Wernstadt

  • Beitrags-Kategorie:Landkreis Tetschen-Bodenbach
  • Beitrag zuletzt geändert am:15. August 2022
  • Lesedauer:10 min Lesezeit

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das ursprüngliche Wernersdorf hatte seit seiner Gründung in der Mitte des 13. Jahrhunderts als zweireihiges Waldhufendorf ein deutschrechtliches Erbgericht. Die älteste bekannte urkundliche Nennung beinhalten die lateinisch geführten Papstzehentregister von 1352 bis 1405, in denen „Wernherivilla” (Wernersdorf) aufgeführt ist. Am 14. August 1497 erfolgte unter Siegmund II. (III.) von Wartenberg die Erhebung Wernersdorf zur Stadt mit gleichzeitiger Einführung des Namens Wernstadt. An der Spitze der Stadtverwaltung standen zwölf „Ratmannen”, aus deren Mitte der Bürgermeister gewählt wurde. Der Ortsname geht eindeutig auf den Personennamen Werner zurück. Das Gebiet um Wernstadt kam 1283 zur damals errichteten Herrschaft Scharfenstein der Herren von Michelsberg. Besitznachfolger waren die Herren von Wartenberg (die auch südlich gelegene Gebiete der späteren Herrschaft Liebeschitz erwarben) und die im Jahre 1511 ihren Besitz verkauften. Dabei trennten sie das Gebiet um Wernstadt von Scharfenstein ab und vereinigten es mit der noch in ihrem Besitz gebliebenen Herrschaft Liebeschitz. 1537 folgte der Ritter Karl Dubansky von Duban auf Auscha als Grundherr für Liebeschitz und damit auch für Wernstadt. Im 16. Jahrhundert kam es zu einer Aufsplitterung des Gebietes in einen Liebeschitzer Teil (mit einem Drittel von Wernstadt und der Hälfte von Groß-Zinken), in einen Koblitzer Teil (Ober- und Niederkoblitz), der dann nochmals in die zwei Güter Oberkoblitz (bzw. Ploschkowitz) mit einem Drittel von Wernstadt und der Hälfte von Blankersdorf sowie Ober- und Niederschönau und Niederkoblitz (mit einem Drittel von Wernstadt und je der Hälfte von Blankersdorf und Groß-Zinken) geteilt wurde. Im Jahre 1850 wurden alle drei Teile von Wernstadt wieder vereinigt und in den Gerichtsbezirk Bensen eingegliedert.

Die Stadtgemeinde Wernstadt im Gerichtsbezirk Bensen bestand aus dem geschlossenen Stadtgebiet, den 1,5 km nordwestlich gelegenen Häusern am Gottesberg, dem Töpferhäusel, dem Friedhof, der Ziegelei sowie den südwestlich bis südöstlich der Stadt gelegenen Ortsteilen „Haus der ehemaligen Frischglückzeche”, „Alte Fabrik”, Bahnhof, Herminenbad und Schützenhaus.
Die Gesamtfläche der Gemeinde betrug, 855 ha.
Wernstadt liegt in 490 bis 505 m Meereshöhe und erstreckt sich 2 km lang an der Bezirksstraße zwischen Schönau und Biebersdorf, die durch die Bezirkstraße von Algersdorf nach Munker gekreuzt wird. Letztere wurde in den Jahren 1842 bis 1845 im Interesse der Industrie ausgebaut.
Die Straßenentfernung bis zur „Bleiche“ beträgt 2,5 km, zur Algersdorfer Kirche 5 km, zur „Knöppelschänke“ 8 km, nach Bensen 13 km und nach der Kreisstadt Tetschen 22 km.

Das Gemeindegebiet nimmt eine hoch gelegene, von Westen nach Osten geneigte Mulde ein. Der nördliche begrenzte Höhenzug erreicht in der Nähe des Pfarrbusches 572 m, am Gemeindestein oder Kunzstein 562 m (20 m hohe Basaltstein) und an der Straßenhöhe gegen Algersdorf 540 m. Der im Süden die Grenze gegen den Kreis Leitmeritz bildende Höhenzug (Verlängerung des Zinkensteins) steigt am Tschiaschler Rain bis gegen 600 m, beim Wirtshaus „Neue Welt“ bis 536 m und am Müllerberg bis 523 m stand um 1750 eine Windmühle. Das Gebiet von Wernstadt liegt im böhmischen Mittelgebirge und war ein Ausflugsziel zur Wanderung oder Sommerfrische, mit den Zielen zum Zinkenstein und der Matthias-Rellig-Berg bei Biebersdorf, der Hutberg bei Mertendorf, die Hundorfer Beule und die Bieberklamm bei Schönau.
Seit 1880 wurde der Eislauf und seit 1900 der Skilauf gepflegt, als der damals in Trondheim lebende Wernstädter Ferdinand Schindler ein Paar norwegische Ski mitbrachte.

