Windisch-Kamnitz

  • Beitrags-Kategorie:Landkreis Tetschen-Bodenbach
  • Beitrag zuletzt geändert am:15. Mai 2024
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Gemeindebereich

Die Gemeinde Windisch-Kamnitz – Gerichtsbezirk Böhmisch-Kamnitz – bestand aus der Ortschaft Windisch-Kamnitz mit den Ortsteilen Katzenberg, Rübengasse und Bornschlichte sowie dem einschichtigen (gut 1 km entfernten) Ortsteil Grundmühle; von letzterem gehörte aber nur ein Haus zur Gemeinde Windisch- Kamnitz, während die übrigen Grundmühlhäuser ein Teil der Gemeinde Kamnitzleiten waren. Innerhalb der Ortschaft Windisch-Kamnitz wurden das Ober-, Mittel- und Niederdorf („Niederwindischkamnitz“) unterschieden.
Mundartliche Aussprache des Ortsnamens : Windsch-Kamnitz.
Gesamtfläche der Gemeinde: 1174 ha. Sie gehörte damit zu den großflächigsten Gemeinden des Kreises.

Ortsgeschichte

Windisch-Kamnitz ist seiner Ortsanlage nach ein zweireihiges Waldhufendorf aus der Zeit der mittelalterlichen, deutschen Siedlungstätigkeit. Der Umstand, dass im Jahre 1352 die Pfarrei halbjährlich nur 1 Groschen Papstzehent zu zahlen hatte, ab 1369 jedoch 3 Groschen, können darauf hindeuten, dass der volle Ausbau der Ortschaft erst um diese Zeit abgeschlossen wurde. Das hieß wiederum, dass der Ausbau nicht wesentlich vor 1300 eingesetzt hatte und dass zuvor höchstens eine Kleinsiedlung, vielleicht eine Wegestation am Lausitzer Steig bestand. Die vorgenannte Annahme ließe sich mit der Überlieferung in Einklang bringen, dass bereits um das Jahr 1015 hier eine Ansiedlung erfolgte. Für diese Überlieferungen deren Quelle nicht bekannt ist, gibt es zwei Versionen: Entweder ist eine Gruppe Lausitzer Wenden, vor Kaiser Heinrich II. Flüchtend, bis in das Kamnitztal gekommen oder aber Oberlausitzer Deutsche, die hier ansässig wurden, haben die Wenden (Sorben) mitgebracht. Kein Zweifel dürfte jedoch daran bestehen, dass deren Anzahl gering war, denn von den ältesten überlieferten Familiennamen aus dem 14. und 15. Jahrhundert könnten nur vereinzelte auf diese Mitbewohner zurückgeführt werden, und auch im Flurnamenbestand von Windisch-Kamnitz lassen sich kaum Spuren davon feststellen.
Die an sich überraschende Ortsnamengebung nach den als Minderheit unter den Deutschen lebenden Wenden könnte so zu erklären sein, dass ursprünglich (d. H. bis Mitte des 13. Jahrhunderts) am Kamnitzbach eben nur 2 Ansiedlungen bestanden, nämlich Kamnitz (die spätere Stadt) und 5 km bachabwärts ein zweiter Ort, der ebenfalls nach dem Gewässer (Kamnitz=Steinbach) benannt wurde und zur Unterscheidung den ihn in einer gewissen Weise charakterisierten Beinamen „Windisch“ bekam. Keinesfalls aberntete die Bezeichnung Windisch-Kamnitz damals einen Gegensatz zu Böhmisch-Kamnitz dar, denn letztere Ortsnamensform tauchte erstmals 1575 auf. Im Gegenteil es ist daran zu erinnern, dass die Stadt Böhmisch-Kamnitz im Jahre 1363 als „Campnicz theutunicale“ = „deutsches Kamnitz“ bezeichnet wurde.
