Stadtgemeinde Böhmisch-Kamnitz
Stadtbereich
Die Stadt Böhmisch-Kamnitz – Gerichtsbezirk Böhmisch-Kamnitz – bestand aus der eigentlichen Stadt und dem nördlichen davon getrennt gelegenen Ortsteil Höllegrund. Innerörtlich wurden – zumindest noch im 19. Jahrhundert- die Stadtteile „Henne“ und „Oberkamnitz“ unterschieden, welche an die gleichnamigen, selbstständigen Ortschaften Henne (Gemeinde Niederkamnitz) und Oberkamnitz (gleichzeitig auch Gemeinde) angrenzten. Mundartliche Aussprache des Ortsnamens: „Kamtz“ oder „Böhmsch-Kamtz“. Der Beiname „Kreuzstadt“ rührt daher, dass die Stadt von mehreren hochgelegenen Aussichtspunkten aus (Kirchturm, Schlossberg, Noldenfels) die deutliche Form eines Kreuzes hat, als Folge der rechtwinkligen Straßenkreuzung im Stadtzentrum.
Gesamtfläche der Gemeinde: 538 ha.
Gemeindebereich
Stadtgeschichte
Vorgeschichte: Auf einem Felde in der Nähe der Stadt wurde ein Broncearmband und in der Schützenstraße beim Ausheben des Fundamentes eines Hauses eine Mittellatene-Fibel gefunden, die wohl aus einem Körpergrab stammen dürfte. Für die Besiedlungsgeschichte ist damit freilich wenig gewonnen
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Burgen Fredewald und Kamnitz
Die frühere Geschichte von Böhmisch-Kamnitz steht mit den ehemaligen Burgen Fredewald und Kamnitz im engen Zusammenhang. Beide liegen nach der modernen Gemeindeeinteilung nicht im Gebiet der Stadtgemeinde, sondern die erstere in der Gemeinde Nieder-Preschkau nahe der östlichen Grenze von Oberkamnitz, die letztere auf dem Schlossberg in der Gemeinde Oberkamnitz nahe der südöstlichen Stadtgrenze.
Fredewald: Der sich steil über dem Kamnitztal erhebende Felsen östlich von Oberkamnitz dürfte bereits vor dem 13. Jahrhundert eine Wallanlage getragen haben, die Wegeschutz- oder Zufluchtsfunktionen hatte. Ihr Name ist nicht sicher überliefert. Zur Zeit des im 13. Jahrhundert begonnenen deutschen Landesausbau wird wohl die Befestigung verstärkt worden sein und die Burg erhielt den Namen Fredewald. Ihre Bedeutung lag darin, den vorbeiführenden sog. „Sachsensteig“ zu schützen. Sie wurde erstmals 1406 erwähnt, als ein gewisser Slibawitz als Burghauptmann dort residierte. In den Jahren 1444 und 1469 kam es zur totalen Zerstörung der Burg, sodass ihr Name in Vergessenheit geriet und die Stätte nur noch als „Wüstes Schloss“ bezeichnet wurde, bis die neuzeitliche Forschung die alten Zusammenhänge aufdeckte.
Burg Kamnitz: Zum Unterschied von Fredewald hatte die Burg „Mampnitz“ auf dem späteren Schlossberg genannten steilen, felsengekrönten Anhöhe die Aufgabe des Schutzes der im 13. Jahrhundert gegründeten Stadt Kamnitz. Sie dürfte somit eine Gründung der Herren von Michelsberg gewesen sein, die jedoch ebenso wie die nachfolgenden Herrschaftsbesitzer aus den Familien Berka und Wartenberg nicht dort wohnten.
Während der Wartenberger Fehde wurde die Burg von den Lausitzer Sechsstädten 1444 gleichzeitig mit Fredewald zerstört und blieb seitdem wüst. Es sind jedoch viel umfangreichere Ruinenteile erhalten als von der Burg Fredewald, was auf eine mächtige und festere Bauweise der Burg Kamnitz schließen lässt.
Ortsgeschichte
Älteste Siedlung Kamnitz bis um 1270
Die Entstehung der Siedlungen Kamnitz liegt im Dunkeln. Es bestehen aber Anhaltspunkte dafür, daß schon im 11. Jahrhundert durch kleine Gruppen – angeblich geflüchteter – Lausitzer Wenden eine erste Niederlassung im oberen Kamnitztal entstand, wahrscheinlich in der Nähe des späteren Oberkamnitz, wo durch Einmündung des Haseler und des Preschkauer Baches in den Kamnitzbach eine gewisse Talweitung besteht. Es ist auch denkbar, das in jener Zeit die erste Wallanlage auf der knapp oberhalb von Oberkamnitz gelegenen Höhe des Wüsten Schlosses entstand. Wahrscheinlich wurde damals dem größten der drei sich dort vereinigenden Bäche die Bezeichnung „Kamnitz“ = Steinbach gegeben, von dem dann später mehrere an dem Bach gelegene Ortschaften ihren Namen erhielten.
