Deutschböhmen
Die Begriffe „Sudetendeutsche“ und „Sudetenland“ entstanden um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Man bezeichnet seit damals damit die Altösterreicher deutscher Muttersprache und deren Siedlungsgebiete innerhalb der sogenannten „Länder der Böhmischen Krone“, Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien, die seit 1526 Teil des Habsburgerreiches waren. Namensgebend war der Mittelgebirgszug der Sudeten, der sich zwischen Schlesien, Böhmen und Mähren erstreckt.
Die sudetendeutschen Heimatlandschaften gliedern sich in den Böhmerwald, das Egerland, das Erzgebirge-Saazerland, das Mittelgebirge, das Elbetal, das Polzen-Neisse-Niederland, das Riesengebirge, das Adlergebirge, den Altvater, das Kuhländchen, das Beskidenland, Südmähren und die Sprachinseln Schönhengstgau, Iglau, Brünn, Wischau und Olmütz.
Österreichisch-
Durch die Vertreibung und ihre Folgen entstand dem Land, seiner Kultur und auch der Wirtschaft ein Schaden, der nur schwer wieder zu beheben sein wird. Ganze Landstriche haben ihre Struktur und ihr ehemaliges Gesicht verloren, über 1.400 Orte und Gemeinden existieren nicht mehr, weil die vertriebene Bevölkerung durch landfremde – und daher kein ausgeprägtes Heimatbewusstsein besitzende – Personen nicht ersetzt werden konnte.
Die historische Entwicklung Böhmens, Mährens und Schlesiens erfolgte bis weit in die Neuzeit hinein als Teil der Geschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
- 7. Jahrhundert – siedelnde deutsche Stämme
- 10. Jahrhundert – deutsche Bauern (Im Jahre 1084 durch Wipprecht von Groitzsch)
- 12. Jahrhundert – deutsche Siedler (durch König Přemysl Ottokar I.)
- 13. Jahrhundert – Kolonisierung durch deutsche Bergleute und Handwerker
- 14. Jahrhundert – Hussitenkriege 1419 bis 1436 (ausgehend vom Gebiet des Königreichs Böhmen)
- 17. Jahrhundert – theresianisch-josephinischen Reformen (Kaiser Joseph II und Maria Theresia)
- 18. Jahrhundert – Deutsch-Tschechen Volksversammlung (1848 Volkserhebung in Europa)
- 19. Jahrhundert – deutsche Industrie Wirtschaft
Freiwillig und friedlich erfolgte die Ansiedlung der Deutschen in den Sudetenländern, die ihren Höhepunkt unter Premysl Ottokar II., böhmischer König von 1253 bis 1278, Gründer der Stadt Zittau, erreichte.
Das Gebiet war mit Ausnahme der etwa ein Jahrhundert dauernde Reformationszeit katholisch und die Flurdenkmäler aus der Zeit vor 1845 sind mit diesem Glauben und dem Deutschtum verknüpft.
Eine Fülle von Städtegründungen war die wesentlichste Voraussetzung für die wirtschaftliche Blüte im Spätmittelalter.
Der neuerliche Wirtschaftsaufschwung unter Karl IV. verstärkte den Einfluß der deutschen Bewohner der böhmischen Länder, während die Tschechen nicht im gleichen Ausmaß Anteil am relativen Wohlstand dieser Zeit hatten.
František Palacký
März 1848 Schreiben an die Deutsche Nationalversannlung zu Frankfurt
„Kein Volk auf Erden ist berechtigt, zu seinen Gunsten von seinen Nachbarn die Aufopferung seiner selbst zu fordern, keiner ist verpflichtet, sich zum Besten des Nachbarn zu verleugnen oder aufzuopfern. Die Natur kennt keine herrschenden, sowie keine dienstbaren Völker. Soll das Band, welches mehrere Völker zu einem politischen Ganzen verbinden, fest und dauerhaft sein, so darf keiner einen Grund zu der Befürchtung haben, dass er durch die Vereinigung eines seiner teuersten Güter einbüßen werde, im Gegenteil muß jeder die sichere Hoffnung hegen, bei der Zentralgewalt gegen allfällige Übergriffe der Nachbar Schutz und Schirm zu finden; dann wird man sich auch beeilen, die Zentralgewalt mit so viel Macht auszustatten. das sie einen solchen Schutz wirksam leisten könne.“
Die Niederschlagung des Prager Aufstandes vom Juni 1848 verhinderte zwar die Verwirklichung dieser Forderung, sie bestand aber bis zum Ende des Habsburgerreiches weiter und förderte die „Begründung der Tschechoslowakei“. Die Unfähigkeit der österreichischen Politik, einen Ausgleich zwischen den Wünschen der Tschechen und Deutschen zu finden, trug wesentlich zum Untergang Österreich-Ungarns bei. Es war die Folgenschwere Vorwegnahme der deutschen Teilung von 1866, aber auch der Teilung von 1919 und noch der von 1945.
