Schluckenau

  • Beitrags-Kategorie:Landkreis Schluckenau
  • Beitrag zuletzt geändert am:20. August 2022
  • Lesedauer:30 min Lesezeit

Geschichte

„Hauptstadt“ und wirkliches Lebenszentrum des Bezirkes war zu jeder Zeit Schluckenau, gleichzeitig auch der älteste Ort der ganzen Landschaft. Seine Entstehung verdankte es einem Rastplatz und Handelsplatz an dem durch den Lausitzer Wald führenden Verbindungsweg zwischen Lausitz und Böhmen noch in der Zeit vor der ostdeutschen Kolonisierung, im 9. oder 10. Jahrhundert. Der Ursprung seines Namens lässt sich nicht ohne weiteres erklären. Man kommt der Wahrheit wohl am nächsten, wenn man die älteste urkundlichen Erwähnung von Slaknaw, Slaknow oder mit ähnlichen Schreibweisen mit der slawischen Bezeichnung von Salz oder Salzort in Verbindung bringt, also als Salzhandelsplatz oder Transport- und Lagerplatz deutet. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß der Hauptteil des Namens auf einen örtlichen Grundherren oder Führer des Namens Slauko, Slavko oder ähnlich zurückgeht. Die Gründung des Ortes liegt um 1200.[3] 1281 ist sie schon eine Stadt und damit als älteste Stadt des Niederlandes erwähnt. Die Kirchenchronik von Schluckenau enthält hierzu den Eintrag: “Von Entstehung der Stadt Schluckenau kann nichts wahrscheinlicher gesagt werden, als das gegen Ende des 9.Säculums gewisse Herren von Birkenfels in diese Gegend gekommen und zugleich Schluckenau und Sächsisch Neustadt zu bauen angefangen haben, von welchen Herren von Birkenfelden die Stadt auch ihr Wappen in zweien birkenen Ästen führt“.

Wir dürfen aber nicht glauben, dass die Tschechen Schluckenau für sich als tschechische oder slawische Gründung beanspruchen. Der Verfasser ist im Besitz einer tschechischen Zeitung aus dem Jahre 1967, die betont, der Name Sluknov sei einfach durch formale Tschechischisierung des deutschen Namens Schluckenau entstanden, die letzte Silbe au bedeutet: „Wiese am Bach“, aber die zwei ersten Silben ließen sich nicht klar deuten. Die Erwähnung von 1281 und 1296 des Rudegher von Slaukenowe könne darauf hindeuten, den tschechischen Namen Slavek-Slavko (Endung vieler Namen mit -Slave) zu decken, aber die spätere Erwähnungen 1359 Slaknaw, 1388 Michael de Slaknouia, 1423 Sluknaw, 1425 Slockenam, 1446 Slackenaw, würde dem eindeutig Wiedersprechen. Im ältesten feststellbaren Zeitraum der Herrschaft der Familie Berka („von Birkenfels“) zugehörig, trug Schluckenau, das schon im 14. Jahrhundert als Stadt bezeichnet wurde, auch schon seit dem Ausgang des Mittelalters die zwei gekreuzten Birkenäste der Berkas als Stadtwappen. Das älteste Stadtsiegel ist aus dem Jahre 1566 erhalten. Im 15.und 16. Jahrhundert war Schluckenau von einer Stadtmauer, von Toren und Gräben umgeben, deren Reste erst im 19. Jahrhundert, vor allem anlässlich der baulichen Ausdehnung der Stadt beseitigt wurden. Schluckenaus Bedeutung wuchs auch im 15. Jahrhundert durch die Belebung der durch die Stadt führenden Salzstraße von Dresden über Stolpen und Neustadt nach Prag. Schluckenau erfreute sich der Fürsorge der meisten Herrschaftsbesitzer, im Besonderen der Familie Schleinitz und der Gräfin von Dittrichstein, die den Bewohnern der Stadt viele Freiheiten gewährten. Markanteste Herrschaftsbesitzer waren die Schleinitz im 16. Jahrhundert, die die Stadt Ihre Gerichtsbarkeit auch im Gebiet um die Stadtsiedlung verliehen. Bis zum 18. Jahrhundert wurde die Stadt von 12 Ratsherren regiert, die sich jeweils als Bürgermeister ablösten, 1784 traten an ihre Stelle vier Bürgermeister, seit 1793 amtierte ein Bürgermeister, neben ihm zwei Räte und drei Repräsentanten, die man als Verwaltungsreferenten bezeichnen könnte.