Für die bisweilen diskutierte Möglichkeit, dass in dem Ortsnamensteil „Windisch“ eine keltische Flurbezeichnung fortbesteht und dass in dem zweiten Namensteil „Kamnitz „ ein keltisches „Kamp“ oder das Niederdeutsche „Kamp“ = umfriedeter Wohnplatz enthalten sei, fehlen konkret Anhaltspunkte. Auch lassen die zahlreichen für Windisch-Kamnitz vorhandenen Namensbelege aus dem 14. bis 16. Jahrhundert keine derartige Deutung zu.In den ältesten schriftlichen Nachweisen, den Papstzehentregister von 1352 bis 1405, wird Windisch-Kamnitz stets „Sclavica oder Slavica Kamenicz“ genannt und in den Libri Confirmationum von 1362 bis 1436 entweder ebenfalls mit „Slavica Kamenicz“ bzw. „Slavonica Kempnicz „oder erstmals in deutscher Form „Wyndiss Kampnicz bzw. Kamenicz“ bezeichnet. In der Hoflehentafel und in der Landtafel, die beide tschechisch geführt wurden, lauten die Schreibungen zwischen 1457 und 1635 immer „Windiß Kamenicz“ oder ähnlich, lediglich 1543 (für 1515) wurde ein einziges Mal „w Srbske Kamenicy“ geschrieben. Im unbestrittenen deutschsprachigen ältesten Kamnitz Stadtbuch wurde Ende des 14. und im 15. Jahrhundert die Schreibung „Windisch/e Kempnicz oder Kampnicz“ angewendet, in der ältesten Mertendorfer Matrik 1615 „Windisch- Kamnitz „, in einem deutschen Robotverzeichnis von 1639 „Windisch-Kemnitz „. Das gelegentlich geschriebene -p- ist lediglich Ausdruck der Aussprache. Auf die Ortsnamenform Kamnitz, Kemnitz, Kempnitz u.a. wird in der Ortsübersicht Böhmisch-Kamnitz Weiteres ausgeführt. Zur Zeit der Erstbesiedlung gehörte Windisch-Kamnitz zum Bereich der Gaugrafschaft Tetschen und seit 1283 zur älteren Herrschaft Scharfenstein, zunächst unter der Herrschaft von Michelsberg, dann unter den Herren von Berka, Wartenberg und Salhausen (seit 1405 bis1408, 1428 bzw. 1515). Durch die erste Salhausen-Güterteilung kam Windisch-Kamnitz 1535 an die neu gebildete Herrschaft Kamnitz. Bei dieser, die vorübergehend nochmal an die Wartenberg und dann 1614 an die Familie Kinsky überging, verblieb es dadurch gut vier Jahrhunderte, bis es 1850 in den Verband des GB Böhmisch-Kamnitz einbezogen wurde. Das älteste Kamnitzer Stadtbuch benennt folgende Namen aus Windisch-Kamnitz: Engelhardt, Milner, Peiker, Kreusel, Vater, Lorenz, Kny, Molner, Micksch, Rencze, Kreuche, Hampe, Lose, Vater, Koschik, Weydel, Menzel. Von 1555 sind die Einwohner Hofmann, Krumpholz überliefert.
Für 1576 ist das Bestehen eines Eisenhammers in Windisch-Kamnitz nachgewiesen, an den die Örtlichkeitsnamen „Eisengraben“, „Hammerschenke“, „Hammerwiese“, „Eisenberg“ sowie Mauerreste und Schlacken bis in die jüngste Zeit erinnerten. Seit Ende des 15. Jahrhunderts ist die Mühle belegt (z.B. 1615: Hensel, der Müller). Schon im 16. Jahrhundert waren Windisch-Kamnitzer Einwohner als ambulante Siebmacher und Schleifer unterwegs („Preußen-Reisende“).
In der StR von 1654 war „Windisß Kamnicz“ mit 25 Bauernstellen, 7 Gärtner und 13 Häuslern aufgeführt, es bestanden somit 45 Häuser. – Die Vollbauern besaßen 7 bis 12 Strich Acker, die Halbbauern 3 bis 10 Strich; lediglich der Dorfschenk Paul Kny bewirtschaftete 15 Strich. 2 Einwohner waren als Fuhrleute tätig. Die Familiennamen der Bauern lauteten: Michel, Füller,Hackel, Kny, Kühnel, Lößel, Bieber, Zeckert, Lorenz, Rentsch, Pilz, Wagner, Hanke, Krahl, Sturm, Hickisch, Böhml; die Namen der Gärtner: Hocke, Michel, Kühnel, Hübel und Kreibich.