Resolution der deutschen Städte und Gemeinden
August 1848 zu Teplitz
1. Die deutsche redende Bevölkerung in Böhmen lehnt unbedingt jede Verschmelzung mit den Tschechen in der Provinzialvertetung und Verwaltung ab.
2. Wir verlangen für die im Reichstag vertretenen Provinzen Österreichs die Aufhebung der Provinzialgrenzen, Aufhebung der Provinzialgubernien und der Provinziallandtage.
3. Wir verlangen a) eine möglichst freie, auf Selbstverwaltung gegründete Gemeindeverfassung, mit Gemeindenräten aus direkten Wahlen, b) die Einteilung der auf dem Reichstag vertretenen Provinzen in Reichskreise auf Grundlage der Sprachgrenzen, mit dem Ministerium unmittelbar unterstehenden Kreishauptleuten, an deren Seite von den Gemeinden gewählte Kreisräte stehen.
Masaryk-Benesch-Regierung
Die Masaryk-Benesch-Regierung ließ im Spätherbst 1918 die sudetendeutschen Gebiete überfallartig besetzen und der NEU gegründeten ČSR einzuverleiben, obwohl die Sudetendeutschen sich für den Anschluß ihrer Siedlungsgebiete an Österreich ausgesprochen hatten. Als die Wiener Regierung gegen diese Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes durch die Tschechen am 13. Dezember 1918 bei den Siegern des Ersten Weltkriegs Protest einlegte und eine umgehende Räumung des Sudetenlandes verlangte, erbat die Prager Regierung am 20. Dezember 1918 bei eben diesen Mächten (Frankreich, England, Italien und den USA) die nachträgliche Billigung der eigenmächtigen und rechtswidrigen Besetzung der sudetendeutschen Gebiete.
Der 1918 neugegründete erste tschechoslowakische Staat, ein Produkt des zerfallenen Ostereich-Ungarn, blieb wie die Doppelmonarchie ein Vielvölkerstaat mit nationalen Gegensätzen. In dem jungen Staat lebten sieben Millionen Tschechen, drei Millionen Deutsche, zwei Millionen Slowaken ebenso Ungarn, Ukrainer und Polen. Die Zahlen zeigen, dass der Name des Staates eine Lüge war.
Am 12. Februar 1919 schrieb in der Neuen Züricher Zeitung Dr. Friedrich Herz folgenden Beitrag über die Krise des Selbstbestimmungsrechtes der Völker Europas:
„Historische Rechte, natürliche Grenzen, strategische Sicherung, wirtschaftliche Notwendigkeit – kurz alle die altbekannten Vorwände der Vergewaltigung – tauchen wieder auf. Werden die Vertreter der Alliierten, die jetzt in geheimer Verhandlung des künftigen Europas unter sich beraten, diesen Einflüssen erliegen? Wird die Friedenskonferenz vor vollzogene Tatsachen gestellt werden, die unerbittlich wieder Krieg, Haß und Zerrüttung nach sich ziehen müssen? Von allen Streitigkeiten dieser Art soll hier nur die größte besprochen werden, deren Gefährlichkeit leider nicht gehörig gewürdigt wird, nämlich das deutsch-tschechische Problem. Es handelt sich hierbei um eine deutsche Bevölkerung, die 1910 3,3 Millionen Köpfe zählte, also beinah so viel wie die ganze Schweiz. Hiervon leben 3,2 Millionen in vier geschlossenen Siedlungsgebieten, die unmittelbar an Deutschland oder an Deutschösterreich grenzen, also nicht etwa in Sprachinseln!.„
Als die Sudetendeutschen am 4. März 1919 in friedlichen Kundgebungen für ihr Selbstbestimmungsrecht, gegen die zwangsweise Einverleibung in den neuen tschechoslowakischen Staat und für das Verbleiben bei der Republik Deutsch-Österreich demonstrierten, schoss tschechisches Militär auf sie. 54 Tote und hunderte Verwundete wurden auf diese Weise die ersten Blutzeugen des Ringens der Sudetendeutschen um ihr Selbstbestimmungsrecht und ihren Verbleib bei Österreich.