Schluckenau, Marktplatz, Landkreis Schluckenau, Sudetengau

Die Stadt Schluckenau wurde oft von Pest und Brand heimgesucht. So sind große Stadtbrände von 1577, 1596, 1618, 1634, 1637, 1710, 1745 und 1838 bekannt und Pestseuchen von 1555, 1585 und 1595. Der Verfasser hat noch vor wenigen Jahren bei einem Besuch in Leitmeritz an der Elbe in einer Ausstellung von Schützenscheiben aus Nordböhmen aus dem 19. Jahrhundert ein großes Ölgemälde „Der Brand von Schluckenau 1838“ gesehen. Bemerkenswert ist, dass im 17. und 18. Jahrhundert Träger der handwerklichen Entwicklung die Innungen waren, die besondere Privilegien genossen, so vor allem die Leinweber.
Auch die Schützen, denen auch die städtische Verteidigung oblag, waren eine privilegierte Gruppe. Im Jahre 1715 zählte Schluckenau 3332 Einwohner, während nach einer Eintragung im Schluckenauer Kirchenbuch die ganze „Herrschaft Schluckenau“ im Jahre 1796 – 16258 Personen umfaßte. 1930 hatte die Stadt 5578 Einwohner, 1939 nur noch 5326 (808 Häuser). Schluckenau bildete siedlungsmäßig, wirtschaftlich, in der Verwaltung, kulturell, kirchlich und schulisch das Zentrum des Bezirkes und war ringsum von einem Kranz größerer Dorfgemeinden umgeben, deren öffentliches Leben auf der „Hauptstadt“ ausgerichtet war. Städtebaulich bildete der 110 m lange und 67 m breite viereckige Marktplatz mit der 1752 errichteten Dreifaltigkeitssäule und der Kirchplatz mit der Erzdekanalkirche den Mittelpunkt der Stadt, während die nach Kaiserswalde zugelegten Vorstadt und die nach Rosenhain führende „Au“ eine Art getrennte Stadtteile darstellen.

Die Stadt liegt am Silberbach, der sich unweit der Stadt mit dem aus dem Boxteich kommenden Kaschelbach vereinigt und sich als Rosenbach in Sohland/Spree in Sachsen in die Spree ergießt. Die Umgebung von Schluckenau ist anmutig; Berge, Täler, Wiesen, Felder und Wäldern gewährten immer ein wohltuenden Anblick. Die Ausläufer des Lausitzer Gebirges mit einzeln stehenden Bergen bildeten Naturschönheiten, die durch historische Erinnerungen und Sagen noch erhöht wurden. In allernächster Nähe der Stadt liegt im Süden der Butterberg, der Goldberg mit seinen Parkanlagen neben dem Friedhof und der malerische Kreuzberg (397 m), im Norden der Judenberg auf Neugrafenwalder Boden, im Südwesten der Silberbergwerke, im Westen der zum Pirsken führende „schwarze Buschberg“. Südlich der Stadt liegt in der Nähe von Kunnersdorf der Schweidrichwald, in welchem im 15. und 16. Jahrhundert ein Kupferbergwerk bestand. An Einzelheiten der Stadtgeschichte seien nur noch erwähnt: Der Renaissancebau des Schlosses von Schluckenau wurde im 16. Jahrhundert vom Herrschaftsbesitzer von Schleinitz erbaut. Von 1721 bis 1876 war die Herrschaft im Besitz der Grafen Harrach, seit 1876 im Besitze des Dresdner Holzhändlers und Kommerzienrats Grumbt, von dem 1936 Graf Erwein Nostitz-Rieneck die Herrschaft übernahm.

Am 30. September 1896 verkehrte die letzte Pferdepost zwischen Schluckenau und Georgswalde. Die Eisenbahnhaltestelle Karltal wurde 1925 eingerichtet. 1895 wurde die Telefonzentrale Schluckenau eingerichtet.