Aus einer Familie Kny gingen im 18. Jahrhundert drei beachtliche Musiker hervor: Ignaz Kny, Organist, Ignaz Kny jun., Chorregens, und Anton Kny, Klavierspieler in Bensen.
Gemäß der TK von 1713 hatte „Windischkemnitz“ 32 Wirte und 26 Häusler, zusammen 58 Häuser. Von den Einwohnern ernährten sich 8 als Schleifer, 1 als Fenstermacher, 4 als Landgänger. Es bestanden 1 Mühle mit 2 Rädern sowie eine herrschaftliche Mühle mit Säge. In der Müller’schen Landkarte von 1720 ist „Windisch-Kamnitz“ und in der Josefinischen Karte von 1781/82 „Wendisch-Kamnitz“ verzeichnet. Der Topograph Schaller (1787) registrierte in „Windisch-, ehedem Wendisch-Kamnitz „113 Nummern, der TopographSommer (1833) in „Windisch-Kamnitz“ 151 Häuser mit 869 Einwohnern. Letzterer erwähnte das Vorhandensein von 1 Schule, 1 Mühle, 1 Brettsäge und 1 Försterhaus sowie von 23 Garn- und Zwirnbleichen. Die Gemeinde besaß 999 Joch eigenen Wald. Um 1841 bestand zeitweise die Baumwollspinnerei Franz Heinrich mit 144 Spindeln. Auch wurde Hausweberei betrieben. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts betätigte sich die Companie Fiedler, die Salz, Kohle, Soda, Weizen und Mehl von Tetschen ins Böhmische Niederland transportierte.
Die Bleichereien, die ab Ende des 18. Jahrhunderts allmähliche aufkamen und für die Windisch-Kamnitz der Mittelpunkt war, holten seit der Entstehung der Textilindustrie die weiß zu bleichenden Garne mit Fuhrwerk bis aus Schönlinde, Georgswalde, Löbau/Sachsen und Bautzen/Sachsen. Den ganzen Talgrund entlang befanden sich Bleichgärten oder Bleichpläne, denen große Schöpfräder das Kamnitztalwasser zu leiteten. Die Saison dauerte von Mitte März bis Ende Oktober. Die zahlreichen Bleichknechte waren vom Morgengrauen bis zum Einbruch des Abends tätig. In den Wintermonaten fanden sie Beschäftigung in der Hausweberei, Strumpwirkerei, Holzschlägerei und Steinklopferei. Die Blütezeit der Bleichereien waren die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts (1800) 24 Betriebe, dann ging das Geschäft wegen der Erfindung der einfachen chemischen Bleiche rasch zurück (1880 noch 6 Betriebe) und die letzten zwei Betriebe stellten 1896 (Kromer-Bleichereien) bzw. 1908 (Fiedler-Bleiche) ihre Tätigkeit ein.
Die Bedeutung des Bleichereigewerbes spiegelte sich in den Ergebnissen der Volkszählungen ab, denen zufolge Windisch-Kamnitz 1857, 1869 und 1880 folgende Einwohnerzahlen hatte: 1080, 1044 und 1090 (durchwegs Deutsche). Dann sank die Personenzahl allmählich, aber ständig ab; 1900 waren es noch 940 und 1930 nur 895 Einwohner, obwohl sich im Laufe der Zeit kleinere Industrien angesiedelt hatten. Im Frühjahr 1938 waren im Zuge der von den Tschechen zwischen dem Schöberpaß bzw. Kaltenberg und der Elbe angelegten Befestigungslinie allein bei Windisch-Kamnitz neun Betonbunker gebaut worden.
Die häufigsten Familiennamen in der Gemeinde waren 1934: Kny, Richter, Wagner, Fiedler, Hackel, Tietze, Zekert, Michel, Pilz, Füller, Kühnel, Büchse, Dittrich, Storm, Heinrich, Hickisch, Hofmann, Mildner, Schubert, Wonka, Beutel, Vater, Bayer, Bendel, Hanke, Palme und Thomas.