Am 7.März 1919 schrieb man dazu in der Neuen Züricher Zeitung:
„Die Ereignisse in Deutschböhmen und die Akte tschechischer Brutalität gegen deutsch-böhmische Menschen erregen die größte Erbitterung. Es ist zweifellos, dass die tschechische Regierung beabsichtigt, die Betätigung ihrer Gewalt und Schreckensherrschaft auf das äußerste zu treiben, und vor der Anwendung schlimmster Gewaltmittel nicht zurückschreckt. Die Wirkung dieser unbeschreiblichen Gewalttaten kann selbstverständlich nur die sein, dass sich das Verhältnis zwischen Deutschböhmen und der tschechischen Regierung unversöhnlich gestaltet, und dass seit den Schießereien jede Möglichkeit einer Verständigung ausgeschlossen erscheint. Die Erbitterung in Deutschböhmen hat nicht nur die bürgerliche Bevölkerung, sondern auch alle sozialdemokratischen Arbeiterkreise ergriffen und wird nach diesem Blutvergießen niemals wieder schwinden. Es ist ausgeschlossen, dass sich nun Deutschböhmen unter das tschechische Joch fügen wird, und die tschechische Regierung irrt, wenn sie glaubt, den Widerstand der dreieinhalb Millionen Deutschböhmen mit terroristischen Mitteln unterdrücken zu können. Trotzdem scheint man in Prag dazu entschlossen, den Weg zur äußersten Gewalt zur Unterjochung der dreieinhalb Millionen Deutschböhmen weiter zu beschreiten.„
Der Friedensvertrag von St. Germain vom 10. September 1919 sanktionierte das Unrecht der Einverleibung sudetendeutscher Gebiete in die Tschechoslowakei.
„Am 15. September 1919 spricht Hans Knirsch beim 1. Parteitag der Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei (DNSAP) in Dux zum neuen Staat, „Wir, die anderen rechtlosen Völker dieses Staates, seit seinem Bestand zu ihrem Mutterland und die zu völkischen Bewußtsein erwachten Slowaken zu staatlichem Eigendasein streben werden, so auch wir zu unseren Brüdern und Schwestern im Reiche, mit denen wir durch die Bande des Blutes, der Geschichte, des Geistes und der Kultur untrennbar verbunden bleiben!“ „Mit diesem Glaubensbekenntnis im Herzen stellen wir uns auf dem Boden des Staates, dem wir gewaltsam einverleibt wurden. Nie war das deutsche Volk größer als in den Tagen seiner dieser Erniedrigung. Sie ist uns im Wellengang unserer zweitausendjährigen Geschichte nie erspart geblieben. Wir Sudetendeutschen denken heute an die Prüfungszeit unserer Väter auf diesem Boden, da der Husitensturm über die Heimat dahinbrauste und rauchende Trümmerstätten deutscher Kultur hinterließ. Auch diese Periode ward überwunden. Geht heute wieder eine Sturmflut über unser Land, nun, es ist nicht die erste und wird nicht die letzte sein. Unbesiegbar lebt in uns der Glaube, dass die Weltgeschichte nicht am Ende ist und für die ganze deutsche Nation der Tag ihrer Freiheit und Einheit kommen muß.„
„Die Gesellschaft wird ihre humanitären Ziele nicht erreichen, solange sie im Namen der Menschlichkeit sich der Unmenschlichkeit bedienen wird. Das ist das ganze Geheimnis einer sozialen Reform.“ Th.G.Masaryk-1922
„Wir fordern als untrennbarer Stamm der deutschen Nation und mit dieser in natürlichen Zusammenhangstehende, das volle Selbstbestimmungsrecht als einzig mögliche Grundlage friedlicher Entwicklung und kultureller Wohlfahrt. Daher bestehen wir in diesem Zwangsstaat auf unsere offenen und restlosen Anerkennung als selbständiges Volk auf freiem Heimatboden.“
Kampf in Böhmen, Hans Krebs 1936 – S.122/123
Eine auf die Entnationalisierung des Sudetendeutschtums gerichtete Regierungspolitik unter Edvard Beneš ließ die Spannungen in den folgenden 20 Jahren fast unerträglich werden und trieb die Sudetendeutschen in späterer Folge in die Arme Adolf Hitlers. Die Sprachenverordnung 1928 führte zur Entlassung von 40 bis 70 Prozent der Sudetendeutschen aus Post, Polizei, Bahn, Heer und öffentlicher Verwaltung.
