Kunnersdorf

  • Beitrags-Kategorie:Landkreis Schluckenau
  • Beitrag zuletzt geändert am:19. August 2022
  • Lesedauer:12 min Lesezeit

Geschichte

Das Gebiet von Kunnersdorf, eine 1475 gegründet Gemeinde mit 447 Einwohnern und 85 Häusern (1930: 471), schloss sich im Süden und Osten an die Waldungen der Herrschaft Schluckenau, im Norden an die Grundstücke der Stadt Schluckenau an. Der Ort war fast ganz von Wald umgeben. Er liegt am Fuße des Pirsken, des Kunnersdorfer Berges und des Seilerberges. Der Pirschken, auch Pirsken genannte Basaltrücken ist mit 608 m Seehöhe der höchste Berg im Niederland. Er hatte vier Ortsteilen: Das Oberdorf, Pirschkenhäuser, die Hofewiese und das Niederdorf. Die Umgebung des Dorfes war sehr romantisch. Eine herrliche Aussicht genoss man von dem am Pirsken gelegenen Ochsenstein. Die mitten in Wiesen und Geldern nah am Walde gelegenen Häuser verliehen dem Ort einen malerischen Anblick. Der Ort liegt am Silberbach, auch Silberwasser genannt. Die Bewohner waren zu einem Drittel Mittel- und Kleinbauern, zu zwei Drittel Arbeiter, die meistenteils als Bau- und Textilarbeiter in den Nachbarorten dem Erwerb nachgingen. An industriellen Kleinbetrieben waren hier zunächst die Schlepprechenerzeugung Hegenbarth, die bis 1914 gut florierte und erst im Ersten Weltkrieg Spaten für den Stellungskampf herstellte, nach Kriegsende aber nicht mehr anlief. Etwa 1930 wurde der ehemalige Gehenbarthsche Besitzer von dem Autoschlosser Albin Liebisch aus Schönlinde erworben, der unter der Bezeichnung „Böhmische – Motorenwerke Albin Liebisch“ die Erzeugung eines schweren Typs von Motorrädern und Beiwagen betrieb und zeitweilig 150 Arbeiter beschäftigte. Ein Exemplar dieses schweren und starkrahmigen Motorrads steht heute im Verkehrsmuseum in Dresden/Sachsen. Die Entwicklung wurde durch den Krieg abgebrochen, als Liebisch hauptsächlich anderweitig Wehrmachtsaufträge ausführen musste. Im Ort war noch das Dampfsägewerk Kümpfel, eine Mühle und ein Steinbruch.

Bereits seit dem Ende des 18. Jahrhunderts ist die Kümpfelmühle als Brett- und Mahlmühle belegt. In den dreißiger Jahren brannte sie einmal aus, wurde jedoch wieder neu aufgebaut.

Der Postverkehr wurde von Schluckenau aus besorgt. Kirchlich war Kunnersdorf teils nach Zeidler, teils nach Schluckenau eingepfarrt. Es hatte eine 1723 erbaute Kapelle. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte es noch mit Fürstenwalde eine gemeinsame Schule gehabt, bis 1849 aus Gemeindenmitteln ein eigenes Schulhaus erbaut wurde. 1904 wurde an der neuen Bezirksstraße Schluckenau-Zeidler ein modernes, einklassiges Schulhaus errichtet.