Sicher sind Anfang bis Mitte des 13. Jahrhunderts in das bis dahin nur schütter bewohnte Kamnitztal deutsche Siedler gekommen, welche die ganze Niederung rodeten und ein langgezogenes zweireihiges Waldhufendorf gegründet, dem sie den auf älteren Wurzeln zurückgehenden Namen „Kamnitz“ gaben. Zu diesem Dorf gehörte allem Anschein nach das ganze Gebiet der drei später selbständig gewordenen Ortschaften Niederkamnitz, Stadt Kamnitz und Oberkamnitz mit zusammen 21 Bauern und einer Längenausdehnung von 2,5 km. Hiermit entsprach das Dorf der üblichen Größe der etwa gleichzeitig gegründeten Ortschaften Markersdorf, Ebersdorf usw.
Von der Stadterhebung (um 1270) bis 1630
Ursprüngliches Ausmaß der Stadt: Bereits um 1260 bis 1270 dürfte es zur Bildung der Stadt Kamnitz gekommen sein, indem aus der langgezogenen Gesamtsiedlung der mittlere, am günstigsten (an der Kreuzung mit einem Nord-Süd-Straßenzug) gelegene Teil herausgelöst, vergrößert und mit Stadtrecht ausgestattet wurde. Der Ausbau zum städtischen Gemeinwesen scheint zwangsläufig mit einer teilweisen Regulierung und Umleitung des Kamnitzbaches verbunden gewesen zu sein. Vermutlich hatte der alte Dorfweg folgenden Verlauf: Tetschner Gasse, Topfmarkt, Weg am Oberen Mühlgraben und weiter in die sog. Alte Straße. Durch Verlegung des Bachbettes um etwa 50 m nach Norden wurde offensichtlich der Raum zur Anlage des 50 x 70 m großen Marktplatzes (in der alten Zeit „Ring“) gewonnen, von dem aus die Niedere oder Tetschner Gasse und die Spitalgasse (zeitweise auch Herrengasse) nach Westen, der Kunnersdorfer Weg (später Kapellengasse) nach Norden, die Obere oder Steinschönauer Gasse nach Osten und die (spätere) Schloßgasse nach Süden hinausführten. Vielleicht war der bis um 1700 auf dem Marktplatz befindliche Teich ein Überrest (Altwasser) des ursprünglichen Bettes des Kamnitzbaches.
Um das Jahr 1287 wurde die damals noch auf landesherrlich-königlichen Gebiet gelegene Stadt „Kemnic“ durch eine Urkunde Wenzels II. angewiesen, die Stadt auch außerhalb der Mauern zusätzlich mit Wall und Graben zu befestigen. Die Stadtmauer bestand damals offenbar schon und damit sicher auch die vier Tore: Tetschner oder Niederes Tor, Kunnersdorfer Tor, Steinschönauer oder Oberes Tor und Südtor (später Schloßtor), entsprechend den vier Ausfallstraßen. Die Spitalgasse hatte kein Tor, sondern nur ein Fußgängerpförtchen, wie es mehrere gab. In der durch die Mauern und Tore vorgegebenen geringen Ausdehnungen von etwa 3 ha verblieb die eigentliche Stadt über drei Jahrhunderte. Sie bestand aus 67 brauberechtigten Bürgerhäusern zuzüglich einiger Gebäude mit gemeindlichen Funktionen, namentlich: Kirche, Pfarrhaus, Rathaus, Brauerei, Kühlhaus, Binderei, Badstube und Büttelei und einige andere. Allmählich siedelten sich auch außerhalb der Mauern auf städtischen Gebiet Bürger an, jedoch waren diese Vorstädter weder brauberechtigt noch sonst voll berechtigt. Im Jahre 1605 wurde das Obere Tor um etwa 70 m nach Osten verlegt (von Haus Nr. 129 zu Nr. 135), um Raum für die innere Stadt zu gewinnen.
Herrschaftszugehörigkeit: Nachdem Kamnitz ursprünglich auf landesherrlichem Gebiet gelegen und bald nach Mitte des 13. Jahrhunderts zur Stadt erhoben worden war, wurde es 1283 ein Bestandteil der älteren Herrschaft Scharfenstein, die in jenem Jahr von der Krone an die Adelsfamilie von Michelsberg geschenkt wurde (erster Besitzer Johann I. von Michelsberg). Bedingt durch finanzielle Schwierigkeiten verkaufte Johann III. von Michelsberg den gesamten Herrschaftskomplex, einschließlich Kamnitz 1405 bis 1408 an seinen Schwiegersohn Hinko Berka von Daube auf Hohenstein/Sachsen, Vogt der Oberlausitz. Über die Söhne des Hinko von Berka, der den Gesamtbesitz teilte, kam 1428 Kamnitz an die Familie von Wartenberg auf Tetschen, die damit das Gebiet östlich der Elbe bis Schluckenau beherrschte („Wartenberger Landl“).
Fast 100 Jahre lang, bis 1522, hatte Kamnitz den gleichen Grundherren wie Tetschen. Im Jahre 1511 wurde der gesamte Landkomplex an Nikolaus Trczka von Lipa und 1515 von diesem an die Brüder Hans, Wolf und Friedrich von Salhausen verkauft. Bei der ersten Salhausen-Güterteilung im Jahre 1522 erhielt Friedrich den Teil „Herrschaft Scharfenstein „samt Kamnitz. Nur wenig später, um 1535, kam es zur erstmaligen und bleibenden Trennung des Gebietes um Kamnitz von Scharfenstein. Es fiel als Mitgift an die Tochter des Vorgenannten, Anna von Salhausen, die Prokop von Wartenberg heiratete, und wurde damit selbständig. Die zweite Periode der Wartenberger Herrschaft über Kamnitz dauerte wenig mehr als ein halbes Jahrhundert. Im Jahre 1614 erwarb Radislaw Kinsky von Wchinitz und Tettau die Herrschaft Böhmisch-Kamnitz (diese Bezeichnung seit 1575 gebräuchlich), dem bald sein Neffe Wilhelm Kinsky folgte.