Diese Bereiche wurden nun mit Tschechen besetzt, die dazu im deutschen Sprachgebiet neu angesiedelt wurden. Die Wirtschaftskrise, die gezielte Benachteiligung bei der staatlichen Auftragsvergabe und weitere tschechische Schikanen leiteten eine Radikalisierung ein, die nicht mehr zu bremsen war und es Hitler ermöglichte, sich als großen Retter aus dieser scheinbar ausweglosen Situation zu präsentieren.
sudetendeutscher freiwilliger Arbeitsdienst
Das ungeheuere Anwachsen der Arbeitslosigkeit und die sich daraus ergebenden sozialen und wirtschaftlichen Folgen rechtfertigen die Einrichtung des sudetendeutschen freiwilligen Arbeitsdienstes, und galt als soziale Hilfsmaßnahme, den jugendlichen Arbeitslosen die Existenz zu sichern, wie moralischen Halt zu geben.
Im Mai 1938 kommt es zur Mobilmachung der tschechischen Einheiten um das nordböhmische Grenzgebiet entlang der Schöberlinie zu sichern.
Am 16. September 1938 suchen der Vorsitzende der sudetendeutschen Partei, Konrad Henlein, und sein Stellvertreter, Karl Hermann Frank, den deutschen Reichskanzler Adolf Hitler auf und baten um die Genehmigung zur Aufstellung eines Freikorps aus Sudetendeutschen. Hitler erkannte sofort, dass sich mithilfe bewaffneter sudetendeutscher Einheiten der Schutz der Sudetendeutschen vor tschechischen Übergriffen-die ständig zunahmen-verbessern ließ, und erteilte deshalb am 17. September den Befehl zur Aufstellung des Sudetendeutschen Freikorps.
Reichsgau Sudetenland
Der Reichsgau Sudetenland (tschechisch Říšská župa Sudety) oder verkürzt Sudetengau (tschech. Sudetská župa) wurde aus dem größten Teil der im Oktober 1938 einverleibten Gebiete der Tschechoslowakei gebildet und bestand im Deutschen Reich von 1939 bis 1945. An der Spitze der Verwaltung des Territoriums stand der Reichsstatthalter Konrad Henlein.
Auf dem Höhepunkt der damaligen Sudetenkrise forderten Empfahlen ( Münchner Abkommen) und erreichten England, Frankreich und Italien 1938 von der Tschechoslowakei die Abtretung der Sudetengebiete an das Deutsche Reich, das damals bereits Österreich okkupierte. Die Abtretung entsprach dem Vorschlag des damaligen Vermittlers im Nationalitätenstreit, des britischen Lords Walter Runciman, und wurde am 21.9.1938 von der ČSR widerwillig akzeptiert. Das folgende „Münchner Abkommen“ regelte als scheinbare späte Erfüllung des Selbstbestimmungsrechtes nur die Durchführungsbestimmungen.
Im Zeitraum vom 1. bis 10. Oktober 1938 wurden die Grenzregionen der Tschechoslowakei, das sogenannte Sudetenland besetzt, von Einheiten der deutschen Wehrmacht, mit nachfolgenden Einheiten der Schutzpolizei.
Dem anfänglichen Jubel der Befreiung vom tschechischen Joch folgte schrittweise eine Ernüchterung, die ihren Höhepunkt am 15.3.1939 erreichte, als deutsche Truppen die tschechischen Gebiete besetzten. Der Reichsgau Sudetenland war in die Regierungsbezirke Eger, Aussig und Troppau unterteilt und umfaßte im Oktober 1938 22.608 km², im Dezember desselben Jahres infolge weiterer Gebietskorrekturen 29.140 km².