Bevölkerung

Die Volkszählung vom 31. Dezember 1900, die in ganz Österreich-Ungarn durchgeführt wurde, ergab für Schluckenau: Bewohnte Häuser 615, unvollendet Neubauten 26, Wohnpartein 1328, Einwohner 5212, davon männlich 2480, weiblich 2732, römisch-katholisch 5134; altkatholische 2, lutherisch 68, helvetisch 1, mosaisch 6. Deutsche 5095, Tschechen 15, Ausländer 102, des Lesens und Schreibens kundig 4511, nur des Lesen kundig 11 (2 männlich, 9 weibliche), des Lesens und Schreibens unkundig, einschließlich Kinder 689.
Nutztiere: 1 Jungpferd 13 Stuten, 87 Wallach, Rinder: Jungvieh = Stierkalben unterschnitten 10, Kühkälber 15, Ochsenkälber verschnitten 5, Kalbinnen 7, Kühe 175, Ochsen zur Mast 2, zum Zug 8, Ziegen 71, Schöpse 1, Schweine 31, Bienenstöcke 44, Haushühner 853, Gänse 42, Enten 30, andere Geflügel 515.
Feste Betriebstätten 473, Heimarbeiter 591, landwirtschaftliche Betriebe 97. Von den Anwesenden Heimatberechtigte in Schluckenau 2892, im Bezirk 1031, in einem anderen Bezirk 1130, in anderen Ländern 57, im Ausland 102.

Bis spät in das 18. Jahrhundert hinein lag der Friedhof um die Kirche. 1789 wurde der neue Friedhof „außer der Stadt“, nämlich am Fuße des Kreuzberges, eingeweiht, der in der Folge mehrfach erweitert wurde und zuletzt mit seinen jahrhundertealten riesigen Linden einen der schönsten Friedhöfe von weit und breit darstellt. Am 1. Juli 1841 fand, nachdem das Rathaus durch den Brand der Stadt 1838 vernichtet worden war, die feierliche Grundsteinlegung des neuen Rathauses von Schluckenau statt, das am 8. November 1842 eingeweiht wurde. Darüber gibt es einen ausführlichen Bericht im Kirchenbuch Schluckenau. Umgeben von großen Bauerndörfern, gelegen in beschaulicher Ruhe und gekennzeichnet durch den Rhythmus fleißiger Hände, wurde Schluckenau zu jeder Epoche der natürliche Mittelpunkt des Handels und Gewerbe und war von Natur aus zur „Bezirksstadt“ bestimmt. Gute Straßen verbanden die Bezirksstadt bzw. Kreisstadt mit allen benachbarten Orten. Die wichtigste Verkehrsverbindung war die 1873 fertiggestellte Eisenbahn Rumburg-Schluckenau und die 1884 vollendete weitere Strecke Schluckenau-Hainspach und Sebnitz/Sachsen. Diese Bahnlinie lag bis zum Ersten Weltkrieg in den Händen einer Gesellschaft und wurde nach 1918 in der Tschechoslowakei verstaatlicht. Ab 1928 bestand nach allen Seiten Omnibusverbindungen, die nach dem Anschluß an das Deutsche Reich 1938 wesentlich, vor allem auch nach Sachsen, vervollständigt wurden.

Wirtschaft

Wir können auf die Entwicklung der Stadt bis zum 20. Jahrhundert nicht mit weiteren Einzelheiten eingehen. Schluckenau war eine ausgesprochene Industriestadt. Die größten Betriebe waren die mechanische Weberei Heinrich und Fischer mit 100 Beschäftigten, die Macco-Spinnerei und Zwirnerei Rudolfs Webers Erben und die Schwesterfirma Rudolfs Webers Erben oHG, beide mit zusammen mehr als 400 Beschäftigten, die Samtfabrik, Baumwolle- und Schafwollwarenfabrik Wilhelm Weber mit etwa 1200 Beschäftigten, die Filzfabriken M.Lauermann & Co, die mechanische Weberei Robert Pietschmann mit 160 Arbeitern, die Leinwandweberei Johann Waldhäuser mit 300 Beschäftigten und die ersten Nordböhmischen Granit- und Syenitwerke Wilhelm Spölgen (Werk Botzenberg). Insgesamt waren vorhanden eine Appreturanstalt, zwei Kunstblumenerzeugungen, Kunstblumen- und Federfabrik Th. A. Weber, eine Filzfabrik, eine Filzschuhfabrik, ein Granit- und Syenitwerk, eine Holzwarenfabrik, eine Dampfsägewerk, eine Samtfabrik Willy und Robert Weber, eine Schlauchfabrik, zehn Webwarenfabriken (Baumwolle und Zellwolle) und zwei Buntwebereien, dazu die große, die ganze Landschaften versorgende Brauerei (Braubürgerschaft Schluckenau) und eine beachtliche Druckerei Rudolf Löschau, nicht aufgezählt die zahlreichen kleineren Gewerbebetriebe, Handwerksunternehmen und Geschäfte. Wir erkennen unschwer, dass die Textilindustrie, mit der Erzeugung von Baumwollsamt, Kleiderstoffen, Barchenten, Decken, Möbelstoffen, Flanellen, Leinengarn, Futterstoffen und anderen Webwaren, im Vordergrund stand. Die Industrie von Schluckenau hatte in der Zeit durch die tschechoslowakischen Maßnahmen seit 1928 bewirkten Rezession besonders zu leiden.

