Geschichte
Wie Schluckenau das Verwaltungszentrum und der Organisationsmittelpunkt des Bezirkes war, war Georgswalde in gewisser Hinsicht ein geistiges Zentrum für das ganze Niederland, vor allem was die Organisation der religiösen Vereinigung, den Priesternachwuchs, die katholische Pressearbeit und die kirchliche Erneuerungsbewegung betraf. Die Gemeinde Georgswalde, hart an der sächsischen Grenze gegenüber Ebersbach in Sachsen in einem Talkessel mit dem Ritterbach als Hauptader gelegen, bestand aus der Stadt Georgswalde (Ober- und Niedergeorgswalde), Neugeorgswalde, Wiesenthal und eine Zeitlang auch Philippsdorf. Die Gründung der deutschen Ansiedlung Geringswalde wird auf das Jahr 1240 datiert. In den ältesten Urkunden (erste Erwähnung 1361) findet sich der Name des Dorfes Jerwigswalde, Gerigswalde, Jerigswalde und Georgswalde. Georgswalde wurde ab 1753 als Stadt bezeichnet, erhielt aber damals erst das Marktrecht. Die offizielle Erhebung zur Stadt erfolgte erst 1914. Im 15. Jahrhundert war Georgswalde ein Edelsitz der Familie von Luttiz. 1419 wurde das Dorf zur Gänze zerstört. 1566 kam es an Ernst von Schleinitz. 1681 wurde unter Philipp Siegmund von Dittrichstein Neugeorgswalde gegründet, das 1849 mit Altgeorgswalde vereinigt wurde. Östlich von Altgeorgswalde schloss sich der noch jüngere Ort Wiesenthal (gegründete etwa 1730) an, der sich bis zum Grenzbahnhof Georgswalde-Ebersbach hinzog. Ganz Georgswalde zählte 1939: 7773 Einwohner und hatte 1234 Häuser, war also größer als seine einstige Bezirksstadt Schluckenau. 1910 hatte es 8836 Bewohner und 1040 Häuser.
Die Einwohner waren zu 96 % katholisch, was umso erwähnenswerter ist, als die Häuser des Ortes mit den Häusern des angrenzenden evangelischen Sachsen ineinander flossen.
Während im Mittelalter die Bevölkerung ausschließlich vom Landbau und Handwerk lebte, fand in Georgswalde schon im 14. Jahrhundert die Weberei mit heimischen Flachs Verbreitung. Nach dem Schlesien durch den siebenjährigen Krieg der österreichischen Monarchie zum größten Teil verlorengegangen war, fand die Industrie in Nordböhmen, insbesondere in Georgswalde, große Förderung. Die Leinenindustrie fand um die Mitte des 19. Jahrhunderts hier ihre höchste Blüte. In ganz Europa waren die „Rumburger Leinen“ berühmt, die aber nur deshalb diesen Namen trugen, weil sie von Georgswalde zuerst nach Rumburg auf den Markt kamen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert überwogen jedoch die auf sächsischem Gebiet an der Grenze errichteten Fabrikunternehmen, die durchschnittlich von 3000/4000 Georgswalder Arbeitern besucht wurden. Deshalb wurde nach dem 1. Weltkrieg Georgswalde durch die Veränderung der staatlichen Verhältnisse und die langjährige Wirtschaftskrise besonders hart betroffen. Sie brachte einen katastrophalen Niedergang von Handel und Gewerbe. Betrug die Grundlage der Gewerbesteuer 1930 in Georgswalde noch 137000 Kronen, so lag sie 1937 nur noch bei 37000.
Aber jedenfalls waren Industrie, Handel und Gewerbe in Georgswalde in allen Sparten stark vertreten, genauso wie Banken und Sparkassen. Es gab 48 Gemischtwarenhändler, 25 Bäcker, 12 Fleischer, Apotheken, vier Ärzte, Drogerien, Maler, 15 Kohlehändlern, 19 Schneider, 14 Tischler. Eine große Zahl von Hotels („Stadtgericht„), Gaststätten, Cafes oder Conditorein (43 Stück) und nicht zuletzt eine Vielfalt von Vereinen, Körperschaften und Genossenschaften zeugten von weitgehender Aufgeschlossenheit für Geselligkeit, Fremdenverkehr und für eine ausgedehnte kulturelle „Selbstverwaltung„. Georgswalde hatte zwölf Mietautounternehmen.
Wirtschaft
Die wichtigsten Industriebetriebe sein aufgezählt: Dampfapparatebau Artur Kunersdorf, Beschlägefabrik Wagner, Nordböhmische Webstuhlfabrik C.A.Roscher, Harmonium-,Flügel- und Klavierfabrik August Förster, Kartonagenfabrik Wendler und Röttig, Maschinenfabrik Rudolf Heinrich, Maschinenfabrik Olbrich & Co., Gesenkschmiede und Werkzeugfabrik KG Münzberg mit über 200 Beschäftigten, Metallwarenfabrik Johann Schmidt, Nordböhmisches Spiralfedernwerk Eduard Sieber OHG, Teppichfabrik Arno Müller, die Webereien Eduard Diessner, Reinhold Holfeld, Kindermann & Co. und Josef Lorenz, Reinhold Holfeld und vor allem aber die größte Weberei Firma May & Holfeld. Neben der Textil- und Eisenindustrie (Webstuhlbau) war es nicht zuletzt der Klavierbau der Pianofortefabriken August Förster und Scholzes Söhne, die den Namen Georgswalde als Musikinstrumentenstätte in die weite Welt trug.