Das Kriegsende im böhmischen Niederland
Um einer drohenden Einkesselung zu entgehen, zog sich die deutsche 17. Armee zwischen Reichenberg und Gablonz an der Neiße auf das Lausitzer Gebirge zurück. Das Kriegsende erlebte die 72. Infanteriedivision in der Lausitz und im Erzgebirge, Teile der Division wurden bis nach Dresden abgedrängt. Eine letzte Kampfgruppe kam bis Tetschen und Leitmeritz. Dadurch wurden die Hauptkräfte der deutschen 4. Panzer- und 17. Armee im Raum nördlich und östlich von Prag an der oberen Elbe bis Pardubitz eingeschlossen.
Mit der Wiederherstellung des Staatsgebietes der Tschechoslowakei nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs endete die Geschichte des Reichsgaues Sudetenland.
Die Vertreibung
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde in London unter der Führung von Edvard Beneš zuerst ein tschechoslowakisches Nationalkomitee und im Juli 1940 eine provisorische Regierung gebildet. In der Folge erklärte die britische Regierung mehrmals das Münchner Abkommen für null und nichtig. Beneš rühmte sich in seinen Memoiren, dass er den Vertreibungsplan bereits vor dem Krieg gefaßt habe. 1941 sprach er sich schließlich öffentlich für eine Umsiedlung der Deutschen aus einer künftigen Tschechoslowakei aus. 1943 stimmten zuerst die Sowjetunion und anschließend der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt diesem Plan zu. Nun wurden die ersten Vorbereitungen für den „Transfer“ der Sudetendeutschen – ein Begriff, der erstmals vom sowjetischen Außenminister Molotow 1942 verwendet wurde – getroffen.
Nach Kriegsende gab als erster der stellvertretende tschechische Ministerpräsident Klement Gottwald am 11. Mai 1945 eine öffentliche Erklärung bezüglich des „Abschubes“ der Deutschen ab und Beneš verkündete einige Tage später: „Unser Wahlspruch wird sein, dass wir unser Land von allem Deutschen kulturell, wirtschaftlich und politisch reinigen müssen.“ In einer Reihe von Dekreten wurden die Deutschen entrechtet, ihr Vermögen als beschlagnahmt erklärt und die Vertreibung angeordnet.
Gleich nach der Kapitulation setzte die Verfolgung der Deutschen Bevölkerung in Ostpreußen und dem nordböhmischen Niederland ein. Unbeschreibliche Grausamkeiten wurden dabei begangen. Mehrere hunderttausend Sudetendeutsche starben während der Vertreibung an Hunger, Entkräftung und den Folgen von Mißhandlungen in den tschechischen Konzentrations-
Weißbuch böhmische Niederland – Die Vertreibung in Nordböhmen bis 1946
Bereits vom Mai 1945 bis Juli 1945 (die sogenannte „Wilde Vertreibung“) wurden Hunderttausende buchstäblich aus dem Lande gejagt, danach folgte die systematische ethnische Säuberung: Ort für Ort wurden alle deutschen Einwohner in Lagern konzentriert und von dort einem bis Ende 1946 nicht abreißenden Strom von Eisenbahntransporten in die Bundesrepublik Deutschland, Österreich und der Deutschen Demokratischen Republik abgeschoben. Bis auf einen kleinen Rest von etwa 200.000 Menschen, die als Berg- oder Facharbeiter, oder für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur in den von Sudetendeutschen bewohnten Gebieten unentbehrlich waren, mussten alle Deutschen ihre Heimat unter Zurücklassung ihres gesamten Besitzes und unter menschenunwürdigen Bedingungen verlassen.
Infolge des Zweiten Weltkrieges kam es hier zu einem fast vollkommenen Bevölkerungstausch. Die Deutschen nennen es Vertreibung, die Tschechen Abschiebung. Es kam nicht nur zum Wechsel des Ethnikums, die deutsche Bevölkerung wurde durch die tschechische ersetzt, auch der Glaube verlor hier seinen Boden. die neue Bevölkerung sprach eine andere Sprache, hatte andere Wurzeln und konnte sich natürlich nicht mit der Kultur der angestammten Bevölkerung identifizieren, zumal der Bevölkerungsaustausch binnen weniger Monate erfolgte. So wurden auch die Flurdenkmäler nicht angenommen. In den Nachkriegsjahren wurden viele absichtlich beschädigt oder zerstört, bestenfalls blieben sie ihrem Schicksal überlassen. Die dörflichen Siedlungen wurden nur unvollständig nach gesiedelt oder blieben entvölkert und wurden zum Teil abgerissen.