Wernstadt besaß die landwirtschaftliche Struktur eines Landstädtchens in Industrienähe. Wegen des rauhen Klimas waren die Ernteerträge mäßig, dafür hatten Viehzucht und Milchwirtschaft eine größere Bedeutung. Der in der Landwirtschaft tätige Bevölkerungsteil betrug rund 12 %, der Anteil an industriellen und handwerklichen Berufen belief sich auf über 40 % und war für eine Stadt relativ niedrig. Der Anteil der Bewohner am Wirtschaftsbereich Handel und Verkehr lag bei 18 %. Viele Arbeiter pendelten zu Arbeitsplätzen in Tetschen, Bensen, Franzenthal, Pömmerle (Kupferwerke) und Schreckenstein (Schichtwerke). So gab es 1934 105 selbständige Handwerker, darunter 17 Schuhmacher und Schuhoberteilerzeuger, 11 Schneider und 10 Schneiderinnen, 11 Bäcker einschließlich 4 Zuckerbäcker, 6 Friseure und Raseure, 6 Fleischer und Selcher, ferner 65 Handelsbetriebe verschiedener Art, darunter 11 Gemischtwarenhändler, 8 Obst- und Gemüsehändler, 5 Zuckerwarenhändler und 1 Konsum.

Industrielle Produktionsbetriebe gab es folgende: Mühlenbauanstalt und Landmaschinenfabrik Eduard Anton bis 1938, dann in den gleichen Räumlichkeiten die Bürstenfabrik Hübner & Beyer, ferner die Brauerei der Gebrüder Renftel, die Genossenschafts-Molkerei Wernstadt bis 1945, Reißverschlussfirma Oechsler/Bünauburg seit 1940, die Kühnel-Mühle und eine Genossenschaftsmühle.

Der Anschluss an den Nahverkehr bestand durch den Kopfbahnhof der 1890 vollendete Zweigstrecke der Lokalbahn Großpriesen-Auscha-Wernstadt. Es gab ab 1850 das Postamt und 1 Kino, sowie 4 Mietautounternehmen. Omnibusverbindungen bestand nach Bensen über Biebersdorf, Reichen und Voitsdorf, über Algersdorf und Franzenthal nach Bensen, später bis Tetschen-Bodenbach verlängert, sowie über Mertendorf nach Klein-Schokau.
Es gab Gasthöfe/Gasthäuser mit Fremdenzimmer; „Zur Post“, „Krone“ mit Saal, „Zum Adler“, „Sonne“, „Schützenhaus“ mit Saal, Krolops Gasthaus, Gasthaus Mattausch und „Gottesberge“. Das Gasthaus „Neue Welt“ gehörte bereits zur Gemeinde Munker.

Es gab ab 1539 eine Volksschule; ab 1882 kam eine fünfte Klasse hinzu und 1905 wurde das Schulhaus aufgestockt. 1902 wurde eine Bürgerschule eröffnet, sie war dreiklassig, gemischt und nach ihrer Umwandlung in eine Hauptschule seit dem Jahre 1939 vierklassig.
Eine tschechische Schule gab es im Ort auch, diese wurde 1935 für ca. 10 tschechische Kinder in der tschechischen Volksschule eingerichtet, nach 1938 wurde durch die Abwanderung der wenigen Tschechen diese wieder geschlossen.
Dazu gab es noch die Fortbildungsschule für gewerbliche Lehrling zur Weiterbildung, eine landwirtschaftliche Volksbildungsschule eröffnet 1922, Fabrikschule für die Kattundruckereien und später Webereien, später ab 1875 für die Textilfirma Julius Leon.
Der Kindergarten wurde 1885 durch die Firma Leon eingerichtet, wegen den vielen Arbeiterfamilien. Ab 1923 übernahm die Stadt Wernstadt die Erhaltung und fortführung der Einrichtung.