Lage

Die Ortschaft Windisch-Kamnitz – in 205 bis 340 m Meereshöhe, 3 km lang – wird von der Bezirksstraße durchzogen, die von Böhmisch-Kamnitz nach Schemmel und Dittersbach führt. Im Oberdorf zweigen die Bezirksstraßen über Neu-Ohlischer nach Tetschen („Waldstraße“) und nach Rosendorf ab (seit 1886). Das Grundmühlenhaus (190m) ist nur auf einem Fuhrweg zu erreichen.

Bodengestalt

Die Ortschaft Windisch-Kamnitz besitzt eine anmutigen Lage in einem breiten, in nord-südlicher Richtung verlaufenden Wiesental. Im Westen wird es durch Hänge begrenzt, oberhalb derer sich die meisten Wirtschaftsstreifen der Bauern befanden und an die sich die Wälder des Rosenberges anschlossen (Gemeindegebiet bis 500 m ansteigend). Im Osten ist sowohl die Begrenzung des Tales als auch das höhere Gelände felsig, so dass nur für 4 Wirtschaftsstreifen Platz war; hier werden Meereshöhen bis zu 400 m erreicht. Der von Windisch-Kamnitz aus oft besuchte Huttenberg (467 m), auf dem Funde aus der mittelalterlichen Burgwallzeit gemacht, liegt bereits auf Johnsbacher Gebiet. Die in das Kamnitztal ausmündenden Gründe sind: westlich des Ortes namentlich die Bornschlichte und der Füllerhanselgrund, östlich der Mühlgrund mit Schutzhütte des Gebirgsvereins und die Schweinsgründe sowie weitere kleinere Gründel. Markante Felsbildungen, die teils schöne Aussichten gewähren: Kreuzstein, Katzenkirche, Elternstein, Bäckerstein und Grundstein. Das Kriegshäusel ist eine Höhle. Am meisten besucht wurde stets die Ferdinandsklamm mit der seit 1881 bestehenden Bootsfahrt. Die Klamm wird von der Dorswand, dem Hickschen- und Teufenstein sowie der Schwarzen Teufe eingeschlossen. Die Benennung der Klamm erfolgte – soweit bekannt – nach dem Grafen Ferdinand Kinsky, dem damaligen Besitzer der Domäne Böhmisch-Kamnitz.
Das Gemeindegebiet von Windisch-Kamnitz wird zu 35% landwirtschaftlich genutzt und ist zu 60% mit Wald bedeckt. Die Forsten (Wälder) der näheren Umgebung befanden sich überwiegend im Besitz der Domäne Böhmisch-Kamnitz (Kinsky) und wurden von Windisch-Kamnitz aus durch einen Heger beaufsichtigt. Außerdem bestand das Gut Franz Clar, Jonsdorf, mit 91 ha Wald. Infolge seiner schönen Lage und seines Waldreichtums (zahlreiche Wanderwege) wurde Windisch-Kamnitz gerne als Sommerfrische aufgesucht.

Gewässer und Trinkwasserversorgung 

Windisch-Kamnitz wird vom Kamnitzbach durchflossen und wird daheim Ort 15-mal überbrückt. Trotz der Anfang des 19. Jahrhunderts erfolgten Regulierungen weist der Bach zahlreiche Windungen auf. Vom Westen nimmt er die 5-mal überbrückte Porschtnitz (Fuchsbau), den Wurz- und den Olbsgraben auf; von Osten den Schweinsbach und den Kreibitzbach. Unterhalb der Einmündung des letzteren bildete der Kamnitzbach die 1 km lange „Ferdinandsklamm“ mit Kahnfahrt (15 Boote waren vorhanden). Weitere im Ort in den Kamnitzbach mündende Gewässer: Wurzbach, Quellbach usw.
Teiche: Fisch- und Badeteich im Hadergrund, Richters Teich bei der Brettsäge im Niederdorf und 3 Teiche mit Fischzucht im alten Bachbett des Kamnitzbaches.
Trinkwasser: Fast jeder Bauer und Häusler hatte sein eigenes Quell- und Brunnenwasser im Haus. Auch in den Wiesen, an den Straßenrändern und an vielen Stellen im Orte brachten Quellen hervor. Ein Bauer hoch am Kirchberg oben hatte seinen Born jenseits des Kamnitzbaches, und mittels eines „Widders“ wurde das Wasser in ein Bassin hinaufgetrieben und versorgte auch die anderen hochgelegenen Bauernhöfe und die Pfarrei.

