Niedergrund

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  • Beitrag zuletzt geändert am:13. Januar 2025
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Geschichte

Die Gemeinde Niedergrund umfaßte auch die Ortsteile Katharinental und Lichtenhain.
Dieser 407 m Seehöhe beiderseits der Bezirksstraße von Warnsdorf nach St. Georgental, Obergrund und Teichstatt gelegene Ort hatte 1939  3317 Einwohner mit 1205 Familien und 542 Häuser. Sowohl Niedergrund als auch das nach Westen angrenzende Obergrund, beide zu beiden Seiten des Lasurbaches gelegen, waren typische Waldhufendörfer und dürften nach Eigennamen, wohl der Gründer, Vogtsdorf oder Voitsdorf bzw. Bernsdorf. Da die alte für Obergrund und Niedergrund zuständige Pfarrei im Register der Diözese Leitmeritz als „Grund bei Warnsdorf „ bezeichnet wurde, kann daraus geschlossen werden, das die über mehrere Kilometer langgezogene Siedlung am Lausurbach lange Zeit einfach „Grund“ hieß und sich erst mit fortschreitender Ausdehnung in Obergrund und Niedergrund teilte und so daraus zwei Gemeinden wurden. Der Ort Katharinental ist 1709 entstanden, Lichtenhain 1734.

Es waren landwirtschaftliche Siedlungen im Bereich der Herrschaft Tollenstein und Rumburg. Aus einem Besitzurbar vom Jahre 1581 erfahren wir, dass in den Dörfern Niedergrund und Obergrund, einschließlich Tollenstein, insgesamt 48 Bauern-, 67 Gärtner- und 50 Auhäuslerfamilien angesiedelt waren. Im josefinischen Kataster von 1785 sind für diese Orte einschließlich der Randorte bereits die Häuserzahlen angegeben: Niedergrund 226, Obergrund 202, Tollenstein 84. Die größte Zunahme der Häuser und Einwohner erfolgte natürlich im 19. Jahrhundert, wobei sich der Höchstand an Einwohnern wie im übrigen Niederland in den Jahren 1880-1914 zeigte. 1910 hatte Niedergrund 452 Häuser.

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Die Einwohner des ganzen Lausurtales waren noch, stark in der Landwirtschaft, aber ebenso in der Industrie beschäftigt, wobei viele Pendler in der Bezirksstadt Warnsdorf Arbeit fanden. Aber auch in den beiden Orten Niedergrund und Obergrund befanden sich mittelgroße Fabriken und Betriebe. So zählte man im Jahre 1900 in Niedergrund 6 Fabriken, deren größte die Samtfabrik Ignaz Richter und Söhne war. Trotz dieser Fabriken behielt der Ort seinen ländlichen Charakter. Durch die vorhandene Wasserkraft des jetzigen Lausurbaches entstanden früh drei herrschaftliche Mühlen und später weitere private Mühlen. Deshalb besaß Niedergrund bis in die jüngste Zeit zahlreiche Mühlen: Eine Mahlmühle, die sogenannte herrschaftliche Mühle I Papierfabrik Wähner, die herrschaftliche Mühle Heynemühle und die ehemals herrschaftliche Walkmühle, später in eine Öl- und Graupen- und Mahlmühle umgestaltet, weiter die Grohmannsche Feldmühle, Eigentum der Firma Wilhelm Braß und Söhne, die Brettmühle Heinrich Schober. Die Heyne-Mühle und die Brettmühle waren schon im 18. Jahrhundert in ein Sägewerk umgewandelt worden. Die Umstellung der Mühlen auf die Industrie beweist, dass sich die Industrie schon frühzeitig zu entwickeln begann. So wurde im Jahre 1816 die Firma Ignaz Richter und Söhne, das bedeutendste Unternehmen im Ort, gegründet, die bis zu 1000 Arbeitern beschäftigte. Später folgten die Papier- und Pappenfabrik Anton Wähner, die Zwirnerei und Buntfäberei Wilhelm Braß und Söhne (seit 1871) mit 350 Arbeitern, die Lederfabrik Heinrich Uhmann und Sohn, mechanische Weberei Julius Schlesinger und verschiedene kleinere Betriebe, die Niedergrund insgesamt in steigendem Maße zu einer Industriegemeinde entwickelten. 50 % der Bevölkerung waren Industriearbeiter, 10 % in der Landwirtschaft und15 %% bei den heimischen Gewerbebetrieben und als Angestellte tätig. Die Betriebe waren alle gut beschäftigt.