Die Liquidierung der kleinen Landwirtschaften und das Übersiedeln der Bevölkerung in die Städte wirkten sich ebenfalls negativ aus. Es kam zur Vernachlässigung der Landschaft als Ganzes, die nur mit den Folgen des Dreißigjährigen Krieges zu vergleichen ist.
1949 – Abriß ganzer Ortschaften
Tschechische Vernichtungsbrigaden beginnen, die sudetendeutschen Dörfer entlang der Grenzen zur Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik dem Erdboden gleichzumachen.
1950: Bis Ende 1950 waren 2.931.000 Deutsche aus ihrer Heimatgebieten geflohen und vertrieben wurden, von 1950 bis 1982 wurden weitere 93.514 ausgesiedelt.
In der Sowjetischen Besatzungszone lebten 1950: 916.000 Sudetendeutsche.
1951 – 1960: Großkommandos tschechischer Arbeitsbataillone verwüsten sudetendeutsche Dörfer in der „Toten Zone“, das Grenzland brennt. Die tschechoslowakisch-ostdeutsche Grenze wurde von Grenzwachen der ČSSR bewacht. Es verschwanden viele Straßen und Wege, aber auch Zollstationen und Grenzübergänge. Es war nicht vorgesehen, dass jemand über die Grenze geht. Viele Dörfer in unmittelbarer Grenznähe wurden aus Sicherheitsgründen geschleift. Es gab einen Grenzstreifen, Wachtürme, Signalanlagen, die Leuchtraketen oder akustischen Alarm auslösten und Stacheldraht.
Außerdem halfen Freiwillige der Hilfswache.
Vor allem in den ersten Jahren nach dem Krieg kam es zu vielen illegalen Grenzübertritten und Schmuggel. Das waren oft vertriebene Sudetendeutsche, die in ihre Häuser und Wohnungen zurückkehrten, um nötigste Dinge zum Überleben nachzuholen, wie Wintersachen, Decken, aber auch Grundnahrungsmittel. Einzelne Tote gab es vor allem in den ersten Jahren im Bemühen, die Rückkehr von Sudetendeutschen zu verhindern. Wurden Deutsche erwischt, bekamen sie meist zwei Monate Gefängnis.
1966: Die Grenzwachen der ČSSR wurden von der Grenze zur DDR abgezogen und durch die Grenzpolizei ersetzt, der Stacheldraht wurde entfernt.
1968: Rechte haben die Reste der deutschen Volksgruppen auch nach dem Verfassungsgesetz vom 27. Oktober 1968 nicht erreicht, die den anderen Nationalitäten bereits in der Verfassung vom 11. Juni 1960 im Artikel 25 zugestanden waren. Es gibt keine deutschen Kindergärten und Schulen, fast keine Gottesdienste in deutscher Sprache und kaum kulturelle Entfaltungsmöglichkeiten.
Zahl, Schicksal und Verteilung der Sudetendeutschen in der DDR
1977: Ein erheblicher Teil der Sudetendeutschen war nach dem Mai 1945 bis zum Beginn der sogenannten „geregelten Aussiedlung“, vor allem aus Nordwestböhmen, über die Grenze in die Sowjetzone hinausgetrieben worden. Dadurch wurde von Amtswegen auch das Wiederfinden der getrennten Familien erschwert, und wer nicht das Glück hatte, zu einem Familienteil in die westlichen Besatzungszonen illegal oder legal überzuwechseln, musste sich den Gegebenheiten dieser Assimilierung vollkommen unterordnen. Das strikte Verbot landsmannschaftlicher Zusammenschlüsse war in der Sowjetzone kaum zu umgehen, und es wurde auch mit der Entstehung der „DDR“ nicht gemildert. Die Sudetendeutschen, aber auch die Jüngeren, als Kinder aus ihrer Heimat vertriebenen, dürfen sich nicht auf die Heimat ihrer Väter berufen. Das Wort „Sudetendeutsch“ ist in der DDR ein Synonym für „Faschismus“ und „Revanchismus“. In allen Ausweisen und Dokumenten ist der deutsche Charakter der Sudetengebiete eliminiert worden.