Kirche

Schluckenau, Kriegerdenkmal[1] , 1995

Besonders zentral wirkte sich die Stellung von Schluckenau im kirchlichen und kulturellen Leben aus. Schon 1346 wird eine Kirche in Schluckenau erwähnt und die Pfarrer von Schluckenau hatten für die geistliche Betreuung der „Böhmischen Lausitz„ stets große Bedeutung, insbesondere da alle Ortschaften der Umgebung von Schluckenau aus mit Priestern und Religionslehrern versorgt wurden. Die heutige Kirche von Schluckenau wurde 1714 erbaut und mit den Türmen 1722 vollendet. Sie ist dem heiligen Wenzel geweiht, das Bild des Hauptaltars wurde 1725 vom „Kremser„ Schmidt gemalt. Nach neuesten Forschungen stammt dieser Maler Johann Georg Schmidt aber aus Plan/Egerland (*1694). Er ist1765 in Prag gestorben. 1722 wurde die Kirche zur Dekanalkirche, 1922 zur Erzdekanalkirche erhoben. Auch die Bewohner von Kaiserswalde, Rosenhain und Neugrafenwalde besuchten die Schluckenauer Kirche und erhielten kirchlichen Besuch und Religionsunterricht der Schluckenauer Priester, ja aus diesen Ortschaften wurde sogar der große Schluckenauer Friedhof am Kreuzberg, der seit 1786 angelegt und später mehrfach erweitert wurde „beschickt„. So kam es, dass die Begräbniszüge bisweilen einen Weg von 3 bis 4 km zurücklegen mussten.

1858 bis 1859 wurde auf dem Kreuzberg der Kreuzweg mit 14 Stationen und drei Kapellen errichtet, im Jahre 1935 kam das Kriegerdenkmal vor der 12.Station dazu.[2]

Wenn wir in die Anlage des Kreuzberges eintreten, schauen wir links das Denkmal für die Helden des Weltkrieges, diese ehrenwerten Kreuzträger, welcher im Kampf, in treuer Pflichterfüllung sich verblutet haben. Das Kriegsdenkmal aus dem Ersten Weltkrieg in Schluckenau war schon immer ein Vorbild an Schönheit und Ausdruckskraft. Es steht unweit des Schluckenauer Friedhofs am Goldberg, am Übergang zum Kreuzberg mit seinen Kreuzwegstadtionen und Kapellen.

Schule

Schluckenau hatte außer seiner Knaben– und Mädchenvolksschule die für den Bezirk zentrale Knaben– und Mädchenbürgerschule (seit 1895), deren Schülerzahl sich genauso aus dem ganzen Kreis zusammensetze wie die Besucher der Fortbildungsschule, der Fachschule für Textilindustrie und der Landwirtschaftsschule. Ein Gymnasium oder eine ähnliche damals als „Mittelschule“ (heute Oberschule) bezeichnete Anstalt hatte Schluckenau nicht. Die Jugend aus dem Schluckenauer Bezirk besuchte das Realgymnasium in Rumburg, das Gymnasium oder die Realschule von Böhmisch-Leipa, das bischöfliche Gymnasium in Mariaschein oder andere Bildungsanstalten in der weiteren Umgebung, während als Universität nahezu ausschließlich die Deutsche Universität Prag oder die Deutsche Technische Hochschule Prag, in Einzelfällen auch andere Universitäten in Österreich, Deutschland und der Schweiz, besucht wurde.

