Gemeindebereich
Die Gemeinde Schemmel – Gerichtsbezirk Böhmisch-Kamnitz – bestand aus der Ortschaft Schemmel sowie den weilerartigen Ortsteilen Vordere, Hintere und Niedere Folge, die meist zusammen als „Schemmler Folgen“ bezeichnet wurden.
Mundartliche Aussprache der Ortsnamen: „Schejml“ oder „Schiemel“, „Auf‘n Folchn“.
Gesamtfläche der Gemeinde: 485 ha.
Ortsgeschichte
Schemmel ist allem Anschein nach eine deutsche Rodungssiedlung von Anfang des 14. Jahrhunderts. Auf diese relativ späte Datierung deutet die kleinräumige Anlage des Dorfes. Im Jahre 1381 war Schemmel schon im ältesten Kamnitzer Stadtbuch aufgeführt. Um 1480 bestand bereits die Mühle. In Anbetracht des eigenartigen Ortsnamens ist nicht auszuschließen, dass bei der deutschen Rodung eine in der Nähe gelegene ältere Kleinsiedlung (möglich Windisch-Sorbischer Herkunft) in den neuen Ort mit aufgenommen wurde und den Namen gab.
Für den Ortsnamen Schemmel konnte bisher keine andere Erklärung gefunden werden als die von Profous und von E. Schwarz vermutete, nämlich, dass hier von den deutschen Siedlern ein altwendischer Name einer Person oder Familie „Vschemil“ übernommen wurde.
Zur Zeit seiner Gründung gehörte Schemmel zur älteren Herrschaft Scharfenstein unter den Herren von Michelsberg, die dann an die Familien Berka, Wartenberg und Salhausen überging (ab 1405 bzw. 1428 bzw. 1515). Im Zuge der ersten Salhausen-Teilung kam Schemmel 1535 an die neu gebildete Herrschaft Kamnitz. Bei dieser, welche sich zuerst nochmals in der Hand der Wartenberger befand und 1614 an die Familie Kinsky überging, verblieb es durch gut vier Jahrhunderte, bis es 1850 in den Gerichtsbezirk Böhmisch-Kamnitz eingegliedert wurde.
Die ältesten bekannten urkundlichen Nennung des Ortes lauten: 1381 „Schemel“, „Schomel“ und „Schemil“ (Kamnitzer Stadtbuch), 1457 „Schemil“, 1460 „Ssemil“, 1543 (1515) „w Ssemli“, 1547 und 1614 „Ssemil“ (tschechische Urkunden der Hoflehentafel und Landtafel), 1555 „Schemel“, 1639 „Schömel“ (Arbeiterverzeichnis/Robotverzeichnis).
An Familiennamen sind aus dem 14. bis 16. Jahrhundert überliefert: 1381 Milner, Mulner, Swab, Budezicz, Haschke, Koldicz, 1465 Schuster und Engilhart, 1555 Grißmann sowie 1556 Christoph Grüßel. Seit dem 16. Jahrhundert zogen einzelne Schemmler Einwohner als ambulant Siebmacher und Schleifer über Land (sogenannte „Preußen-Reisende“).
In der StR von 1654 ist „Ssemel“ mit 11 Bauern, 1 Gärtner und 12 Häuslern auf Gemeindegrund verzeichnet; es bestanden somit 24 Häuser. Die damaligen Familiennamen der Bauern waren: Grüßel und Michel, Wagner, Hieke, Rütschel, Vatter; der Gärtner hieß Kreibich. Die Schenke besaß ein Martin Wagner.
Gemäß dem TK von 1713 hatte „Schemel“ 11 Wirte und 19 Häusler, demnach 30 Häuser. Es bestand eine einrädrige Mühle. Von den Einwohnern betätigten sich 6 als Glasschleifer und 1 als Glaser. In der Müller’schen Karte von 1720 und in der Josefinischen Karte von 1781/82 ist der Ort als „Schemel“ eingetragen.
Der Topograf Schaller (1787) zählte „Schemmel“ mit 54 Nummern auf und der Topograf Sommer (1833) das „Rusticaldorf Schemel“, gelegen am Fuße des Folgenberges, mit 81 Häusern und 477 Einwohnern. Er nennt 1 Mühle, 1 Schule, 5 Zwirn- und Garnbleichen und 328 Joch Rusticalwald. 1838 bestand in Schemmel die Garnbleichen Fiedler, Füger, Günter und Hiebl.