1980: Nach der amtlichen Volkszählung vom 1. November 1980 leben heute noch 61.900 Deutsche in der ČSSR. Viele Deutsche bekennen sich aber nicht offen zu ihrem Volkstum, da sie mit Diskriminierungen und Nachteilen rechnen müssen. Die tatsächliche Zahl der Deutschen dürfte bei 80.000 bis 100.000 Personen liegen. Ein Indiz dafür ist die Tatsache, dass fast 30.000 Bewohner der ČSSR keine Angaben über ihre Volkszugehörigkeit machten. In der Reihe des Vielvölker Staates nehmen die Deutschen, die in der ersten Republik nach den Tschechen an zweiter Stelle lagen, heute nach Tschechen, Slowaken, Madjaren und Polen nur noch den 5. Platz ein.
Die meisten Deutschen leben im Westen- und Nordböhmen. während in Mähren und Sudeten-Schlesien der deutsche Bevölkerungsanteil besonders gering ist.
1990: Am 29. März wird die Staatsbezeichnung „Tschechoslowakei“ annulliert und nennt sich nun „Tschechisch und Slowakische Föderative Republik“.
Die Slowaken waren schon in der ersten Tschechoslowakischen Republik (1918-1939) nicht damit einverstanden, dass sie in der offiziellen Politik mit den Tschechen als tschechoslowakische Nation interpretiert wurden.
Das Selbstbestimmungsrecht heute
1991: Während des Ersten Weltkrieges wurde das Wort vom Selbstbestimmungsrecht der Völker zum Schlüsselwort. Doch das Ende des Krieges eröffnete nicht – wie erhofft und von den Siegermächten versprochen – ein Zeitalter des Selbstbestimmungsrechtes in Europa. Im Gegenteil: Wenn man die Jahre 1919 bis 1989 unter einem Schlagwort stellen will, so kann man durchaus von einer Epoche der Mißachtung des Selbstbestimmungsrechtes im Herzen Europas sprechen. Das Unglück begann damit, dass die Völker in chauvinistischer Überheblichkeit versuchten, ihre nationalen Ziele auf dem Rücken der Nachbarn zu verwirklichen. Dieser Satz gilt für Hitler genauso wie für Beneš. Beiden galt die eigene Macht mehr als das Recht des anderen. Beide führten ihre Völker ins Unglück. Beide trugen zudem dazu bei, den Boden für die kommunistischen Tyrannen zu bereiten, deren Sturz wir heute erleben.
Am 7. Oktober wurde in Prag beim fünftägigen Besuch des Bundespräsidenten in der Tschechoslowakei von den Außenministern der Deutsch-tschechoslowakischer Vertrag paraphiert.
Artikel 20 ist der deutschen Minderheit in der ČSFR gewidmet.
„Die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik, das heißt Personen tschechoslowakischer Staatsangehörigkeit, die deutscher Abstammung sind oder die sich zur deutschen Sprache, Kultur oder Tradition bekennen, haben demzufolge insbesondere das Recht, einzeln oder in Gruppen mit anderen Mitgliedern ihrer Gruppe ihre ethnische, Kulturelle und religiöse Identität frei zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und weiterzuentwickeln, frei von jeglichen Versuchen, gegen ihren Willen assimiliert zu werden. Sie haben das Recht, ihre Menschenrechte und Grundfreiheiten ohne jegliche Diskriminierung und in voller Gleichheit vor dem Gesetz und wirksam auszuüben.“
1992: …,das Unmenschliche gegen die Sudetendeutschen leitet den sozialen Niedergang des tschechischen Staates und Volkes ein.
1994: Bis heute ungeklärt ist der Verbleib von 226.000 Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg.
Bisher sind 3.476.000 Personen erfaßt, das Schicksal von 3,25 Millionen Menschen konnte geklärt werden.
1998: Schleppende Belebung – Die tschechischen Grenzgebiete, in denen einst die Deutschen lebten, sind von dem tiefen Einschnitt der Vertreibung immer noch gezeichnet. Eine Wiederbelebung dieser Landstriche verlangt mutige Menschen, Kapital und die Unterstützung des Staates.