Schluckenau war der Sitz der Bezirksverwaltung, der Bezirkshauptmannschaft, später Kreisverwaltung-Landratsamt, des Bezirksschulrats, des Bezirksgericht und Grundbuchamts, des Steueramtes, eine Gendamariekommandos, einer Finanzwachbezirksleitung, eines Eichamtes, des zentralen Fernmelde- und Postamt. Die in Schluckenau ansässigen Banken und Sparkassen betreuten die Finanzgeschäfte des ganzen Kreises. Erwähnenswert ist, dass die zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründete Schluckenauer Sparkasse sich einer ausgezeichneten Entwicklung erfreute und deshalb einen prachtvollen Bau am Marktplatz errichten könnte, bis sie infolge des staatlichen Zusammenbruchs 1918 und das durch Kriegsanleihe und Inflation in Verlust geratenen Vermögens nach dem Ersten Weltkrieg zusammenbrach. Schluckenau hatte ein 1872 errichtetes und seit 1895 öffentliche Anstalt bestehendes Bezirkskrankenhaus, das für die gesundheitliche Betreuung des ganzen Bezirkes unentbehrlich war.

Als besondere Errungenschaft wies die Stadt ein eigenes Stadtbad auf, abgesehen von dem berühmten und beliebten Freibad im Boxteich. Für kulturelle Veranstaltungen war das 1878 erbaute, während des Ersten Weltkriegs (1915) durch Brand zerstörte Schützenhaus und die 1901 erbaute geräumige Turnhalle in der Bahnhofstraße neben den Gebäuden der Schluckenauer Schule von Bedeutung. 1886 wurde in Schluckenau ein von Schwestern betreutes Waisenhaus eingerichtet. 1912 die Haushaltungsschule gegründet. Seit 1893 hatte Schluckenau eine gut funktionierende Quellwasserleitung. Schluckenau stellte städtebaulich das Urbild der „ostdeutschen“ Stadt dar und war eine schöne Stadt in schöner Landschaft.

Wappen

Es war die geistige Heimat von Bildung, Ausbildung und Kulturpflege der Menschen des ganzen Bezirks. Als Stadtwappen führte Schluckenau lange Zeit das Wappen der ältesten Herrschaftsbesitzer Berka, zwei gekreuzte silberne bzw. natürliche Birkenäste, meist im roten Schild, während die Berkas selbst einen goldenen Schild benutzen. So ist das Stadtwappen auch noch in Fiedlers Heimatkunde 1898 wiedergegeben. Über Ansuchen erhielt die Stadt Schluckenau vom Kaiser am 2. Juni des Jahres 1900 folgendes Stadtwappen verliehen: Ein blauer Schild, quer durchzogen von einer vom Fußrand aufsteigenden, aus natürlichen Quadern erbauten Zinnmauer, überhöht von zwei ebensolchen seitlichen Zinnentürmen (mit Fensteröffnungen wie die Mauern). Am oberen Teil der Mauer lehnt in der Mitte, die schwarze Toröffnung teilweise verdeckend, ein goldener Dreiecksschild mit zwei gekreuzten silbernen Birkenästen*. Die Stadtfarben von Schluckenau waren Grün-Weiß, genau wie die Landesfarben von Sachsen. Die grün-weiße Stadtflagge wurde bei Festen bis 1918 neben der Habsburger Fahne in Schwarz-Gelb (Gold), in der Tschechoslowakei neben der rot-weiß-blauen Staatsflagge und erlaubterweise neben der deutschen Farben Schwarz-Rot-Gold, nach 1938 neben der Hackenkreuzfahne gehißt.
Es ist noch der südliche der Stadt liegende Kreuzberg zu erwähnen. Eine Basaltkuppe, deren nackte Säulen auch heute noch durch die Rasenhänge hervortreten, mit einem Jahrhundert alten Lindenbestand und mit einem schon im 18. Jahrhundert errichteten Kreuzweg mit Stationen und Kapellen angelegt. Auf dem höchsten Punkt des Berges stand die zwölfte Station, die Kreuzigung Jesu. Hier wurde das Kreuzbergfest alljährlich von der ganzen Bevölkerung mit feierlichem Gottesdienst begangen. Zusammen mit dem am Fuße des Kreuzberges angelegten Friedhof und dem anschließenden Stadtpark Goldberg, wo ein schönes Kriegsdenkmal stand, stellte dies eine überaus reizende Gesamtanlage für Spaziergänger und für einen Rundblick auf Stadt und Umgebung dar.