Seinen höchsten Bevölkerungsstand (572) besaß Schemmel im Jahre 1857; von dieser Zeit an ging die Einwohnerzahl infolge der Industrieferne allmählich zurück. Nach den Volkszählungen von 1869 und 1890 hatte es 558 bzw. 510 deutsche Einwohner.
Die häufigsten Familiennamen in Schemmel waren 1934: Fiedler, Günther, Röllig, Grüßel, Rößler, Wagner, Niklaus, Vater und Zeckert.
Nach dem Münchner Abkommen wurde Kamnitzleiten 1938 dem Deutschen Reich zugeschlagen und gehörte bis 1945 zum Landkreis Tetschen, ab 1943 Tetschen-Bodenbach.
Gemeinde Ortsteile
Weiler Schemmler-Folgen
Der Flurname „Folgen“ ist in Schemmel seit dem 16. Jahrhundert belegt. Damals handelte es sich aber noch um keine Siedlung, sondern um Zuordnungen zwecks Vergrößerung der Wirtschaftsflächen der Schemmler Bauern. Wahrscheinlich seit Mitte des 18. Jahrhunderts kam es auf den Folgenfluren zur Errichtung von 6 selbständigen Gärtnerstellen, die in drei Gruppen angeordnet waren: Vordere, Hintere und Niedere Folgen. Sie sind daher weder in der StR von 1654 noch im TK von 1713 aufgeführt. Sogar in der Josefinischen Karte von 1781/82 sind die Folgen noch nicht eingezeichnet. Auf das spätere Gründungsdatum weisen die Nummern der Folgenhäuser hin: Die Häuser mit 30 Einwohnern hatten folgende Nummern 69, 71, 73 und 74, sind aber sicher vor 1800 errichtet worden; die Nummern 83 und 98 hingegen erst im 19. Jahrhundert.
Lage
Die Ortschaft Schemmel ist 3 km lang, liegt in etwa 250 m Meereshöhe an der Bezirksstraße von Windisch-Kamnitz nach Dittersbach und ist von Tetschen 13 und von Böhmisch-Kamnitz 7 km Straßenkilometer entfernt. Die drei Ortsteile Schemmler Folgen liegen nördlich der Ortschaft und sind durch eine Gemeindestraße mit dieser verbunden.
Nachbarorte sind Hohenleipa im Norden, Dittersbach und Kaltenbach im Nordosten, Limpach im Osten, Kunnersdorf, Höllegrund und Philippsdorf im Südosten, Johnsbach, auch Jonsbach im Süden, Windisch Kamnitz im Südwesten, Neue Welt und Rosendorf im Westen sowie Kamnitzleiten, auch Kamnitz-Leiten im Nordwesten.
Bodengestalt
Die Gemeinde liegt beiderseits des Unterlaufes des von Ost nach West fließenden Kreibitzbaches, und zwar zu einem Drittel südlich und zu zwei Drittel nördlich desselben. Besonders in dem südlichen Gebiet, aber auch in der Talmulde, in nächster Nähe der Ortschaft prägen zahlreiche malerische Sandsteinfelsbildungen das Landschaftsbild. Die markantesten Erhebungen sondiert der Taubenstein oder Wachberg, die Vogelsteine, der Donels- oder Tonelsberg (369 m), der Scheibenplan oder – Berg mit den Scheibenwänden und dem Scheibenwald, zwischen all denen sich zahlreiche Gründe hinziehen, so die Schweinsgründe, der Gersgraben, der Rauschen– oder Raußengrund. Den nördlichen Teil des Gebietes nimmt ein Bergland mit Hochflächen ein (Erbe- oder Folgengebiet), das Norden und Westen zur Kleinen und Großen Biele bzw. zum Kamnitzbach steil und felsig abfällt. Hier liegen der Folgenberg, das Hoan (Horn), das Gerichtshorn (Gerichtsstein), der Hohle Stein, Kochsgraben und am Rand der Ferdinandsklamm die Wände der Doste und Toste.
1881 ließ Edmund von Clary und Aldringen auf dem Rosenberg einen Aussichtsturm errichten und am 4. Mai 1890 eröffnete auf dem Berg ein Gasthaus.
Das Gemeindegebiet wird zu 49 % forstwirtschaftlich (Revier Schemmel) und zu 43 % landwirtschaftlich genutzt.
In den Wäldern ist Auer-, Birk- und Haselhuhn zu Hause.
Das idyllisch gelegene Schemmel hat sich besonders nach dem Ersten Weltkrieg zu einer beliebten Sommerfrische entwickelt. Die Wälder gehörten überwiegend zum Revier Dittersbach der Kinsky’schen Domäne Böhmisch-Kamnitz.