Flurnamen

Der Brand, Bargs Tilke, Kreibischs Hübel, Bürgersgrund, Schmiedleite, Beim Grunzstein, Wachstein, Kriegshäusel, Webers Loch, Beutenhübel/Bienenhübel, Storm Berg, Langes Horn, Schweinsgründe, Schweinsbach, Wazelts Berg, Grundlouch/Buhulouch (bei der Grundmühle), Katzenberg, Olbsgraben, Bratjanzens Gründe, Hokns Grund, Schenkns Gründlich, Schneidermüllers Gründlich, Borchers Grund, Bratjanzns Berg, Hackls Blösl, Großer und Kleiner Vogelstein, Gramsens Vogelhäusl, Weiße Steine, Pechsteine, Gramsns Grund , Bauers Busch, Teichbrache, Schenkns Erbe, Maigrind, Steingrund, Hickschseffns Folge, Kreuzstein, Hadergrund, Bauer Folge, Sandleite, Enge Steine (im Mühlengrund), Zähes Leben, Schusters Ejbt, Schusters Wiese, Webers Pechstein, Süßkuchenwiese, Oibabauers Kreuz am sog. Diebsteig, Eisen Berg (bei der Kahnfahrt/Eisenhammer*), Reiterpfütze, Grundwiesen, Grundbrücke, Grundmühle, Hegerweg, Elterngründl beim Elternstein, In der Schlüchte, Betgraben, Gründlich auf dem Weg nach Böisch-Kamnitz, Kuhloch (Viehversteck), Heidehübl, Mittelstück, Giere, Schwarze Leite, Preßlbeerhübl, Brichtache, Räumicht, Schinderplan, Das gegangene Loch (Selbstmörderbestattungsstelle), Schafgründl, Die „Wünschebraut“ (Sage).

Bevölkerung und Erwerb

Windisch-Kamnitz war trotz seiner wenigen Industriellen Betriebe kein reines Bauerndorf mehr. Auf den Wirtschaftsbereich Land- und Forstwirtschaft entfielen nur noch 19,6% der Bevölkerung, obwohl 36 Haupterwerbslandwirte vorhanden waren; die Mehrzahl von ihnen war jedoch Kleinbäuerlich. Demgegenüber erreichte der Wirtschaftsbereich Industrie und Handwerk 48,3% Anteil, was in der Gliederung nach der beruflichen Stellung in der hohen Quote von 54,0% Arbeitern zum Ausdruck kommt. Diese fanden jedoch nur zum geringen Teil im Ort selbst Beschäftigung und gingen überwiegend nach Böhmisch-Kamnitz, Jonsbach-Rabstein und Tetschen zur Arbeit. Gemäß dem Adressbuch von 1934 gab es in Windisch-Kamnitz gut 50 Arbeiterfamilien (davon 41 „Tagarbeiter“).
Ein großer Teil von diesen bewirtschaftete kleinere landwirtschaftliche Flächen zwecks Zuerwerb, wodurch die landwirtschaftlichen Betriebe mit 0,5 bis 2 ha sehr zahlreich waren.
An Industriellen Betrieben bestanden bis 1945: 2 Brettsägen (Liebisch und Vater), 2 Holzwolleerzeugungen (Libisch und Wagner), 1 Mahlmühle (Schneidermühle, Besitzer Michel), 1 Zementwarenerzeugung (Hofmann) und die Molkereigenossenschaft für Windisch-Kamnitz und Umgebung (15.000 l Tagesleistung). Bis in die 30er Jahre war auch eine Leinen- und Baumwollwarenerzeugung (Hackel, später Kromer) ansässig gewesen, und vor dem Ersten Weltkrieg gab es eine Dachpappenerzeugung (Wagner).
Die Spar- und Darlehnskasse (Reifeisenbank) für Windisch-Kamnitz, der Brandschadenversicherungsverein für Windisch-Kamnitz, Schemmel und Jonsbach sowie die Verkaufsstelle des Konsumverein „Einigkeit „Böhmisch-Kamnitz waren bereits vor dem Ersten Weltkrieg gegründet worden.
Alte Handwerks- und Handelszweige: Pechsiederei und Harzpechhandel (Thomas), 4 Christbaumhändler, 1 Wattemacherei, 1 Holzschuhmacherei (Schubert), 1 Besenbinder.