Die Rentmeisterlehne bei Schluckenau

Das Entgegenkommen unseres Heimatfreundes Alois Storch (Zürich) ermöglichte uns den Nachdruck aus den „Mitteilungen des Nordböhm. Vereines für Heimatforschung“ aus dem Jahre 1923.
Nordöstlich von Schluckenau, vom Eingang des Rosenhain-Tales bis zur Fugauer Straße, zieht sich ein dichtbewaldeter, niedriger Bergrücken hin, genannt die Brodküche. Als im Jahre 1585 wieder einmal die Pest ihre zahlreichen Opfer in unserer Heimat forderte, wurde die Stadt durch einen militärischen Bewachungsgürtel von der Außenwelt abgeschlossen, um den Herd dieser furchtbaren Krankheit nach Möglichkeit einzuschränken. In dem oberwähnten Walde buk man nun in Feldöfen das Brot für die in der Stadt Eingeschlossenen. Daher entstand die Bezeichnung „Brodküche“. In ziemlicher Steigung klettert hier der Hochwald zum Bergkamme empor. Dieser Abhang ist unter dem Namen „Rentmeisterlehne“ bekannt. – In halber Höhe der Steigung liegt, im Waldboden eingebettet, eine rechteckige Granitplatte von mäßigem Umfange mit einem eingemeißelten Kreuz. – Es ist das Rentmeistergrab.
Der lebensmüde Wanderer, der hier seine letzte Ruhe fand, war ein pflichtgetreuer Diener seines Herrn, der Rentmeister Erben vom Schluckenauer Schloß.

Zur Zeit der deutschen Befreiungskriege litt unsere Heimat schwer unter dem Durchzuge feindlicher und befreundeter Truppen. Brandschatzen war als Kriegsbrauch an der Tagesordnung, und kaum atmeten Stadt und Dörfer beim Abzug von Heeresabteilungen erleichtert auf, als schon wieder frische Truppen die Drangsale und Leiden der Bevölkerung erneuerten. Im Sommer 1814 rückten etwa 1400 Polen unter dem General Poniatovsky in Schluckenau ein. Der Befehlshaber suchte anfangs Unterkunft am Judenberge. Da sich aber dort kein angemessenes Quartier auftreiben ließ, brachte er hier seine Fußtruppen unter, Artillerie und Reiterei lagerten jenseits des nahen Kreuzberges; er selbst belegte mit seinem Stabe das herrschaftliche Schloß. Bürgermeister und Beamte der Stadt baten den General um Schonung der verarmten Einwohner. Er versprach auch, strenge Manneszucht zu halten. Aber es blieb beim leeren Versprechen. Die verwilderten Scharen übten überall ihr Faustrecht in gewohnt roher Weise aus und erst, als die Feldgendarmen durch gute Verköstigung und Geldgeschenke von den Stadtvätern gewonnen wurden, blieb die Stadt von Plünderungen verschont, freilich hielten sich die Soldaten dafür in den nächstgelegenen Dörfern schadlos. Bereits nach kurzer Rast aber sammelte General Poniatovsky seine Truppen, ließ sie an der Hofmauer (jetzt Löwengasse) defilieren und rückte ihr in aller Stille auf dem Wege über Königswalde nach Neusalza in Sachsen nach. Diesen beschleunigten, ruhigen Abzug dankte Schluckenau Kosakenpatrouillen, die im Walde gegen Kunnersdorf zu Erkundungszwecken auftauchten und durch ihr Erscheinen die Polen nach Sachsen vertrieben. Poniatovsky hatte aber bei seinem Abzug vom Schloß trotz des Einspruches des damaligen Rentmeisters Erben die Rentamtskasse beschlagnahmt. Der Rentmeister war darüber so verzweifelt, die Herrschaftskasse nicht besser gegen den Feind verwahrt zu haben, dass er sich in der folgenden Nacht erschoss. (Als Selbstmörder durfte er weder auf einem geweihten Friedhof zur letzten Ruhe bestattet, noch an einem katholischen Hause vorbeigetragen werden).