Kirchlich gehörte Georgswalde im 14. Jahrhundert zum Erzpriesterstuhl Löbau. 1346 war jedenfalls ein Dorf mit einer Kirche und einem Pfarrer vorhanden. 1524 war es lutherisch. Die Protestantischen Pastoren wurde erst um 1632 durch die Gegenreformation vertrieben, nachdem Kaiser Ferdinand II. 1628 angeordnet hatte, dass alle Protestanten das Land verlassen mussten. So wurde 1657 in dem benachbarten sächsischen Gersdorf von den Georgswalder„Auswanderernn“ das „neue Gersdorf“, nämlich Neugersdorf, gegründet. Erst 1664 wurde die Kirche den Katholiken zurückgegeben. Nachdem schon 1669 die erste hölzerne Pfarrkirche in Georgswalde durch den Bischof von Leitmeritz, Schleinitz, eingeweiht worden war, wurde die heutige, dem Märtyrer St. Georg geweihte Kirche 1728 vollendet. Sie enthielt ein Altargemälde des Schluckenauer Malers Dominik Kindermann. Die Pfarrei Georgswalde, zuletzt mit einem Dechant besitzt, umfasste die Ortsteile Ober-, Mittel- und Niedergeorgenwalde, Neugeorgswalde (1681), Wiesenthal (1718) und die Gemeinde Philippsdorf (1681). Georgswalde hatte auch ein Krankenhaus und zwei Ordenshäuser der Barmherzigen Schwestern. Die Matriken der Pfarrkirche wurden seit 1669 geführt.
Der Friedhof Antonínova wurde im Jahre 1872 angelegt, in der Mitte stand ein großes Kreuz und davor das Kriegerdenkmal aus dem 1. Weltkrieg. 1947 gab es die letzte Beerdigung.
1963 hat die Stadt entschieden, dass Gräber und Denkmäler eingeebnet werden und als Lagerplatz an die Firma Elitex freigegeben wird.
Schule
1527 ist ein „Schulmeister“ erwähnt. Ob es eine Schule schon gab, wissen wir nicht. 1729 wurde eine neue Schule erbaut. 1870 wurde die dreiklassige Volksschule vierklassig. Im 19. Jahrhundert waren Schwestern der Borromäerinnen als Lehrerinnen tätig. 1874 besaß Georgswalde sechs Knaben- und sechs Mädchenschulklassen, die nach zwei Jahren bereits auf acht vermehrt wurden. 1886 wurde eine neue Bürgerschule bezogen, nachdem diese größte Gemeinde des Bezirkes Schluckenau lange Zeit keine Bürgerschule gehabt hatte. 1899 wurde daneben eine Mädchenbürgerschule errichtet. Gerade die Schulorganisation und Schulraumgestalltung zum Ende des 19. Jahrhundert zeigte, welche ungeheuren Aufschwung Georgswalde durch die Industrie nahm. Nachdem Anschluss an das Deutsche Reich wurden durch Verordnung von 1940 die letzten Geistlichen Schwestern aus dem Schuldienst verdrängt, die bis 1918 die Mädchenvolksschule ganz alleine geführt und bis 1940 mit unterrichtet hatten. Von 1886 bis 1936 bestand eine gewerbliche Fortbildungsschule. Georgswalde wurde neben Warnsdorf zum Ausgang des 19. Jahrhundert zum Zentrum der katholischen Volksbewegung und Tagungsort mehrerer großer Katholikentage.
Unser Niederland
1908 wurde hier die Heimatzeitung „Das Niederland“ zuerst als Wochenzeitung gegründet und nahm der Presseverein St. Michael seine Tätigkeit auf. Besonders Dechant Dr. Anton Friese (*1874 in Fugau, ♰ 1926 in Georgswalde) und Kaplan Franz Liebsch aus Schluckenau (♰ 1931) haben sich um die Verbreitung verdient gemacht. „Das Niederland“ erschien später zweimal wöchentlich und war, wie schon gesagt, bis 1945 die weit verbreitete Zeitung des „kleinen Mannes“ in unserem Bezirk.
Georgswalde wollte 1946 seine 600-Jahrfeier als Ort begehen und hatte bis 1945 schon Vorbereitung hierzu getroffen.