Verkehr, Gastgewerbe, Sport

Nächste Bahnhaltestelle: Rabstein; nächste Bahnstation: Böhmisch-Kamnitz. Im Jahre 1885 zerschlug sich das Projekt einer Eisenbahnlinie von Böhmisch-Kamnitz über Windisch-Kamnitz nach Kreibitz am Wiederstand der Rasenbleichenbesitzer. Post: Windisch-Kamnitz. Autobusverbindungen: nach Dittersbach, Böhmisch-Kamnitz und Tetschen.
Gastgewerbe: 8 Gasthäuser, und zwar: Gasthaus Schubert (Wonka, Nr. 20), Gasthaus Tietze (früher „Alte Schule“, Nr. 48), Gasthaus Hickisch, Nr. 50, „Zum Rosenberg“ mit Saal (M. Miete, Nr. 168), Puhrs Gasthaus (Nr. 74), „Zur Ferdinandsklamm“ oder „Zur Kahnfahrt“ (Füller, Nr. 148), „Alte Post“ mit 12 Betten (Franz Palme, Nr. 106), Weinschank und Gasthaus „Zur Böhmischen Schweiz“ mit 10 Betten (Titze, Nr. 69). – Die „Alte Post“ und „Zur Böhmischen Schweiz“ „waren gleichzeitig Schüler- und Studentenherbergen. – Außerdem wurden zahlreiche Privatzimmer an Sommergäste vermietet, teilweise mit Kochgelegenheit.
Sportanlagen: Turnplatz bei der Schule, Badeteich (Privat).

Pfarrei, Matriken, Kirche

Windisch-Kamnitz ist eine Altpfarrei (St. Wenzel), die spätestens Ende des 13. Jahrhunderts gegründet wurde und seit 1352 urkundlich nachgewiesen ist (Dekanat Leipa). Damals hatte die Pfarrei halbjährlich 1 Groschen Papstzehent abzuführen, ab 1369 bereits 3 Groschen. Ob damals außer Windisch-Kamnitz und Schemmel etwa auch Hohenleipa und Dittersbach zum Pfarrsprengel gehörte, konnte bisher nicht ermittelt werden. Von 1568 bis 1630 war die Pfarrei Windisch-Kamnitz lutherisch, wobei ersten Pastoren Christoph Geschellt und Zephir Dresserus und die letzten Fr. Blankenburg und Jakob Jüngling waren. Von letzterem wird berichtet, dass ihm bei seinem Weggang nicht nur viele Anhänger folgten, sondern dass er auch wichtige Teile des Pfarrarchivs mitnahm (Chronik und Matriken). Im Zuge der Gegenreformation wurde die Pfarrei Windisch-Kamnitz ab 1630 von der Stadtkirche in Böhmisch-Kamnitz administriert; 1654 galt sie als Filiale. Seit 1761 wirkte ein „exponierter Kaplan“ in Windisch-Kamnitz, und 1856 wurde es wieder zur selbständigen Pfarrei (Vikariat Böhmisch-Kamnitz) mit dem Sprengel Windisch-Kamnitz und Schemmel. Letzte Pfarrer seit 1914: Josef Kubat, Heinrich Hilscher, August Frenzel und Heinrich Marschner.
Die Matriken von Windisch-Kamnitz sind durchwegs von 1712 an erhalten. Für die vorherige Zeit befindet sich die Eintragungen in den 1630 beginnenden Matriken von St. Jakob in Böhmisch-Kamnitz.
Die Kirche St. Wenzel in Windisch-Kamnitz wurde 1772 bis 1776 in barocken Stil mit einem Kostenaufwand von 20.000 fl an Stelle einer früheren kleineren Kirche erbaut.
Das Gebäude hat einen einschiffigen Langraum, einen Westturm mit holzverschaltem Stockwerk, einen halbkreisförmigen Chorabschluß und Platzelgewölbe. Die Einrichtung entspricht- soweit nicht von der alten Kirche übertragen (z.B. Seitenaltäre, Glocken) – dem 18. Jahrhundert.
Der aus der aufgelassenen Paulaner-Klosterkirche in Prag stammende wertvolle Holzaltar wurde 1785 für 100 fl angekauft und 1881 mit einem neuen Gemälde des HistorienmalersKarl Jawurek geschmückt. – Als Pfarrwohnung diente seit 1737 ein Holzgebäude; das neue Pfarrhaus wurde 1864 erbaut.
Das Kirchenfest von Windisch-Kamnitz fand am Tage des Kirchenpatrons St. Wenzel (28. September) statt. Ein Gelöbnistag war seit 1810 wegen Abwendung der Roten Ruhr der 31. Juli, St. Ignatius.
Bittprozessionen gab es zu verschiedenen Anlässen. Feldkapellen: Winzns Kapelle, Schiffner’schen Kapelle.
Wegekreuze: zahlreich vorhanden, beispielsweise: Schenkns Kreuz, das Kreuz in Füllerhansls Grund, Riedels Kreuz, Wetschns Kreuz, Bratjanzns Kreuz, Woanaschneiders Kreuz, Davidmüllers Kreuz, Bienerts Kreuz, Kreuz beim Schulstein, in Uhmanns Gründlich, im Wurzgraben, beim Elternstein- Muttergottesbilder: bei Nr. 50, Hickisch Heinrich, und an Mildners Haus (Nr. 151). – Im Betgraben ein Bild am Felsen mit Jahreszahl 1710 „Abschied vom Betgraben“ (Gründel auf dem Weg nach Böhmisch-Kamnitz); hier trafen sich heimlich die Protestanten zu Gottesdiensten. Eingemeißeltes Bild „HL. Dreifaltigkeit“ von 1701 in einer Steinwand unterhalb des Friedhofes.
Der Friedhof von Windisch-Kamnitz liegt unweit der Pfarrkirche, etwa an der Stelle, wo sich das frühere Kirchlein befunden hatte; er war 1874 erweitert worden.