Kunnersdorf war verkehrsmäßig sozusagen das Verbindungsglied zwischen Schluckenau und Zeidler. Sein Name kommt von Conradsdorf oder Kunosdorf. Im 17. Jahrhundert entstand ein Ortsteil Neukunnersdorf. Das kleine Dörfchen in herrlicher Lage wurde wegen seiner frischen, gesunden Waldluft und wegen seines guten, eisenhaltigen Wassers von vielen Naturfreunden aufgesucht. Der markante Landschaftsteil zwischen Schluckenau und Kunnersdorf war der schon erwähnte Pirsken ( Pirschken), mit 608 m der höchste Berg des Kreise Schluckenau. Er ist ein durch Sage, Namen und Gestalt auffallender Berg, den man von verschiedenen Seiten besteigen kann. Leider verhindert der Hohe Waldbestand seit jeher die Aussicht vom Bergrücken. Auf der nordwestlichen Seite gelang ein reizender Ausblick auf Fürstenwalde, wo im Hintergrund die Kuppen der Böhmisch-Sächsischen Schweiz, im Vordergrund Fürstenwalde, Altgrafenwalde, Johannisberg, Salmdorf und Klein-Schönau sich ausbreiten. Bei Fürstenwalde zeigten sich in der Nähe eines Basaltsteinbruches Spuren früheren Kohlebergbaus aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Auch auf der nördlichen Seite des Pirsken traf man auf eine Halde, wo ebenfalls einmal Kohle gegraben wurde.

1886 ließ der Gemeinderat Franz Grohmann auf dem Schweidrichgipfel einen hölzerner Aussichtsturm erbauen. Auf dem Plateau nördlich des Gipfels entstand das ebenfalls hölzerne Ausflugsgasthaus „Schweidrich“. Zum Gedenken an Grohmann, der 1892 im Alter von 32 Jahren starb, erhielt der Gipfel den Namen Grohmannhöhe. Der Aussichtsturm stand bis 1916 auf dem Berg. Durch den Verlust des Turmes verlor der Schweidrichgipfel seine Anziehung für Ausflügler. Das Gasthaus „Schweidrich“ wurde nach dem Ersten Weltkrieg nicht wiedereröffnet.

Aber am Ostabhang war eine geräumige Touristenstadtion und Gaststätte und Terrasse errichtet, die berühmte „Pirskenbaude“ (423 m Höhe). Er, wo bei gutem Wetter eine prächtige Sicht über die nah und fern gelegenen Berge des Schluckenauer Gebietes und des Grenzbereiches von Sachsen geboten war. Dies war eines der beliebten Ausflugsziel des ganzen Kreises.

Am Schluckenau zugewandten Nordosthang des Berges wurde von der Ortsgruppe Schluckenau des Gebirgsvereins für das nördlichste Böhmen die Pirschkenbaude oder auch Pirskenbaude erbaut, die am 1. März 1909 eingeweiht wurde. Die Abteilung Schluckenau des Gebirgsvereins wurde 1886 gegründet und war später mit etwa 580 Mitgliedern die drittstärkste Sektion des Gesamtvereins. Das Baugrundstück am Pirschken erhielt sie durch Schenkung vom Rechtsanwalt Dr. Hasenöhrl, der wiederum hatte es als Entgelt für seine anwaltlichen Dienste von einem Kaiserswalder Bauern bekommen. 1932 wurde ein Fußweg von der Kunnersdorfer Straße zur Baude angelegt. Von 1909 bis 1937 gehörte die Pirskenbaude mit der Hausnummer 325 zu Kaiserswalde. 1937 erfolgte eine Umgliederung und das Flurstück mit der Baude, das bis dato zu Kaiserswalde gehörte, kam nun zu Kunnersdorf. In der Folge wurde im Sommer 1937 eine Fahrstraße von Kunnersdorf (abzweigend von der Bezirksstraße Schluckenau-Zeidler) zur Baude angelegt. Die Baude war früher beliebtes Ausflugsziel für die umliegenden Gemeinden, 1933 erfolgte der Anbau einer verglasten Veranda, so daß insgesamt 200 Gäste unterkommen konnten.
Vor der Baude gab es einen terrassenförmig angelegten Biergarten, einen Kinderspielplatz, eine Voliere für diverse Vögel und ein kleines Rehgehege. Hinter der Baude befand sich ein „Alpengarten“ mit verschiedenen Gehölzen und ein gebauter Weg führte über die Ochsensteine (mit Ruhebank) auf den Pirschken. Im Winter wurde das Gelände zum Ski fahren und Rodeln genutzt.
Pächter war 1928 Jakob Seifert.

Im Jahre 1939 lebten in Kunnersdorf 447 Einwohner in 85 Häusern.