Volkszugehörigkeit und Familiennamen der Bürger von 1380 bis ins 16. Jahrhundert: Für Böhmisch-Kamnitz besteht die günstige Situation, daß das erhaltene älteste Stadtbuch (1380 bis 1511) praktisch den ganzen Familiennamen Estland aus der Frühzeit der Stadt überliefert hat. Von 1380 bis zum Ausbruch der Hussitenkriege im Jahre 1420 sind 90 und von 1430 bis 1525 sogar rund 110 Familiennamen bekannt, zusammen somit 200. diese gegenüber nur 67 Bürgerhäuser hohe Anzahl von Namen ist teils dadurch erklärbar, daß binnen eineinhalb Jahrhunderten die Fluktuation durch Zu- und Wegzüge sich auswirkte, was vielleicht durch die Hussitenkriege verstärkt wurde. Hinzu kommt, daß in der ersten Hälfte des Zeitraumes noch nicht alle Familiennamen ganz gefestigt waren,, so daß ein und dieselbe Person mit mehreren voneinander abweichenden bzw. Verschieden geschriebenen Namen vorkam, z.B. Schubert und Blauschubert, Beck und Heinebeck. Als dritter Gesichtspunkt ist zu berücksichtigen, daß sich die genannte Anzahl von Namen nicht allein auf die Bürger innerhalb der Mauern bezog, sondern auch die Vorstadtbewohner sowie Ober- und Niederkamnitz miteinschloss, so daß nicht nur mit 67, sondern mit rund 100 Häusern (annähernd gleich der Zahl der Familien) gerechnet werden muss.
Im ältesten Stadtbuch sind in Kamnitz (einschließlich Ober- und Niederkamnitz) folgende Familiennamen verzeichnet (jeweils Erstnennung): 1380 Gans(er), Käppler, Knebel, Kretschmer, Mühlacker, Opitz, Päuker, Preis und Rüdel (Riedel); 1381 Fackelt, Gaffauf, Gutbrot, Hängenüsch(El), Kolditz(er), Kunatsdorf, Lauerbein, Schubert, Schwab, Siebenkegel und Sorauer; 1382 Franz, Hunger, Kräusel und Steckinbügel; 1383 Lorenz; 1385: Hackacker und Sauerteig; 1386 Hirte, Pompe, Pfluger, Reschel und Scheuenpflug; 1387 Buhlehen, Düring, Gebauer, Harmisch bzw. Harnisch, Hinkendig, Lindner und Natan; 1389 Haufen, Pflug, Rosenhain und Späniger; 1391 Weinusch(er) und Wisent; 1392 Kriebel, Limpacher und Messerschmied; 1393 Weißer; 1394 Blauschubert und Uffenberg (Effenberg); 1395 Kurzpetzold und Tülzing(er); 1396 Haberer, Sparer und Tatterich; 1398 Papierhäckel, Schöps und Überschar; 1400 Krämer; 1401 Katzenhaupt und Pirnaer; 1402 Neuschmied und Rösler; 1408 Jäckel und Steinchen; 1409 Blauer, Grießler, Langner, Lichter und Stelzer; 1411 Foist, Hahn, Jäger, Klugnickel, Koch, Mordebier und Stäubaus; 1412 Hofmann, Knobloch, Ludwig, Scherzfeld und Schreiber; 1416 Pfefferkorn, Rütschel (Ritschel) und Vogelweide; 1419 Schönbusel und Schulmeister; 1420 Toderbier; 1424 Zottfriedel; 1430 Eichler, Hering, Penz und Tützchen; 1434 Hoffe, Watzel und Zanter; 1436 Ramisch; 1438 Böhm und Bolze; 1422 Augst(en) bzw. Augustin, Kühn, Littisch und Merten; 1443 Unbericht; 1449 Bremse, Fesig, Fischer, Pasternack, Winter und Zinke; 1450 Engelhard, Gürtler, Heine, Peterlein und Schäffer bzw. Schaffer; 1451 Achtseinnicht, Graf bzw. Gräfe, Gutewille, Kamnitzer, Kaube bzw. Gaube, Kny bzw. Knie; Severing, Tütze bzw. Tietze, Wolak und Ziegensiefer; 1452 Heinrich, Jüngel, Kasche und Ringelhan; 1457 Hannes hen, Rösel, Schwarz und Wagner; 1459 Hawzanek bzw. Habernack, Neckisch, Nickel und Schuster; 1465 Frosch, Göpfert und Sühne; 1466 Hampe, Langhans und Nemisch; 1471 Blumenerde, Eberhard, Heckisch bzw. Hickisch, Klumpner, Säuselt, Schirgiswalde, Teusener und Tittler; 1474 Bottner, Rabe und Schäubel; 1476 Laurin; 1478 Albrecht und Hönig bzw. Honig; 1479 Kronchen; 1481 Bucklisch und Hillebrant; 1482 Peschel; 1484 Brossel, Hanning, Heinemann, Knöspel, Küchler, Ptak ( war Herrschaftshauptmann) und Schrammenhauer; 1486 Heide und Langwenzel; 1487 Herr; 1488 Bornscheune, Hanke, Koschik und Witzel; Brosche, Hühnel, Preibisch und Schabenstab; 1490 Schickel, Seifert, Wolfgang und Zauser; 1491 Birkner, Fränzel, Grasse, Häckel, Hübner, Katschner und Klosel; 1492 Hegenbarth, Linke und Tischel; um 1500 Eiste und Schönnase; 1501 Hanisch; 1511 Krombholz; 1516 Hopfmann; 1525 Hengst.
Aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sind in einem Bericht über die Hochwasserkatastrophe von 1577 nachstehende Familiennamen überliefert: Fleck, Helfert, Langhans, Mayer, Rubén, Schuster, Stelzig, Tille und Zeibig.
Die Aufzählung zeigt, daß die weitaus größte Zahl der Namen deutsch war, d.h. aus entsprechenden Wortwurzeln hervorgegangen ist. Dies sowie die fast ausschließlich deutschsprachigen Eintragungen im Stadtbuch (daneben nur vereinzelte lateinische Stellen) veranschaulichen eindeutig die Rein deutsche Volkszugehörigkeit der Kamnitzer Einwohnerschaft am Ausgang des Mittelalters. Auch in den folgenden vier Jahrhunderten änderte sich daran nichts, und erst nach der Eingliederung in das Neugeschaffene Staatsgebilde der CSR im Jahre 1918 bildete sich eine tschechische Minderheit.
Älteste Nennungen von Kamnitz seit der Stadterhebung: Die älteste Erwähnung der Stadt Kamnitz bietet die Urkunde des böhmischen Königs Wenzel II. von 1278, in welcher „Kemnic“ angewiesen wurde, seine Befestigung auch außerhalb der Mauern durch Wall und Graben zu verstärken. Die zweitälteste urkundliche Nennung, nämlich das Papstzehentregister von 1352, bezeugt ebenfalls den städtischen Rang, da es heißt „Kamenycz oppidum“ (= Stadt Kamnitz). Für 1360 weisen die Libri Confirmationum erstmal die Form „Kempnitz“ nach. Die nächste Nennung von 1363 in der gleichen Quelle ist insofern besonders Interessant, als durch die lateinische Formulierung „in Campnitz theutunical“ = „das deutsche Kamnitz“ die deutsche Volkszugehörigkeit der Einwohnerzahl nochmals belegt wird.
Außer den vorgenannten vier ältesten Nennungen lagen für die Bearbeitung dieses Kapitels neben zahlreichen Eintragungen in das älteste Stadtbuch nahezu 30 weitere Nennungen des Ortsnamens aus der Zeit von 1363 bis 1833 vor, die alle zur Beurteilung der Entwicklung des Ortsnamens herangezogen werden konnten. Aufschlussreich ist, daß in tschechischen Urkunden (Hoflehen- und Landtafeln) die Formen mit -a- (z.B. Kamenice) fast ausschließlich verwendet wurden und daß in lateinischen Urkunden die Formen mit -a- überwogen, neben selteneren mit -e-. Hingegen dominieren die Formen mit -e- (z.B. Kemnitz) in deutschsprachigen Schreibungen, und zwar wurden sie im ältesten Stadtbuch von 1380 bis 1511 ausschließlich verwendet. Diese unterschiedliche Häufigkeitsverteilung der beiden Formen lässt eindeutig erkennen, dass die eigentlich deutschen Ortsnamenformen die mit -e- sind. Die gelegentlich vorkommende Meinung, der Ortsname Kamnitz könne auf keltische oder niederdeutsches „Kamp“= umfriedeter Wohnplatz zurückzuführen sein, ist nicht haltbar. Das bisweilen geschriebene -p- (Kampnitz) ist lediglich Ausdruck der Aussprache.
Als wichtige Beispiele der Ortsnamenschreibung im 14. bis 16. Jahrhundert seien angeführt: Im Stadtbuch 1380 bis 1511 anfänglich meist „Kemnitz“, später häufiger „Kemnitz“, in anderen deutschen Urkunden 1410, 1426 und 1530 „Kempnicz“*), 1423 „Kemenicz“, 1552 Khemnitz,1572 und 1575 „Böhmische Kamnitz“, 1609 „Böhmische Kemnitz“. Dies sind die ältesten Nachweise für den Zusatz „Böhmisch“, der nicht die Nationalität bezeichnet, sondern offensichtlich zwecks Unterscheidung von anderen Städten mit ähnlichen Namen, z.B. Chemnitz, Kamenz usw., eingeführt wurde. Von den lateinischen Urkunden verzeichnet die Libri Erectionum 1416 „Kemnicz“, die Libri Confirmationum 1368 „Kampnicz“, 1360, 1381 und 1392 „Kempnicz“, 1394 „Camenicz“ sowie 1425 „Kamenicz“. In den Urkunden der tschechisch geführten Hoflehentafel und Landtafeleintragungen kommt 1457 „Kampnicz“, 1466 (für 1428) „Camenicze“, 1543 (für 1515), 1547, 1614 und 1635 „Kamenicze“ vor.