Gewässer und Trinkwasserversorgung
Die Ortschaft wird von dem früher zur Holzflößerei verwendeten Kreibitzbach durchflossen, der bei der Rauschenflußtäufe von Süden her viermal überbrückt ist und den Bach „Rauschefluß“ aufnimmt. Die Kleine Biele, die Große Biele und der Kamnitzbach bilden gegen Norden bzw. Westen die Gemeindegrenze. – In der Ortschaft befindet sich ein Teich bei der Sägemühle, ein weiterer kleiner Mühlteich nahe der Mündung des Kreibitzbaches in den Kamnitzbach.
Flurnamen
Herleiten, Laum, Laumleite, Hutweide, An der Harfe, Hedehübel, Steinwegwiese, Vaterbauerswiese, Grund, Erbe- und Folgengebiete, Gwrsgraben, Horn/Hoan, Gerichtshorn oder Gerichtsstein, Hübels Linde, Vogelstellche, Tauberstellche, Stehwand, Marienberg
Bevölkerung und Erwerb
Schemmel ist bis 1945 ein echtes Bauerndorf geblieben, was in dem relativ hohen Anteil des Wirtschaftsbereiches Land- und Forstwirtschaft (35 %) zum Ausdruck kommt. Von insgesamt angegebenen 52 landwirtschaftlichen Betrieben waren allerdings nur 11 Voll-Landwirte, zu denen noch drei kleinere Landwirte (Feldgärtner) traten. Die übrigen 38 waren Nebenerwerbslandwirte, die einem anderen Hauptberuf nachgingen.
Der auf Industrie und Handwerk entfallende Bevölkerungsanteil (41,1 %), dem auch die Quote der Arbeiter entspricht (43,6 %), fand sein Auskommen hauptsächlich in auswärts gelegenen Betrieben. Hierfür kamen die Fabriken in Jonsbach/Rabstein, Böhmisch-Kamnitz und Tetschen infrage.
Eine kleinere Belebung für die Ortschaft Schemmel brachte die Errichtung des Kindererholungsheimes der Gemeinde Nestomitz Ende der 20er Jahre. – Größere industrielle Betriebe gab es in Schemmel nicht. Im 19. Jahrhundert waren zeitweise 5 Rasenbleichen (Zwirn- und Garnbleichen) vorhanden gewesen und vor dem Ersten Weltkrieg eine Lohgerberei. Bis in die letzten Jahrzehnte hatten sich erhalten: Brettsäge (Brettmühle) Grüßel, Mahlmühle Liebisch (die Lohnmühle Günter war aufgegeben worden), Knopferzeugung Günter. – In den 20er Jahren war eine Zweigstelle des Böhmisch-Kamnitzer Konsum „Einigkeit“ errichtet worden. Schemmel besaß zusammen mit den Gemeinden Windisch-Kamnitz und Jonsbach einen Brandschadenversicherungsverein.
An alten Handwerkszweigen gab es in Schemmel mehrere Besenbinder, 1 Korbmacher, 1 Büstenmacher, 1 Handweberei (früher 2 Betriebe).
Verkehr, Gastgewerbe, Sport
Nächste Bahnstation: Böhmisch-Kamnitz; nächste Bahnhaltestelle: Rabstein. Post: Dittersbach. Autobusverbindungen: nach Tetschen, Böhmisch-Kamnitz und Herrnskretschen.
Gastgewerbe: 4 Gasthäuser: Zeckerts Gasthaus mit Saal und Fremdenzimmer, „Zum Hohlen Stein“, „Zur Eiche“ mit Saal und „Zur Schmiede“. Erholungsheim für Kinder der Gemeinde Nestomitz a. d. Elbe, seit 1938 Schullandheim.
Sportanlagen: Badeteich
Pfarrei, Matriken, Kirche
Schemmel gehörte schon im 14. Jahrhundert zur Pfarrei St. Wenzel in Windisch-Kamnitz, und zwar mit dieser von 1570 bis 1630 lutherisch. Von Beginn der Rekatholisierung an wurde Schemmel wie der ganze Pfarrsprengel durch die Stadtpfarrei St. Jakob in Böhmisch-Kamnitz betreut. Im Jahre 1775 wurde es der in Windisch-Kamnitz neu geschaffenen Filialkirche zugewiesen, die 1856 wieder zur selbständigen Pfarrei erhoben wurde.
Die Matriken für Schemmel sind im Rahmen der Windisch-Kamnitzer Kirchenbücher seit 1712 erhalten. Für die vorherige Zeit befinden sich die Eintragungen in den 1630 beginnenden Matriken von Böhmisch-Kamnitz.