Heute noch durchbricht eine kleine Pforte die Steinmauer des Schlossgartens am Hofegange. Damals bedeutete diese Mauer zugleich auch das Ende der Stadt. Zur Wiesen dehnten sich bis zum nahen Wald der Brodküche. Durch dieses Tor nun trug man den Leichnam des pflichtgetreuen Rentmeisters. An jenem stillen Waldflecken fand er seine letzte Ruhestätte.
Das Geschlecht des gewissenhaften Beamten aber grünte weiter. Sein Sohn Wilhelm brachte es durch Tüchtigkeit bis zum Direktor einer Glasfabrik in Neuwelt.
Er starb auf einer Geschäftsreise in Dresden 1854 an der Cholera; seine zwei Söhne studierten in Prag. Der eine widmete sich dem Eisenbahndienst, Prof. Anton Erben (* 1835; ♰ 1905) bildete sich zum Techniker aus, wurde Mittelschulprofessor in Böhmen, kam zuletzt nach Salzburg und als Landesschulinspektor wirkte er verdienstlich für die Einführung des im Jahre 1869 erlassenen Reichsvolksschulgesetzes. Der Sohn, Hofrat Dr. Wilhelm Erben (* 3. Dezember 1864 in der Stadt Salzburg; ♰ 7. April 1933 in Graz, Steiermark), besuchte einige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg Schluckenau, um mithilfe des Direktors Fr. J. Preidel nach dem Grabe seines Urgroßvaters zu forschen. Herrn Preidel verdanke ich auch den Hauptteil dieser Mitteilungen und übergebe sie mit dessen Zustimmung der Öffentlichkeit. [5]

Ausflüge in die Umgebung

Noch weiter südlich durch einen 25 Minuten dauernden Fußmarsch in Richtung Kunnersdorf erreicht man den idyllischen „Luftkurort“ Karltal, eine der Stadt Schluckenau gehörende Sommerfrische mit Kurhotel, herrlicher Parkanlage, Luft- und Sonnenbadanlage, Spielplätze, einem Gondelteich und vor allem einem Waldtheater, in welchem allsommerlich Lustspiele und Operetten gespielt wurden, die Tausende von Gästen aus dem Niederland und dem benachbarten Reichgebiet angezogen. Eine auf der Bahnstrecke zwischen Rumburg und Schluckenau eigens errichtete Bahnstation Karltal ermöglichte hierher auch eine bequeme Anreise. Lohnende waren von Schluckenau weiter auch die Spaziergänge nach Süden zum Schwedrichwald mit Grohmannshöhe, zur Pirskenbaude, durch die Silberwiesen, zum Flügelberg bei Kaiserswalde, auf den Botzenberg mit Gasthaus (bzw. die Botzenschänke), dieses lag am Hang des Botzenberges an der Straße von Schluckenau nach Hainsbach. Gemeindlich gehörte es mit der Hausnummer 286 zu Kaiserswalde, den Spitzberg bei Kaiserswalde, den Lilienteich und viele andere schöne Plätze der gesamten Umgebung.

Anfang 1944 verlegte die Flugzeugwerk Johannisthal GmbH ihre Produktion nach Schluckenau in den Räumlichkeiten der Samtfabrik Weber. Dazu wurde die ERWE Betriebsgemeinschaft Reinhold und Weber OHG gegründet. Beteiligt waren daran die Flugzeugwerke Johannisthal GmbH, die Samtfabrik Weber AG, Willy Weber und Robert Weber. [4] (Totalschaden im Werk Neudamm und Firmenneugründung mit Werk in Schluckenau/Sudetenland, Jan. 1944)

Kriegsgefangenenlager hinter dem Kreuzberg, an der Straße nach Kunnersdorf im Schweidrichwald war während des Krieges angelegte als Barackenlager für Fremdarbeiter.

Stadtplan Schluckenau

„Unser Niederland“ – Ausgabe Januar 1965 – S.12 [5]
„Unser Niederland“ – Ausgabe September 1967 – S.105 [3]
*vgl. Beschreibung von Erhard Marschner in „Unser Niederland“, August 1973, S.86
Wilhelm Pfeifer „Niederlandhefte – Schriftenreihe des Bundes der Niederländer“ S.33/37 – HEFT 9 – 1977
Karl Richter „Geschichte des Niederlandes“ 1960
„Unser Niederland“ – Ausgabe Oktober 1995 – S.301 [1]
„Unser Niederland“ – Ausgabe Oktober 1995 – S.308 [2]
„Unser Niederland“ – Ausgabe Juli 2021 – S.180 [4]

Nachwort (Ausklang)

Am 8. Mai 1945 wurde Schluckenau durch polnische Einheiten, welche unter sowjetischem Oberkommando standen, besetzt.
Kurze Zeit später kamen die gefürchteten Partisanen der Svoboda-Truppen, teilweise in Zivil und auch in Uniform, alle schwer bewaffnet.
Die Partisanen plünderten in allen Häusern auf der Suche vor allem nach Waffen, Schmuck, Wertgegenstände und Alkohol.