Das Kriegsgefangenenlager an der Straße nach Kunnersdorf im Schweidrichwald war während des Krieges angelegte als Barackenlager für Fremdarbeiter.

Wilhelm Pfeifer „Niederlandhefte -Schriftenreihe des Bundes der Niederländer“ S.50/52 – HEFT 9 – 1977
Wilhelm Pfeifer, Wanderungen im Niederland – „Schriftenreihe des Bundes der Niederländer“ – HEFT 14 – 1982
Karl Richter „Geschichte des Niederlandes“ 1960
„Unser Niederland“ – Ausgabe 529 – S.368 – Dezember 1993
„Unser Niederland“ – Ausgabe 663 – S.32 – Februar 2005

Für den Bereich Schluckenau wurde zur Vorbereitung dieser Ausweisung das an der Straße nach Kunnersdorf im Schweidrichwald während des Krieges angelegte Barackenlager für Fremdarbeiter als Vertreibungslager eingerichtet. Die ersten Massensammlungen in diesem Lager fanden im April 1946 statt, davor gab es die „wilde“ Austreibung durch Svoboda-Truppen bis zum Herbst 1945.

Heute

Kunratice (deutsch Kunnersdorf) ist ein Ortsteil der Stadt Schluckenau. 2004 hat die Gemeinde 13 Bewohner und 36 Häuser, von denen nur 8 ständig bewohnt werden.

Kümpfelmühle

Nach der Vertreibung der Eigentümer wurde das Anwesen 1945 konfisziert und die Eheleute Čitek erwarben das Gebäude. Zwanzig Jahre später übernahm die Schluckenauer Forstschule das Objekt, die hier einen Schulforstbetrieb mit praktischem Unterricht für Studenten aufbaute. Im Jahre 1975 kaufte das Staatsgut Roudnice (Raudnitz) das Objekt und ist damit der letzte amtliche eingetragene Eigentümer der Kümpfelmühle. Das Gebäude, in herrlicher und Gesunder Umgebung gelegen, sollte zur Erholung der Beschäftigten und deren Kinder dienen. In den Jahren 1976-81 wurden großzügige Renovierungen durchgeführt. Bereits 1991 versuchte das Stadtamt Schluckenau in Verhandlung mit dem Staatsgut Roudnice, das Objekt zu erwerben, aber bis 1995 führten diese Bemühungen zu keinem Erfolg.

Kümpfelmühle – 2018 macht sie einen gepflegten Eindruck.

Im Ort befindet sich seit 1967 ein Arboretum mit einer Größe von 4,2 ha, bepflanzt mit 3000 Holzarten.

Dieser Erinnerungsstein befindet sich in einem schlechten Zustand.

Pirskenbaude

Mittlerweile ist nicht mehr viel davon übrig, nachdem das Gebäude bis weit in die Nachkriegszeit noch als Betriebsferienheim genutzt wurde bis 1970. Auch der Hrazený (deutsch Pirschken) selber bietet heute nur an seiner Flanke mit der Ochsensteinaussicht einen beschränkten Rundblick in Richtung Schluckenau. Hier findet sich auch das Bienert-Kreuz.

Schweidrich

Am Platz des ehemaligen Gasthauses „Schweidrich“ steht das Rudolf-Richter-Denkmal. Es besteht aus einer behauenden Felstele mit einer ovalen einpolierten Plakette mit der Inschrift „R. R. 1914–1918“. Um die Stele sind Felsbrücken aufgeschichtet. Es wurde nach dem Ersten Weltkrieg von der Familie und den Freunden Richters, der seit Oktober 1915 an der russischen Front vermißt wurde, dort errichtet, wo sich einst sein Lieblingslokal befunden hatte.

Schweidrichwald

Der Standort des „Lagers“ vor Schluckenau wird heute von einer Gärtnerei benutzt. Man könnte an eine (sicher nicht gewollte) Gedenkstätte glauben.
2010 wird dieser Bereich als Geländerennstrecke für Motorräder benutzt.

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