Stadtausbau von Ende des 14. bis Anfang des 17.Jahrhunderts
Die Nachricht über die Entwicklung der Stadt werden seit Ende des 14. Jahrhunderts häufiger, insbesondere durch die Einführung des ältesten Stadtbuches (1380) und durch die ersten überlieferten Stadtprivilegien (1383), die beide das offenbar schon längere Gelten von Magdeburger Stadtrecht nachweisen. Im Jahre 1387 ist erstmals der „Erbvogt“ erwähnt, welcher an Stelle des Erbrichters getreten war (1451 wird er auch als „Amtsmann“ bezeichnet), 1389 existierte bereits der Mühlgraben (Mittelmühle), für 1394 ist das Braurecht von 67 Bürgerhäusern, die Badstube und das Bestehen der Schützenbrüderschaft nachgewiesen. Weitere Bestätigung und Erweiterungen der städtischen Privilegien wurden von den Grundherren im 16. Jahrhundert sowie 1608 und 1611 gegeben.
Im Jahre 1444 erfuhr die Stadtentwicklung durch die Eroberung und Brandschatzung seitens der Lausitzer Sechsstädte eine empfindliche Unterbrechung, doch scheint es bald zu einem Wiederaufbau und zu wirtschaftlicher Erholung gekommen zu sein, wie sich u.a. an der Aufeinanderfolge von Eintragungen im Stadtbuch ab 1449 sowie an der Beschickung der Dresdner und Bautzner Jahrmärkte durch Kamnitzer Bürger im 15. Jahrhundert erkennen lässt.
Seit 1426 wurde das Zunftwesen der städtischen Handwerker organisiert. Mit jenem Jahr datiert die Zechordnung der Wagner, Schmiede und Schlosser sowie der Fleischer. Es folgten 1483 die Zunftartikel der Bäcker, 1528 die Schuhmacherprivilegien, 1545 die Tuchmacherprivilegien, 1583 die Zechordnung der Tischler, 1590 die Zechordnung der Seiler, 1601 die Zechordnung der Schneider und 1610 die Zechordnung der Binder (Büttner) und der Glaser. Nahezu eineinhalb Jahrhunderte später kamen noch die Weißgerberzunft (1750) und die Strumpfwirkzunft (1756) dazu.
Seit dem 16. Jahrhundert besaß die Stadt auch das Recht zur Abhaltung von zwei Jahrmärkten, nämlich zu Mariä Heimsuchung (später am Montag vor Pfingsten) und am Montag vor Galli. Ab dem Jahre 1574 sind Stadtrechnungsbücher erhalten.
In baulicher Hinsicht gab es seit Ende des 15. Jahrhunderts folgende Veränderungen: 1476 wurden das Schloßvorwerk (Meierhof) aufgelöst und die dazugehörigen Felder an Bauern von Oberkamnitz und Bürger der Stadt verkauft. 1493 soll angeblich die Errichtung jenes Gebäudes begonnen worden sein, indem ab 1591 das Rathaus untergebracht wurde (später Bezirksgericht Nr. 219). Nach dem Übergang der Herrschaft Scharfenstein samt Kamnitz an die Familie von Salhausen (1515) wurde bald mit dem Bau der Salhausenschlößchen, späteres städtisches Spital für 5 Personen (1541 bis Ende des 18. Jahrhundert) und dann Museum, außerhalb der Stadtumwallung begonnen (1521). Das zeigt, dass schon damals die Bedeutung der Stadtbefestigung zurückgegangen war.
Nachdem um 1535 Kamnitz von der Herrschaft Scharfenstein getrennt und selbst Herrschaftssitz geworden war, ließ Prokop von Wartenberg an Stelle der früheren Meierhofsgebäude, also angrenzend an die Stadtmauer beim Südtor ein Schloss als Familienresidenz errichten. Es sind die Gebäude, die seit dem 17. Jahrhundert als Kinsky‘sches Schloss bezeichnet wurden. Im benachbarten Oberkamnitz wurde in jener Zeit (1544) die Schleifmühle Kittel seitens der Herrschaft genehmigt. 1560 bekamen die Kamnitzer Bogenschützen in einem herrschaftlichen Gnadenbrief verbesserte Rechte. Weitere bekannte Bauten im 16. Jahrhundert waren: 1544 Umbau der Stadtbüttelei und des Kirchenturms, 1562 ein neues Schulgebäude, 1570 neues Pfarrhaus, 1575 Marktbrunnen („Röhrkasten“ oder „Röhrbütte“) mit Säule, 1587 Erweiterung der Pfarrkirche, 1591 Umgestaltung des Hauses Nr. 219 am Ringplatz zwecks Unterbringung der Stadtverwaltung und Stadtrichterei (Rathaus), 1605 Stadterweiterung nach Osten hin durch Verlegung des Steinschönauer Tores vom Haus Nr. 129 zum Haus Nr. 135 am Roßmarkt. Während dieses Tor an anderer Stelle neu errichtet wurde, unterblieb der Wiederaufbau des Kunnersdorfer Tores, nachdem dasselbe 1577 durch ein gewaltiges Hochwasser zerstört worden war. Das letzte Viertel des 16. Jahrhunderts sowie die ersten zwei Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts waren offenbar eine Blütezeit der Stadt, denn die Zahl der Häuser innerhalb und außerhalb der Mauern war von 168 im Jahre 1574 auf 207 im Jahre 1618 gestiegen.
