburt (8. September).
Gedenkkreuze und Statuen: Schenkens Kreuz (zur Erinnerung an ein vom Blitz erschlagenes Mädchen), Statue des hl. Johannes, Kreuz an der Alten Straße, Feldkapellen im Wenzelbauergrund (Erinnerung an einen Totschlag). „Brüderaltar“ im Wald nördlich von Oberkamnitz in der Nähe des Felsgipfels Nolde. Dort sind in Sandstein-Nischen 14 Kreuzwegestationen angebracht, mit Heiligenbildern und -Figuren, ferner ein Reich, mit Blumen und Bilderschmuck gezierter je 1,50 m hohe und breiter Altar, über welchem auf einer Tafel zu lesen ist, dass dieser Ort in der Reformationszeit den katholisch Gebliebenen zu heimlichen Zusammenkünften und Andachtsübungen gedient habe. Abweichend davon hat E. Neder festgestellt, dass es sich hierbei um eine. Etwa 1830 bis 1840 aufgenommene Volksmeinung handelt und dass diese Andachtsstätte erst seit 1867 errichtet worden ist.
Friedhof: Die Beisetzung der Toten erfolgte stets auf dem Stadtfriedhof (alter und neuer Friedhof) in Böhmisch-Kamnitz.

Schule

Die Ortschaft Oberkamnitz samt Fabeldörfel gehörte seit jeher zum Schulsprengel von Böhmisch-Kamnitz.

Verwaltung

Soweit festgestellt werden konnte, gehörte Oberkamnitz seit seiner Gründung zum Erbgericht und später zum Stadtgericht von Böhmisch-Kamnitz. Im ältesten Kamnitzer Stadtbuch (beginnend 1380) sind die das Dorf Oberkamnitz betreffenden Rechtsfälle nicht direkt erkennbar, weil keine Unterscheidung zwischen Ober-, Nieder- und Stadt Kamnitz gemacht wurde. Wahrscheinlich beziehen sich aber Erwähnung, wie z. B. 1393 „oben in dem Dorfe“ auf Oberkamnitz.
Von 1648 bis 1849 dürfte Oberkamnitz zur Dorfrichterei von Niederkamnitz gehört haben. Im Jahre 1849 wurde Oberkamnitz einschließlich dem wenige Jahre vorher entstandenen Ortsteil Fabeldörfel und dem, einschließlich der 1832 gegründeten Ortschaft Füllerdörfel selbständige politische Gemeinde. Füllerdörfel hatte zuvor zur Ortschaft Nieder-Preschkau gehört und wurde 1899 wieder von Oberkamnitz getrennt und der Gemeinde Nieder-Preschkau angeschlossen.
Gemeindevorsteher bzw. Bürgermeister in Oberkamnitz seit 1918 waren: Josef Wenzel, Karl Neugebauer und Fritz Mertin. Gemeindepersonal: Gemeindesekretär und 1 Gemeindediener (beide bis in die 20er Jahre). Durch Beschluss des Reichsstatthalters vom 18.März 1943 (Verordnungsblatt für den Reichsgau Sudetenland Nr.6, S. 29) wurde Oberkamnitz ebenso wie Niederkamnitz in die Stadt Böhmisch-Kamnitz eingegliedert. Dadurch stieg deren Einwohnerzahl von 4360 im Jahre 1939 auf 7417, wobei sich allerdings auch eine gewisse Zuwanderung um etwa 560 Personen eine gewisse Rolle spielte. Das elektrische Licht wurde 1919/20 in Oberkamnitz eingeführt.

Kulturpflege und Vereinsleben

Vereine: Freiwillige Feuerwehr (außerdem Werksfeuerwehr der Papierfabrik), Gesangsverein. Brauchtum: Oberkamnitz beteiligte sich am Osterreiten des ganzen Böhmisch-Kamnitzer Kirchsprengels. Die um 6 Uhr früh am Marktplatz versammelten Reiter zogen über Höllegrund, Kunnersdorf und Hasel bis zum Gasthaus „Zum Wenzelbauer“ in Oberkamnitz, von hier aus begleitete Richters Musikkapelle den Reiterzug in die Stadt, wo am Marktplatz die Feldmesse und Ansprache stattfanden.

Sehenswertes 

Mehrere Bauernhäuser mit Steinfundamen und Fachwerkbauweise im ersten Stock – Brüderaltar – Schloßbergruine: Hier in 544 m Meereshöhe stand vom 13. bis ins 15. oder 16. Jahrhundert die Burg Kempnitz. Die einzigen Baureste haben sich auf dem obersten Felsgrat erhalten, nämlich eine durch eine Quermauer geteilte längliche Viereckige Ruine aus Stein in der Höhe zweier Stockwerke mit unregelmäßigen Fensteröffnungen sowie Spuren von Ringmauern. Seit 1880 war in der Ruine ein 16 m hoher hölzerner Aussichtsturm eingebaut (vortreffliche Aussicht) und zeitweise eine Sommerrestauration vorhanden.

Nachwort (Ausklang)

Angaben über die Kriegsverluste der Gemeinde Oberkamnitz sowie über den Verbleib der Einwohner nach der Vertreibung sind nicht möglich, da die betreffenden Feststellungen nicht gesondert erfolgten. Diese Daten sind in den Angaben für Böhmisch-Kamnitz mitenthalten.
Die tschechische Gemeindeeinteilung nach 1945 hat die 1943 erfolgte Einbeziehung der Gemeinde Oberkamnitz in die Stadt Böhmisch-Kamnitz aufrechterhalten. Als zur Stadt Česká Kamenice (deutsch Böhmisch-Kamnitz) gehörende Ortschaft hatte 1961 Horní Kamenice (deutsch Oberkamnitz) 794 Bewohner gegenüber 973 im Jahre 1939.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam Oberkamnitz zur Tschechoslowakei zurück. Die deutschen Bewohner wurden bis 1946 vertrieben und der Ort erhielt den Namen Horní Kamenice (deutsch Oberkamnitz).

Heute

Horní Kamenice (deutsch Oberkamnitz) ist ein Ortsteil der Stadt Česká Kamenice (deutsch böhmisch-Kamnitz) im Okres Děčín in Tschechien. Sie liegt 15 Kilometer östlich des Stadtzentrums von Děčín und gehört zum Okres Děčín.

Tetschen-Bodenbach – Heimatverband Kreis Tetschen-Bodenbach“ (Hrsg.) „Heimatkreis Tetschen-Bodenbach. Ein Buch der Erinnerung“ – 1969
Alfred HerrHeimatkreis Tetschen-Bodenbach: Städte und Gemeinden„- Heimatverband Kreis Tetschen-Bodenbach e.V.“ 1977 – S.672-683