Gerade die Firma Braß und Söhne entwickelte sich zusammen mit ihrer Stammfabrik in Hohenstadt und mehreren Zweigbetrieben in anderen Städten zu einem der größten Zwirnerei- und Färbereibetriebe des Sudetenlandes.
Zum Stand von 1938/38 gab es im Ort: 1 Teigmaschienenfabrik, 1 Färberei, Glassteinschleiferei, 1 Samtfabrik, 1 Pappefabrik, 1 weitere Pappenerzeugung, 1 Kunstseidenzwirnerei, 2 weitere Lohnzwirnerein, 2 mechanische Webereien, 1 Stärkefabrik, eine Seifenfabrik, ein Hobelwerk, daneben natürlich zahlreiche kleinere Betriebe der Produktion, des Handels und der Versorgung, z.B. 21 Gaststätten. Die Gemeinde unterhielt ein Wasserwerk und einen eigenen Friedhof.

Die Häuser des Ortes befanden sich durchweg beiderseits der schon erwähnten Bezirksstraße und der gleichlaufenden Eisenbahnlinie WarnsdorfTeichstattBodenbach (oder Rumburg). Es waren 2 Stadion vorhanden: Niedergrund und Grund-Georgental. Die landwirtschaftlich genutzten Flächen schlossen sich beiderseits des Baches an den sanften Hängen bis zur Waldgrenze an. Die Grenze zwischen Niedergrund und Obergrund lag in der Talmitte bei der gemeinsamen katholischen Kirche. Das Lausurtal aber wird neben der Kirche durchquert von der Staatsstraße Prag-Bömisch Leipa-Rumburg, an der im anschließenden Tale der zu Tollenstein gehörende kleine Ort Innozenzidorf (auch Buschdörfel genannt) liegt. Diese Straße führte südlich über den 650 m hohen Schöbersattel, nach dem die von den Tschechen errichtete und im Jahre 1938 bekannt gewordenen Bunker befestigte Schöberlinie benannt war. Niedergrund hatte eine sechsklassige Volksschule und seit 1904 eine fünfklassige Bürgerschule (gemischt). Zu den ältesten Objekten im Ort gehörte zweifellos die Kirche. Zuerst bestand eine schon seit 1363 nachgewiesene Holzkirche, die 1411 durch eine gemauerte ersetzt wurde. Die heutige Kirche wurde im Neubau 1721 begonnen und 1734 beendet, der Turm erst 1756 errichtet.

Die älteste Siedlung Vogtsdorf (Voitsdorf), nämlich das spätere Niedergrund, gehörte zum Erzbistum Prag. Wie gesagt , war die Pfarrei in der Diözese Leitmeritz eingetragen als Pfarrei „Grund bei Warnsdorf ‚mit dem Vermerk „alte Pfarrei, errichtet in einem unbekannten Jahr, übertragen nach St. Georgental 1611, wiedererrichtet 1760‘. Es war also in der Nachzeit der Reformation die Pfarrei in der Pfarrei des größten Städtchens St. Georgental einverleibt worden. Durch diese Zurückstellung und durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges hat die Kirche zu Niedergrund sehr gelitten. Sogar die neu erbaute und 1734 eingeweihte Kirche unterstand zunächst noch St. Georgental. Erst 1760 gelang es den Einwohnern des Ortes, wieder eine eigene Pfarrei zu erhalten. Es war die Pfarrkirche zur Heiligen Katharina. Die Matriken wurden hier seit 1784 geführt. Zur Seelsorge gehörten Niedergrund mit der Pfarrkirche, Katharinenthal, Lichtenhain, Obergrund, Lichtenberg, Lichtenstein, Sofienhain, Kreibitz-Neudörfel. Die kirchliche Zählung ergab 1940: 2163 Katholiken, 396 Altkatholiken, 160 Evangelische, 114 Konfessionslose, 1 Griechisch-Katholischer. In Niedergrund hatte sich der Fremdenverkehr in den dreißiger Jahren bis zum letzten Kriege bedeutend entwickelt.