Stadt Böhmisch-Kamnitz 1630 bis 1849
Herrschaft: Nach dem Freiherrn Radislaw Kinsky von Wchinitz und Tettau, welcher die Herrschaft Böhmisch-Kamnitz 1614 gekauft hatte, folgte als Besitzer dessen Neffe Wilhelm Kinsky. Dieser – 1628 in den Reichsgrafenstand erhoben – war mit Elisabeth Gräfin Terzky (Trczka) verheiratet und somit ein „Schwippschwager“ des kaiserlichen Feldherren Albrecht von Wallenstein, Herzog von Friedland und Sagan. Nachdem Wilhelm Kinsky während der Ereignisse von Egger 1634 ebenso wie Wallenstein ermordet worden war, folgte als Herrschaftsbesitzer wieder ein Neffe nach, nämlich Johann Oktavian Kinsky. Im Eigentum der Grafen Kinsky (seit 1746 Fürsten in der Primogenitor) blieb das Gebiet um Böhmisch- Kamnitz bis 1850, also der größere, westlich des Kreibitzer Gebirges gelegene Teil der Herrschaft dem Gerichtsbezirk Böhmisch-Kamnitz eingegliedert wurde.
Die Stadt Böhmisch-Kamnitz zur Zeit der Steuerrolle 1654: Im Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) hatte Böhmisch-Kamnitz mehrfach Militäreinquartierungen, beispielsweise 1630 und 1634 kaiserliche Kroaten, die einen Stadtbrand verursachten, 1633 die Wallensteini ’chen Truppen sowie 1644 Schweden. Die große Bestandsaufnahme nach dem Krieg, die StR von 1654, wies in „Kamenicz“ (Stadt samt Vorstadt) 207 Häuser nach, und zwar 68 Bürgerhäuser, 57 Gärtner und 82 Häusler, von denen insgesamt nur 7 noch nicht wiederaufgebaut waren. Diese geringe Zahl von wüst liegenden Häusern zeigt, daß die Stadt den Dreißigjährigen Krieg verhältnismäßig gut überstanden hatte. Es gab damals in Böhmisch-Kamnitz 24 Schuster, je 10 Fleischer und Tuchmacher, je 9 Schneider und Strumpfmacher, 8 Schmiede, 6 Seifensieders, 5 Bäcker, je 3 Fassbinder, Gastwirte, Seiler, Spinner und Weber, 2 Glashändler, Schlosser, Tischler und Wagner sowie 21 je einmal vertretene und 3 unbestimmbare Gewerbe; insgesamt waren es 41 Arten von Gewerben mit 125 Gewerbetreibenden.
Unter den Bürgerfamilien waren die häufigsten Namen Langhans, Patzenhauer, Fleck, Kny und Vater, Illing und Krause, Hefner/Helfer und Michel. Alle übrigen Bürgernamen kamen nur je einmal vor: Arlt, Bauer, Beck, Beitlich, Friedrich, Hackel, Hanel, Hiekel, Heide, Jänichen, Klein, Knappe, Knechtel, Kreibich, Lorenz, Lumpe, Luna, Newich/Eymicht, Nesen/Neseni, Prosche, Ratzke, Richter, Rosenkranz, Schlettwitt, Schindler, Staudenraus, Tetschner, Thomas, Tietze, Tille und Weiner.
Die 57 Gärtner trugen folgende Namen: Fiedler, Beck, Hübner, Knappe, Knothe, Kühnel, Langhans, Michel, Patzenhauer, Richter, Riehl und Tille, Büttner, Elster, Ernst, Galle, Hacker, Hiekisch, Hermann, Icker, Kasper, Knechtel, Langschadel, Leschner, Lösel, Luna, Newich/Eymich, Nesen/Neseni, Oppelt, Palme, Rabe, Rochlitz, Rößner, Schindler, Schneider, Spielmann, Sturm, Thomas, Ullmann, Vater, Weiner, Weiße und Zeischke.
Die 82 Häusler hießen: Kiekisch, Langhans, Langschadel, Michel, Teufel, Therme, Bauer, Büttner, Hoffmann, Kny, Krause, Rochlitz, Wenzel, Arlt, Barsch, Bendel, Bischof, Eschler, Fidler, Fischer, Friebl, Fritsche, Görlach, Gocht, Hackel, Hantschke, Heidrich, Hauff, Hauptmann, Heide, Hübel, Jähnel, Icker, Knechtel, Koch, Kreibisch, Lerche, Liebscher, Limpacher, Löhnhardt, Lumpe, May, Menschel, Nitsche, Otte, Preis, Rosenkranz, Saloman, Schäfer, Schiffner, Schiroky, Schlettwitt, Schmied, Sebnitz/Steinowitz, Seißermann, Thomas, Tietze, Vater, Weigmann und Weiß.