Im Garten des Schützenhauses stand das Kriegerdenkmal für die 83 Toten aus dem Ersten Weltkrieg.

Die Pfarrei von Wernstadt wurde sicher mit Gründung des Ortes Wernersdorf etwa Mitte des 13. Jahrhunderts eingerichtet. Nach der lutherischen Zeit von 1573 bis 1623 wurden die alten Pfarreien Saubernitz (mit acht Ortschaften) bis 1723 und Reichen (mit vier Ortschaften) bis 1787 als Filialen an Wernstadt angeschlossen. Das ursprüngliche Kirchspiel umfasste neben Wernstadt selbst auch Ober- und Niederschönau. Ab 1835 wurde Klein-Jober im Kreis Böhmisch Leipa und 1883 Tschiaschel, welches vorher bei Munker im Kreis Leitmeritz gewesen war, eingepfarrt. Die Matriken sind durchwegs seit 1669 erhalten, jene von Tschiaschel (die in Munker geführt wurden) seit 1656. Die Wernstädter Pfarrkirche St. Anna wurde in den Jahren 1563 bis 1565 in gotischem und Renaissancestil anstelle eines kleineren Gotteshauses errichtet und nach dem Stadtbrand von 1709 barock überbaut. Die Wallfahrtskirche zur Heiligen Dreifaltigkeit stand auf dem Gottesberg etwa 1,5 km nordwestlich von Wernstadt, die sich rasch zu einer viel besuchten Wallfahrtsstätte entwickelte.

Nach der Steuerrolle von 1654 standen 99 Häuser in der auf drei Herrschaften aufgeteilten Stadt. 1713 hatte die Stadt 151 Häuser.  1787 hatte Wernstadt – bedingt durch den wirtschaftlichen Aufschwung, den die Gründung der Kattundruckerei durch Johann Josef Leitenberger 1770 auslöste – 211 Häuser. 1833 standen 251 Häuser, in denen 1.453 Einwohner lebten. 1910 wohnten 2.078 Bewohner in der Stadt und 1930 waren es nach einem wirtschaftlichen Rückgang noch 1.587 Einwohner.

Nach dem Münchner Abkommen gehörte Wernstadt von 1938 bis 1939 zum Landkreis Tetschen-Bodenbach, Regierungsbezirk Aussig, im deutschen Reichsgau Sudetenland. 1939 hatte die Stadt nur noch 1397 Einwohner. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei verlor die Ortschaft das Stadtrecht. Trotz der Eingemeindung von fünf umliegenden Dörfern nach 1945 hat sich die Zahl der Einwohner innerhalb von 100 Jahren halbiert.

Tetschen-Bodenbach – Heimatverband Kreis Tetschen-Bodenbach (Hrsg.) „Heimatkreis Tetschen-Bodenbach. Ein Buch der Erinnerung“ – 1969
Alfred Herr „Heimatkreis Tetschen-Bodenbach: Städte und Gemeinden. Heimatverband Kreis Tetschen-Bodenbach e.V.“ 1977 – S.225-240

Die ersten Vertreibungen der deutschen Bevölkerung erfolgten am 28.Juni 1945 und betrafen rund 500 Einwohner, welche zu Fuß über Herrnskretschen/Schmilka ihre Heimat verlassen mußten. Es folgten drei große Aussiedlungstransporte, von denen der letzte Mitte August 1946 die Stadt verließ.

Heute:

1961 gehörten zur tschechischen politischen Groß-Gemeinde Verneřice (deutsch Wernstadt) auch die früher selbständigen Gemeinden Loučky (deutsch Schönau), Příbram (deutsch Biebersdorf), Rychnov (deutsch Reichen) und Rytířov (deutsch Rittersdorf) mit 1271 Personen in 293 Häusern. Wernstadt alleine hatte 1961 nur 708 Bewohner gegenüber 1401 Einwohner im Jahre 1939.
Am 28.08.2006 wurden in der gesamten Stadtgemeinde 1.088 Personen gezählt, am 01.01.2018 waren es 1.142.

Der Eisenbahnbetrieb von Velké Březno (deutsch Großpriesen) nach Verneřice (deutsch Wernstadt) ist am 25. Mai 1978 eingestellt worden.

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