1938 – Oktober, Lasurbrücken gesprengt

Die gesprengten Brücken im Lausurtal werden in Beton erneuert. In den Nächten zum 23. Und 24. September 1938 sprengten die Tschechen im Lausurtale in Nieder- und Obergrund auf einer Strecke von 1,5 Kilometer vier große Straßenbrücken, u. zw. drei im Zuge der Straße von Warnsdorf nach Obergrund – Kreibitz und eine im Zuge der Staatsstraße Dresden-Rumburg-Prag.

Zugleich wurden zwei Brücken in Niedergrund in die Luft gesprengt, sowie zwei Brücken in Obergrund. Als am 2.Oktober die deutschen Truppen einmarschierten, wurden sofort Behelfsbrücken hergerichtet. Besonders schön wurde die „Stiefelbrücke“ oder Pionierbrücke in Niedergrund gebaut, die ihren Namen von einem Stiefelknecht erhielten, den der Soldatenhumor bei der Eröffnung aufgestellt hatte. Diese Brücken sind bisher alle aus Holznotbrücken stehen geblieben. Nunmehr wird die Straßenbauverwaltung in Tetschen die vier Lausurbrücken als Neubau in Beton in Angriff nehmen.[1]

Heute


Aber nach der Vertreibung der deutschen Einwohner in den Jahren 1945-46 fiel die Einwohnerzahl erheblich. Noch nach dem Zweiten Weltkriege hatte die Gemeinde den aus dem Deutschen entlehnten Namen Dolní Grunt, der erst 1947 durch den Namen Dolní Podluží ersetzt wurde. Später wurde sie noch mit Horní Podluží vereint, aber seit 1990 sind die beiden Gemeinden wieder selbständig. Heute leben in Dolní Podluží über 1100 Einwohner.

Die Gemeinde Dolní Podluží besteht aus den Ortsteilen Dolní Podluží (deutsch Niedergrund), Kateřina (deutsch Katharinenthal) und Světliny 2.díl (deutsch Lichtenhain)

2021 – Der Schmerz des Textilfabrikanten

Ein kleines böhmisches Dorf neben Großschönau entdeckt das Werk eines bekannten Architekten, das er im Auftrag eines Deutschen anfertigte – sein einziges in Tschechien.
Bis zu diesem 27. April 1893 hatte Gustav Brass das Glück auf seiner Seite. Der Spross eines Textilfabrikanten aus dem mährischen Zábřeh hatte alles richtig gemacht. Mit gerade einmal 20 Jahren war er weit weg nach Nordböhmen in das Dörfchen Niedergrund (heute Dolní Podluží) gezogen und hatte dort eine Zwirnfabrik und eine Färberei aufgebaut.
Spätestens nachdem er die Tochter des hiesigen Fabrikanten Anton Richter geheiratet hatte, war er in dem Dorf an der Grenze des damaligen Österreich-Ungarn zu Sachsen heimisch geworden. Berta Elisabeth gebar ihm 1875 den Sohn Paul und später noch zwei Töchter. Schon früh war für die Unternehmensnachfolge gesorgt. Paul besuchte das Gymnasium in der Bischofsstadt Litoměřice (Leitmeritz). Doch zu einer Rückkehr sollte es nicht mehr kommen. An jenem Tag im April verstarb der einzige Sohn, noch nicht mal 18-jährig.
Es sind diese Geschichten, an deren Bewahrung Lukáš Janků gelegen ist. Dem Mitarbeiter in der Gemeindeverwaltung von Dolní Podluží, einem Nachbarort des Großschönauer Ortsteils Herrenwalde, ist an der deutsch geprägten Geschichte des Ortes sehr gelegen. „Wir haben dieses Erbe bisher nicht angemessen gewürdigt“, sagt er. Er spricht von der Vertreibung der ursprünglichen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals lebten in dem hoch industrialisierten Ort mehr als 3.000 Menschen. Heute ist es nur etwas mehr als die Hälfte und von Industrie ist nicht mehr viel zu sehen.