Außer den 207 Bürger-, Gärtner- und Häusler Familien gab es 99 Familien (oder Alleinstehende) ohne Haus- und Grundbesitz. Soweit diese sog. „Inwohnern „oder „Inleute“ nicht einen der vorgenannten Namen trugen, hießen sie: Bienert, Büchse, Burchhard, Dorn, Dreschel, Frost, Füller, Füger, Glock, Hampel, Hansel, Hieke, Hünel, Jüngling, Kaiser Kaulfrosch, Klehr, Maidl, Matzke, Münch, Pöhlich, Petersilie, Petters, Pfeiffer, Pohl, Rostig, Schaustein, Schübel, Seifert, Süßig, Teigel, Tschakert, Tschimpke, Vetter, Wacker, Weigel, Wendtschuh, Werner und Worm. Daraus geht hervor, dass etwa die Hälfe der Inleute ganz andere Namen trug als die Bürger, Gärtner und Häusler, weil sie zu einem großen Teil von weither zugezogen waren.
Bei der Zusammenfassung der vier Einwohnergruppen konzentrierte sich auf folgende 16 Namen gut ein Drittel (nämlich 110) aller 306 Familien: Lanhans, Vater, Michel, Kny, Firdler und Thomas, Knappe, Friedrich, Hackel und Knechtel, Hiekisch, Knothe, Kreibich, Krause, Langschadel und Schlettwitz.
Entwicklung der Stadt von 1630 bis 1849: Außer der Steuerrolle von 1654 existierte für Böhmisch-Kamnitz seit jener Zeit weitere drei aufschlussreiche Quellen: seit 1630 die Kirchenmatriken, seit 1630 die Mannschaftsbücher der Herrschaft und seit 1636 das städtische Memorabilien Buch.
Die Stadt überwand die Rückschläge des Dreißigjährigen Krieges schnell. So wurde bereits seit 1650 die Errichtung einer Apotheke geplant (verwirklicht allerdings erst 1780), im Jahre 1658 erfolgte die Stadterweiterung außerhalb des Süd- und Schloßtores durch Anlegen der Neuen Gasse (später Leipaer Straße), indem von Johann Oktavian Kinsky 63 Baustellen auf dem Gelände des herrschaftlichen Lustgartens, des Frauengartens und andere herrschaftlicher Gründe an Bauinteressenten vergeben wurden, und schließlich erhielt Böhmisch-Kamnitz 1662 den bereits 1517 errichteten römischen-katholischen Dekanatssitz zurück. In den nachfolgenden Jahrzehnten erfolgten auch entlang der anderen Ausfallstraßen zahlreiche Neubauten; so entstand der Roßmarkt, die Verlängerung der Tetschner Gasse und die Entwicklung des Kunnersdorfer Weges zur nachmaligen Kapellengasse. Auch das Dechanteigebäude wurde in jener Zeit erbaut.
In Zuge der verschiedenen Ausbaumaßnahmen seit Mitte des 17.Jahrhunderts war die Stadt rasch gewachsen, wie sich die Daten des TK von 1713 entnehmen lässt. Zu dieser Zeit hatte „Böhmisch-Kamnitz“ – diese moderne Schreibweise wurde im Kataster schon angewandt – 160 Wirte und zwar 7 bäuerliche (davon 1 mit 21 Strich Acker und 6 mit 7 bis 11 Strich) und 129 Häusler zusammen also 289 Häuser.
An Gewerben wurden damals ausgeübt: Strumpfmacher. Tuchmacher, Schneider, Schuster, Schmied, Krämer und Fleischer, Bäcker, Glaser, Glasschneider, Seifensieders und Weißgärber, Tischler und Tuchschneider, Leinenhändler, Färber und Glashändler, Kürschner, Maler, Schlosser, Seiler und Zinngießer, Bader, Sattler, Scherenschleifer, Töpfer und Wagner. Zusammen mit 9 nur je einmal vorkommenden Gewerben gab es somit in Böhmisch-Kamnitz insgesamt 36 Gewerbearten mit 236 Gewerbetreibenden. Außerdem sind im Theresianischen Kataster aufgeführt: 1 Lehrer, 1 herrschaftlicher Hauptmann, 1 kaiserlicher Steuereinnehmer, 1 Müller mit dreiräderiger Mühle, 1 Müllerknecht, 1 städtischer und 1 herrschaftlicher Brauer (letzterer mit 1 Gehilfen und 1 Lehrling) sowie 1 herrschaftlicher Schafmeister. Auf städtischen Gründen wurde 2,3 Strich Hopfen angebaut. (Angaben über die Braukapazität, siehe Link – Industrieentwicklung.)
Im gleichen Jahre, in welchem die Registrierungen zum TK begonnen wurde (1713), brach eine Pestepidemie in Böhmisch-Kamnitz aus, anlässlich deren Erlöschen Dechant Teigel das Gelübde zur Errichtung der Marienkapelle abgelegt. Der Bau wurde bald darauf in den Jahren 1736 bis 1739 durchgeführt. Auch der Gelöbnistag (21. November) erinnert noch über 200 Jahre später an diese Heimsuchung der Einwohner. Im Jahre 1726 schaffte die Stadt die erste Feuerspritze an, 1741 kam es zur Gründung der herrschaftlichen Armenversorgungsanstalt für 24 Personen durch Testament des Grafen Philipp Josef Kinsky und 1780 erfolgte die Eröffnung der Apotheke „Zum Kaiser Josef II“ (Steinschönauer Gasse 206). Mitte des 18. Jahrhunderts verbrachte der Komponist Christoph Willibald von Gluck seine Jugend in Kamnitz, wo sein Vater Kinsky ‘scher Forstbeamter war.