Wappen
Wie schon oben gesagt, wurde Georgswalde schon 1753 zum Stadt- und Marktflecken hoben, bezeichnet sich jedoch seither schon selbst als Stadt. Es erhielt zwar kein Stadtwappen verliehen, führte jedoch ein Wappen mit dem hl. Georg im Kampf mit dem Drachen. Erst am 1. Februar 1914 erfolgte die Erhebung zur Stadt mit späterer Verleihung des Wappens: in einem roten Schild erscheint auf natürlichem Boden eine auf weißen Rosen nach links springende Gestalt des hl. Georg in weißem Rock, mit blauem Mantel, die Lanze in den Rachen eines Grünen Drachen stoßend (vgl. Abbildung und Beschreibung von Erhard Marschner in „Unser Niederland“, April 1973, S.39).
Die Stadtfarben von Georgswalde waren Rot-Gelb. In Georgswalde lebte ein Menschenschlag ganz besonderer Art. Dies zeigte sich nicht nur im Dialekt, sondern auch in den Lebensgewohnheiten und in der religiösen Haltung. Bürgersinn, Fleiß, Ausdauer und Opferbereitschaft der gesamten Bevölkerung waren Voraussetzung dafür, dass Georgswalde zur wirtschaftlichen Blüte und zu Wohlstand kommen sollte. Landwirtschaft, Gewerbe, Handel und Industrie bildeten seit jeher eine harmonische Einheit. Galten die Niederländer als sehr religiös, so dürften die Georgswalder diese Ansicht ganz besonders für sich beanspruchen. Wenn wir mithilfe der Namensforschung nach der Herkunft der Bevölkerung fragen, so kann der sehr verbreitet Name Holfeld auf fränkischen Ursprung der Siedler, ganz besonders auf das Städtchen Hollfeld zwischen Bayreuth und Würzburg deuten, der ebenso gebräuchliche Name Hesse auf Mitteldeutschen Landschaften und der Name Marschner (die Marsch) auf Niederdeutschen Ursprung, ebenso Kade (Kate, Häusler). Die Mitteldeutschen prägten jedoch die Sprache der Georgswalder.
So konnte am 1. November 1873 der Verkehr auf der neuen Eisenbahnstrecke Rumburg-Georgswalde-Ebersbach i.Sa. feierlich eröffnet werden.
Der Bau des Georgswalder Rathaus wurde im Jahre 1894 beendet und als ein monumentales, zweckmäßige eingerichtete Gebäude bewertet.
Von Georgswalde aus, das selbst in einem anmutigen, auf drei Seiten von waldigen Hügeln umsäumten Tale liegt, waren Ausflugsziele der Butterberg bei Philippsdorf, eins mit Raststätte und Vergnügungspark „Neumannns Neue Welt“ versehen. Töppelberg, Jagdschloss in Richtung Rumburg, Jubiläumshöhe. Berggaststätte Weidmannsheil an der Straße nach Königswalde-Schluckenau, Jüttelsberg mit Baude, Hainberg, Humboldtbaude, Felsenmühle und andere. Die Fernwege von Georgswalde waren vom Gebirgsverein gut Markiert.
Am 8. Mai beginnt gegen 10 Uhr die Flucht von deutsche Zivilisten und Soldaten in Georgswalde auf der „Langen Meile“ nach Rumburg.
Am 9. Mai 1945 10 Uhr zogen von Friedersdorf kommende Einheiten der zweiten polnischen Armee und von Ebersbach her Soldaten der 37. sowjetischen Infanterieregimentes in Georgswalde ein und ziehen auf der „Langen Meile“ in Richtung Rumburg. Das abseits liegende Philippsdorf blieb davon verschont.
Der Niedergang des Städchens Georgswalde nahm apokalyptische Züge an. Mehr als die Hälfte der Häuser wurden dem Verfall preisgegeben bzw. dem Erdboden gleichgemacht. Nach 1948 gab es an der Grenze ein Niemandsland mit einem hohen Drahtzaun, auch die Wallfahrtskirche in Philippsdorf befand sich in diesem Niemandsland.
Das „Lahmerhaus„, 1810 erbaut, wurde 1960 gesprengt. Im Laufe der Jahre wurden nicht nur die über 600 Häuser, die abgerissen waren, planiert, sondern laufend hat die Stadt auch alle Einfamilienhäuser verkauft!
Heute
Jiříkov (deutsch Georgswalde) ist eine Stadt im Okres Děčín in Tschechien.
Die Stadt Jiříkov gliedert sich in die Ortsteile Filipov (deutsch Philippsdorf), Loučné (deutsch Wiesenthal), Nový Jiříkov (deutsch Neu Georgswalde) und Starý Jiříkov (deutsch Alt Georgswalde).
„Niederlandhefte -Schriftenreihe des Bundes der Niederländer“ Wilhelm Pfeifer S.19/20 – HEFT 9 – 1977
„Geschichte des Niederlandes“ Karl Richter 1960
„Heimatkunde des politischen Bezirkes Rumburg“ Anton Hockauf 1885
„Die deutschen Heimatführer“ Band 17/18 Sudetenland – Druck 19390
„Unser Niederland“ – Ausgabe 12.1994 – S.378 Herr O.Münzberg¹
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