Schule

Über die Schule von Windisch-Kamnitz liegen erst seit 1833 Nachrichten vor (Lehrer Franz Schmidt), doch ist es so gut wie sicher, dass mindestens seit dem 18. Jahrhundert Schulunterricht erteilt wurde. Wahrscheinlich war dies auch schon zur Zeit des Bestehens der Altpfarrei vor dem Dreißigjährigen Kriege der Fall. – Die moderne gesetzliche Volksschule in Windisch-Kamnitz wurde Ende des 19. Jahrhunderts dreiklassig. Das Schulgebäude am Hange des Kirchberges besaß drei Lehrerwohnungen. Einige Häuser von Windisch-Kamnitz gehörten zum Schulsprengel Neu-Ohlisch. Vor der Erbauung des Schulhauses fand der Schulunterricht bei Tietzn-Nazn (später Gasthaus) statt. An frühere Zeiten erinnert die Bezeichnung „Alte Schule“ für das ehemalige Kleinpeter‘sche Gasthaus. – Allen Kindern wurde eine Schulspeisung gewährt.
Nach 1938 wurde in Windisch-Kamnitz eine landwirtschaftliche Berufsschule eingerichtet.

Verwaltung

Über die alte Dorfgerichtsbarkeit in Windisch-Kamnitz sind kaum Nachrichten überliefert, doch ist sicher, dass hier ein altes Erbgericht bestand; 1488 war Bartil Weydel als Richter tätig. Wahrscheinlich befand sich dieses im Anwesen Nr. 46 („In der Schenke“), dessen Eigentümer den Hausnamen „Schenkbauer“ trugen; 1654 hatte ein Paul Kny die Schenke und Richterei inne. Für das 16. Jahrhundert ist ein Dorfkrug bezeugt.
Bürgermeister von Windisch-Kamnitz waren seit 1918: Franz Palme (Gastwirt), Franz A. Tietze, Kleinpeter Fr(Gastwirt und Bauer), Franz Adalbert Zekert (bei Zekermozn-Bauer), Wonka Richard (Bäcker). Bis in die 30er Jahre erfolgten die öffentlichen Bekanntmachungen mittels „Austragen von Gebotszetteln“ (Weitergabe von Haus zu Haus) und Feuermeldung durch Trompeten und Trommelsignale.
Elektrifizierung: Bereits vor dem Ersten Weltkrieg eingeführt. Stromerzeuger für die Lichtgenossenschaft: Holzwollfabrik W. Wagner (daher Spannung 250 Volt). Eigene Stromerzeugung Fa. David Liebisch und Fa. Josef Vater.

Kulturpflege und Vereinsleben

Vereine: Deutscher Turnverein seit 1910, Freiwillige Feuerwehr seit 1877, Gesangsverein seit etwa 1880, Kameradschaftsverein gedienter Soldaten, Gebirgsvereins für die Böhmische Schweiz seit 1882, Landw. Casino, Ortsgruppe des Arbeiter- und Radfahrvereins, des deutschen bienenwirtschaftlichen Zentralverbandes, des Deutschen Kulturverbandes, des katholischen Frauenbundes, Windisch-Kamnitzer Musikvereinigung, Kirchenchor, Theater-Dilettantenverein. Seitens des letzteren wurde 1925 eine Wald- und Felsenbühne errichtet, auf welcher Volksstücke aufgeführt wurden (z.B. „Herr der Berge“, „Die Hussiten vor Bensen“, „Hab‘ Sonne im Herzen“, „Die Försterchristel“. Gesangsvereinskonzerte und Theateraufführungen fanden auch im Saal des Gasthauses „Zum Rosenberg“ statt.
Brauchtum: Karsamstag und Ostersonntag großes Böllerschießen durch Osterschießgesellschaft am Wachstein und Kreuzstein, auf Storms Berg und auf der Sandleite. Bäumeschütteln durch die Bauern am Auferstehungstag. Osterreiten durch das Dorf, Feldmesse bei Davidsmüllers Kreuz (Dorfstraße). Die Windisch-Kamnitzer Musikvereinigung begleitet die Reiter und spielte dann bis zum hohen Sonntagvormittag am Wachstein und am Kreuzstein. Bauern und Geschäftsleute spendierten eine reiche Jause für die Böllerschützen und Musikanten.
Sonstiges: Als Gemeindebücherei stand die Schulbücherei zur Verfügung.