Kapellen: „Felsenkapelle“ mitten im Ort in einem freilegenden Felsen eingehauen; Inneres 12 bis 16 Schritte lang, 2 Bankreihen mit je 5 Bänken, ansehnlicher Hochaltar mit Marienbildnis, außerdem Bild „Christus im Kerker“. Folgenkapelle beim Ortsteil Obere Folge, erbaut 1788. Wegekreuze: Schemmler Grieselkreuz von 1795 und vier weitere Kreuze.
Kirchenfest: St. Wenzel (28. September); Gelöbnistag St. Ignatius (31. Juli) wegen Abwendung der roten Ruhr im Jahre 1810, mit Prozession nach Windisch-Kamnitz.
Friedhof: seit 1875 am Ortsrand, von Felsen eingesäumt.
Schule
Die älteste Nachricht über die Schule von Schemmel stammt von 1833 (Lehrer Anton Rellig; Filialschule zu Windisch-Kamnitz), jedoch dürfte sie schon im 18. Jahrhundert bestanden haben. Bis in die ersten Jahre nach dem Ersten Weltkrieg war die Schule einklassig, danach zweitklassig.
Verwaltung
Seit seiner Gründung hatte Schemmel eine Erbrichterei, die 1381 im Kamnitzer Stadtbuch erwähnt ist. Überliefert sind von 1556 bzw. 1576 die Namen der Richter: Christ. Grüßel und Lorenz Fiedler sowie die Schöppen Balthasar Fiedler und Matz Kreuschwig (Kreibich). In der letzten Zeit vor 1850 befand sich die Richterei im Haus „Alte Schenke“.
Gemeindevorsteher bzw. Bürgermeister seit 1918 waren: Raimund Günther, Rudolf Michel und Franz Urchs.
Kulturpflege und Vereinsleben
Vereine: Freiwillige Feuerwehr, gegr. vor 1900, Ortsgruppe des Gebirgsvereins für die Böhmische Schweiz seit 1913, Anglerverein.
Brauchtum: Osterreiten
Sonstiges: Gemeindebücherei vorhanden
Sehenswertes
Zwei alte Mühlen, schöne Fachwerkbauernhäuser, „Hübels Bauernhof“, Felsbildungen im Ort u. a. „Holder Stein“ im Grund (Festplatz für 200 Personen), Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges; Hegerhaus mit Baumschule für das Forstrevier Schemmel.
Nachwort (Ausklang)
Die Kriegsverluste von Schemmel betrugen – soweit feststellbar- 13 Gefallene und Vermisste, das sind 8,3 % der männlichen Bevölkerung von 1939. im Jahre 1959 lebten 25 % der ehemaligen Einwohner in der Bundesrepublik Deutschland und 75 % in der Deutschen Demokratischen Republik.
Nach dem neuen tschechischen Gemeindeverzeichnis gibt es keine Gemeinde, sondern nur mehr eine Ortschaft Všemily (deutsch Schemmel), die zusammen mit Jetřichovice (deutsch Dittersbach). Rynartice (deutsch Rennersdorf) und Vysoká Lípa (deutsch Hohenleipa) die Gemeinde Jetřichovice bildet, die 1961 485 Einwohner hatte. Die Ortschaft Všemily wies 1961 113 Bewohner auf gegenüber 323 im Jahre 1939.
„Tetschen-Bodenbach – Heimatverband Kreis Tetschen-Bodenbach“ (Hrsg.) „Heimatkreis Tetschen-Bodenbach. Ein Buch der Erinnerung“ – 1969
Alfred Herr „Heimatkreis Tetschen-Bodenbach: Städte und Gemeinden„. Heimatverband Kreis Tetschen-Bodenbach e.V.“ 1977 – S.646-650
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam Všemily zur Tschechoslowakei zurück. Die deutschen Bewohner wurden bis 1946 vertrieben.
1948 wurde die Gemeinde dem neu geschaffenen Okres Nový Bor zugeordnet. Všemily verlor 1961 seine Eigenständigkeit und wurde nach Jetřichovice eingemeindet und kam zugleich zum Okres Děčín zurück. Zu dieser Zeit hatte das Dorf 113 Einwohner.
Heute
Všemily (deutsch Schemmel) ist ein Ortsteil der Gemeinde Jetřichovice in Tschechien. Zum Ortsteil Všemily gehört die Ansiedlung Na Všemilské Planině (deutsch Auf den Folgen).
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