Mit den ersten Truppen kamen auch die in der ČSR vor 1938 im Gerichtsbezirk Schluckenau stationierten Finanzwachbeamten in die Ortschaften zurück.
Anfang Juni 1945 kam tschechisches Militär nach Schluckenau, die Einheiten waren in Rosenhain einquartiert.
Es waren reguläre Truppen, diese Einheiten waren als Grenzwachen gegen Sachsen eingesetzt und hatten vor allem die Aufgabe, eine Rückkehr der vertriebenen Deutschen in die Grenzorte zu verhindern.

Am 30.05.1945 wurden die ersten 500 deutsche Einwohner über Fugau nach Neusalza/Sachsen über die Grenze vertrieben. Schließlich erfolgte am 25. Juni 1945 die erste große „wilde“ Austreibung. Die Menschen aus Schluckenau, Rosenhain, Kaiserswalde, sogar Groß-Schönau und Hainspach, Königswalde wurden in Schluckenau zusammen getrieben.

In den einzelnen Bezirken des Sudetenlandes wurden Internierungslager als Sammelstellen zur Vorbereitung der Vertreibungstransporte eingerichtet.
Für den Bereich Schluckenau wurde zur Vorbereitung dieser Ausweisung das an der Straße nach Kunnersdorf im Schweidrichwald während des Krieges angelegte Barackenlager für Fremdarbeiter als Vertreibungslager eingerichtet. Die ersten Massensammlungen in diesem Lager fanden im April 1946 statt, davor gab es die „wilde“ Austreibung durch Svoboda-Truppen bis zum Herbst 1945.

Transportliste

1946:

1960 – Schloss, Marktplatz und Stadt

Schluckenau 1960

Heute

Šluknov (deutsch Schluckenau) ist die nördlichste Stadt Tschechiens. Sie liegt im Böhmischen Niederland (Šluknovský výběžek) im Okres Děčín, Ústecký kraj.
Die Stadt gab dem Schluckenauer Zipfel, dem Gebietsvorsprung Böhmens zwischen der Sächsischen Schweiz und dem Zittauer Gebirge, ihren Namen.
Südlich der Stadt erhebt sich der Schweidrich. Im Ortsteil Rožany (deutsch Rosenhain) befindet sich ein Grenzübergang nach Sohland an der Spree/Sachsen.

Die Stadt Šluknov besteht aus den Ortsteilen Císařský (deutsch Kaiserswalde), Harrachov (deutsch Harrachsthal), Královka (deutsch Königshain), Království (deutsch Königswalde), Kunratice (deutsch Kunnersdorf), Nové Hraběcí (deutsch Neugrafenwalde), Rožany (deutsch Rosenhain) und Šluknov (deutsch Schluckenau).

1981

1995 – Kriegerdenkmal

Das Kriegerdenkmal wurde 1994 wieder Renoviert, nach dem es von Unbekannten mit roter Farbe besprüht wurde, der Wunsch eine Tafel zum Gedenken an die Toten des Zweiten Weltkriegs und an die kurz nach Kriegsende Erschossenen, die neben der Friedhofskapelle verscharrt, liegen, anzubringen, wurde von der Stadtverwaltung abgelehnt.

Aufnahme 2019

Der Standort des „Barackenlagers“ vor Schluckenau wird heute von einer Gärtnerei benutzt. Man könnte an eine (sicher nicht gewollte) Gedenkstätte glauben.

2010 – Barackenlager

Heute erinnert eine Geländestrecke für Motorräder, an das ehemalige „Barackenlager“ für die ehemaligen Bewohner des Schluckenauer Zipfels.[3]

2019

„Unser Niederland“ – Ausgabe Februar 2010 – S.43 [3]

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