Sehenswertes 

Windisch-Kamnitz wies eine Reihe schöner alter Bauernhäuser im Fachwerk- und Umgebindebau auf, insbesondere die „Schenke“ (Nr. 46, die seit 1451 im Besitz der Familie Kny war und zwei alte Runde Butzenfensterscheiben mit der Jahreszahl 1605 hatte mit etwa 14 cm Durchmesser. Auf der einen Scheibe war ein Ritter auf einem Pferde dargestellt mit der Inschrift: „Martin Michael 1605“.
Diese Scheibe war mehrmals gebrochen und mit Blei wiederzusammengesetzt. Die zweite Scheibe zeigt die Abbildung des Kreuzes unweit der Schenke. Ringsherum der Spruch: „Christi Blut, mein Erbgut – Gott mit uns allen“, Jahreszahl 1605 (wahrscheinlich). Die Farben der Scheiben waren gelb, grün, rot und braun. Ferner das „Strombauer Gut“ (Nr. 109), seitdem 16. Jahrhundert im Besitz der Familie Strom.
Grundmühle (eines der drei Häuser): Im 16. Jahrhunderte urkundlich als „einschichtig gelegene Mahlmühle „erwähnt; war auch von Bedeutung für die Holzflößerei der Herrschaft Kamnitz (siehe auch Gemeinde Kamnitzleiten). Weiters die Schneidermühle. – Kriegerdenkmal für die Opfer des Ersten Weltkrieges.

Nachwort (Ausklang)

Die Kriegsverluste von Windisch-Kamnitz betrugen 52 Gefallene und Vermisste, dass sind 12,4% der männlichen Bevölkerung von 1939. Im Mai 1945 kam es in Windisch-Kamnitz zu russischen Tieffliegerangriffen und zu einer gewaltigen Explosion gelagerter Munition samt nachfolgenden Großbrand, der auch auf den Wald übergriff und mehrere Tage wütete. – Im Jahre 1959 befanden sich die ehemaligen Einwohner von Windisch-Kamnitz zu einem Drittel in der Bundesrepublik Deutschland, zu zwei Dritteln in der DDR und zu 5% im Ausland.
Nach dem tschechischen Gemeindeverzeichnis von 1965 hatte die Gemeinde Srbska Kamenice (deutsch Windisch-Kamnitz) im Jahre 1961 329 Bewohner und 88 bewohnte Häuser gegenüber 887 Einwohnern und 212 Häusern im Jahre 1939.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam Windisch Kamnitz zur Tschechoslowakei zurück. Die deutschen Bewohner wurden bis 1946 vertrieben und der Ort erhielt den Namen Srbská Kamenice (deutsch Windisch Kamnitz)

Heute

Srbská Kamenice (deutsch Windisch Kamnitz) ist eine Gemeinde in Tschechien. Sie liegt fünf Kilometer nordwestlich von Česká Kamenice und gehört zum Okres Děčín.

Nachbarorte sind Vysoká Lípa und Na im Norden, Všemily im Nordosten, Lipnice, Kunratice und Pekelský Důl im Osten, Filipov und Janská im Südosten, Lužná und Stará Oleška im Süden, Nová Oleška im Südwesten sowie Růžová und Kamenická Stráň im Nordwesten.

Tetschen-Bodenbach – Heimatverband Kreis Tetschen-Bodenbach“ (Hrsg.) „Heimatkreis Tetschen-Bodenbach. Ein Buch der Erinnerung“ – 1969
Alfred Herr – Heimatkreis Tetschen-Bodenbach: Städte und Gemeinden“ – Heimatverband Kreis Tetschen-Bodenbach e.V.“ 1977 – S.714-721

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