Aber das Erbe und dessen Pflege könnte, nach Meinung der Gemeinde zumindest einen anderen Wirtschaftszweig ankurbeln: den Tourismus. Seit genau einem Jahr ist Dolní Podluží nämlich um ein denkmalgeschütztes Gebäude reicher. Es handelt sich um die Gruft der Familie Brass. Wenn Trauerschmerz in Geld umzurechnen ginge, wäre dieser wuchtige neogotische Bau auf dem Friedhof oberhalb der Gemeinde das Ergebnis. Gustav Brass ließ die Gruft für seinen Sohn bauen und beauftragte damit nicht irgendeinen Architekten, sondern mit Victor Luntz gleich mal einen der führenden aus der Reichshauptstadt Wien. Diese Information ist aber relativ neu und brachte entscheidende Bewegung in die Rettung der Gruft. „Die Gemeinde bemühte sich schon lange um eine Sanierung. Doch über Notreparaturen kam man nicht hinaus“, erzählt Janků. Es fehlte wie so oft das Geld. Alles änderte sich mit seinem Dienstantritt im Herbst 2018. Janků lebt eigentlich in Nový Bor (Haida). Dort hatte er eine ähnliche Tätigkeit und brachte Erfahrung in Verwaltung, Mittelbeschaffung und im Umgang mit historischen Baudenkmälern mit.
Das und sein ausgeprägtes Interesse für die deutsch geprägte Vergangenheit waren ein Glücksfall für das Dorf an der Lausur (Lužnička), wo er sich auf der Suche nach einer neuen Herausforderung bewarb. Denn so ein Mann findet, was er sucht. „In unserem Archiv stieß ich auf Luntz als Architekten. Damit stieg die Bedeutung der Gruft und wir hatten gute Chancen, sie unter Denkmalschutz zu stellen“, erzählt Janků. „Bei der Gruft handelt es sich um das einzige Werk von Luntz auf dem Gebiet des heutigen Tschechien“, nennt Tomáš Brož, Abteilungsleiter vom Denkmalamt in Ústí nad Labem (Aussig), den wichtigsten Grund für den Denkmalschutz.

Er verweist auf einen ähnlichen Fall im nahen Krásná Lípa, wo der dortige Textilunternehmer Dittrich mit Julius Carl Raschdorff wiederum einen führenden preußischen Architekten für seine Familiengruft beauftragt hatte. „Das zeigt die einstige Bedeutung dieser Region, die damals keineswegs wie heute Peripherie war, sondern deren Unternehmer führende europäische Architekten unter Vertrag nahmen“, sagt Brož.

Brož höchst selbst hatte die Vorlage für den Denkmalschutz beim Kulturministerium eingereicht. Nach nicht einmal drei Monaten hatte die Gruft bereits den Titel. „Es gibt Gebäude, bei denen solche Verfahren Jahre in Anspruch nehmen. Hier half das vitale Interesse der Gemeinde“, erklärt der Denkmalschützer. Neben der Gruft an sich wurde auch ein Kronleuchter sowie der letzte verbliebene von drei Sarkophagen unter Schutz gestellt. Mit diesem Status steigen die Chancen, Fördermittel für den Erhalt zu bekommen.
Seitdem hat Dolní Podluží schon viel für die Rettung der Gruft getan. Mit Unterstützung des deutsch-tschechischen Zukunftsfonds wurden die mit Eisen beschlagenen Türen, das Portal und die Bleiglasfenster restauriert. „Die nächsten Schritte sind die Restaurierung des Daches in diesem Jahr und später der Fassade. Dann kommen der Innenraum mit Sarkophag und der Kronleuchter dran“, schildert Janků den weiteren Plan. Insgesamt wird die Restaurierung umgerechnet über 170.000 Euro kosten.
Janků lässt den Blick über den Friedhof von Dolní Podluží streifen. Dort befinden sich noch viele Gräber mit deutscher Aufschrift, darunter mehrere Kriegsgräber und zwei weitere Grüfte. Zählt er die Wegkreuze und weiteren steinernen Zeugen auf dem Gemeindegebiet hinzu, kommt er zu einem einfachen Schluss: „Um die Schuld an dem historischen Erbe gutzumachen, bleibt noch viel zu tun“, sagt er. © Steffen Neumann SZ-Sebnitz

Niederlandhefte -Schriftenreihe des Bundes der Niederländer“ Wilhelm Pfeifer S.85/86 – HEFT 9 – 1977
Geschichte des Niederlandes“ Karl Richter 1960
Heimatkunde des politischen Bezirkes Rumburg“ Anton Hockauf 1885
Die deutschen Heimatführer“ Band 17/18 Sudetenland – Druck 1939

„Gablonzer Tagblatt“ 23.7.1939 [1]

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