Prager Zeitung 2.1998
2007: Der tschechische Parlamentspräsident Lubomir Zaoalek (CSSD) bei einer Podiumsdiskussion der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Bernhard-Bolzano-Stiftung in Prag am 25. Januar in Bezug auf die Sudetendeutschen:
„Nein, es gibt keine Versöhnung mit diesen Leuten, ich empfinde sie nicht als unsere Landsleute!“
Süddeutsche Zeitung 2.2007
2021: Keine Wiedergutmachung für internierte Deutsche in Tschechien – Eine Angehörige der deutschen Minderheit ist in Tschechien mit einem Antrag auf juristische Wiedergutmachung gescheitert. Das Verfassungsgericht in Brünn (Brno) wies die Beschwerde der 85-Jährigen am Dienstag zurück. Diese war nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihren Eltern von 1947 bis 1949 in einem Internierungslager für Deutsche in Svatoborice (deutsch Swatoborschitz-Mistrzin) festgehalten worden. Danach kam die Familie bis 1955 in ein anderes Lager mit besseren Bedingungen.
Die Verfassungsrichter sahen nun keine Rechtsgrundlage für eine Rehabilitation oder eine Entschädigung. Sie wiesen aber auch die Interpretation einer früheren Instanz zurück, dass die Unterbringung in dem Lager gar ein „Akt der Barmherzigkeit“ gewesen sei. Die Nachkriegsinternierung von Angehörigen der deutschen Volksgruppe habe „deutliche Züge des Freiheitsentzugs“ getragen, stellte das Verfassungsgericht klar.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden rund drei Millionen Sudetendeutsche aus der damaligen Tschechoslowakei vertrieben. Doch manche verblieben trotz der Vertreibung im Land. Viele von ihnen gingen später als Aussiedler in die Bundesrepublik. Bei der Volkszählung im Jahr 2011 bekannten sich noch rund 19.000 Tschechen zur deutschen Minderheit.
Sudetendeutsche Landsmannschaft
Die Sudetendeutsche Landsmannschaft ist zum einen nach der Herkunft ihrer Mitglieder in „Heimatlandschaften“ und „Heimatkreise“ gegliedert, zum anderen nach dem heutigen Wohnort in Landes-, Kreis- und Ortsgruppen. Gemeinsam mit den sudetendeutschen Heimatvereinigungen vertritt die Landsmannschaft nach eigenen Angaben die Interessen von 250.000 Mitgliedern.
Die Sudetendeutsche Landsmannschaft erhebt den Anspruch, für alle sudetendeutschen Heimatvertriebenen zu sprechen und bindet andere sudetendeutsche Organisationen im Sudetendeutschen Rat ein.
Die Mitglieder der Sudetendeutsche Landsmannschaft umfassen heute sowohl die Erlebnis- (vor 1945 Geborene), als auch die Bekenntnis-Generation (nach 1945 Geborene).
Bürgervereinigung Sudetendeutsche Landsmannschaft in Böhmen, Mähren und Schlesien
Bürgervereinigung Sudetendeutsche Landsmannschaft in Böhmen, Mähren und Schlesien“ ist eine tschechische Organisation, die unabhängig von der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Deutschland entstand und agiert.
Die Anerkennung als Verein wurde ihr anfangs durch das tschechische Innenministerium verwehrt. Begründet wurde dies damit, dass die Ziele der Vereinigung gegen die tschechische Verfassung verstießen.
Anfang März 2015 wurde das Verbot der Organisation allerdings vom obersten Gerichtshof in Brünn aufgehoben und der Verein offiziell registriert.
Erläuterungen zur deutsch-tschechischen Geschichte
Wiki SL Sudetendeutsche Landsmannschaft
Sudetendeutsche Landsmannschaft in Österreich (SLÖ) Auszug zur Erklärung
Wappen der Sudeten Wappen der Städte und Gemeinden
„Das Sudetenbuch“ – Handbuch für den Reichsgau Sudetenland, Teplitz-Schönau 1940
„Amtliches Deutsches Ortsbuch für das Protektorat Böhmen und Mähren“, Prag 1940
„Kampf in Böhmen“, Berlin 1936
„Sudetendeutsche Weißbuch„, München 1951/1986
*Die Karten aus der Zeit des III. Reiches sind nur zu Zwecken der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger und verfassungsfeindlicher Bestrebungen, der wissenschaftlichen und kunsthistorischen Forschung, der Aufklärung oder Berichterstattung über die Vorgänge des Zeitgeschehens oder der militärhistorischen und uniformkundlichen Forschung hier sichtbar.