In der Josefinischen Karte von 1781/82 ist ebenso wie schon in der Müller’schen Karte von 1720 die Stadt „Kamnitz“ verzeichnet und – etwas nordwestlich davon schon auf Niederkamnitzer Gebiet – das „Hopfen-Haus“. Das Jahr 1781 brachte auf Initiative des Dechanten Augustin Zippe die Gründung der städtischen Armenversorgungsstiftung mit einem jährlichen zu verteilenden Ertrag von 1935 fl. In den 80er Jahren jenes Jahrhunderts entstand in Kamnitz die erste „Kaffeesiederei“. In der Zeit von 1755 bis 1795 lag die Stadt mit der Herrschaft im Rechtsstreit um ihr Brau- und Bierschankrecht. Der günstige Ausgang des Prozesses führte zum Bau des neuen bürgerlichen Brauhauses am Abhang der Nolde.
Die Topographie Schallers (1787) verzeichnet „Böhmisch Kamnitz, Chemnitz oder Ceska Kamenicze“ als „offene Herrenstadt“ mit 302 Häusern. An Gewerben sind u.a. das Strumpfwirken, die Tuchmacherei sowie der Garn- und Leinwandelhandel erwähnt.
Rund 50 Jahre später – in der Sommer ‘schen Topographie (1833) – ist „Böhmisch-Kamnitz (Česká Kamenice) oder Kamnitz“ eine „Municipalstadt“ mit 317 Häusern und 2231 Einwohnern.
Es übten 68 Meister mit 78 Gesellen und Lehrlingen ein Polizeigewerbe, 117 Meister mit 126 Gehilfen ein Commercialgewerbe (darunter 75 Strumpfwirker und Tuchmacher mit 98 bzw. 7 Gesellen) sowie 9 Personen ein freies Gewerbe aus. Handel trieben 27 Personen, und zwar 7 gemischte Warenhandlungen, 15 als Hausierer und 5 als Märkte beziehende Händler. Es bestanden 2 Schön- bzw. Schwarzfärberein, 2 Mühlen, mehrere Strumpfwalken und Lohstampfen. Das bürgerliche Brauhaus hatte eine Größe von 33 Fass (je Gebräu), das herrschaftliche Brauhaus von 54 Fass; mit beiden Betrieben waren Branntweinbrennereien verbunden. Die Stadt besaß 234 Joch Wald.
An Heilberufen und Berufen der Gesundheitspflege waren ansässig: 1 graduierter Arzt, 3 Wunderärzte, 1 Apotheke und 3 Hebammen.
Alljährlich wurden 3 stark besuchte Jahrmärkte, besonders für Schnitt- und Galanteriewaren abgehalten, nämlich am Montag vor Josef (einschließlich Viehmarkt), am Montag vor Pfingsten (früher zu Mariä Heimsuchung (2.Juli) und der Kirchweihmarkt am Montag vor Galli (14.Oktober, einschließlich Viehmarkt). Auch gab es zeitweise einen Jahrmarkt am Montag nach Portiunkula (5.August) und regelmäßig den Markt anlässlich der Marienwallfahrt Anfang September. Jede Woche Dienstag fand ein Wochenmarkt mit Schwerpunkt Getreide statt.
Ereignisse aus der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts waren: 1802 Teilung der Schule in eine Knaben- und eine Mädchenschule, 1813 der Durchzug französischer Truppen, 1820 Bau der steinernen Brücke mit einer Johannes-Statue, 1824 erste Straßenpflasterung (Kapellengasse), in den Jahren, 1817 bis 1833 Ausbau der Staatsstraßen in die Richtungen Tetschen, Rumburg, Oberkamnitz-Haida und Gersdorf-Sandau. In dieser Zeit wurden von den damals bestehenden Toren das Tetschner Tor (1828) und das Steinschönauer Tor abgerissen, wogegen das Schloßtor bis in die Gegenwart erhalten blieb. Im Jahre 1832 wurde das Postamt im Schloss eingerichtet, 1833 die Mauer des ältesten Friedhofes um die Kirche herum abgerissen und so der Kirchplatz geschaffen. Als 1848 in Frankfurt das gesamtdeutsche Parlament tagte, war Kamnitz dort durch den Deputierten JU Dr. Ludwig Renger und kurze Zeit auch durch Dr. Schwarz vertreten.
Unter den Städten des nachmaligen Kreises Tetschen nahm Böhmisch-Kamnitz im Jahre 1833 – gemessen an den 338 Häusern und 2322 Einwohnern (einschließlich Höllegrund) – die erste Stelle knapp vor Steinschönau ein (336 bzw. 2228). Tetschen (312 bzw. 1522), Bensen und Wernstadt hatten eine wesentlich geringere Häuserzahl und Bevölkerungsstärke. Diese Situation hatte sich infolge des gut überstandenen Dreißigjährigen Krieges und durch die günstige Lage an zwei Poststraßen ergeben. Beigetragen hat aber sicher auch die Nähe der schon im 18. Jahrhundert stark entwickelten Steinschönauer Glasindustrie, durch welche die Produktion und der Handel auch in anderen Wirtschaftszweigen Aufschwung nahmen (Strumpf- und Wirkwaren, Tuchmacherei usw.). Der Vorrang von Kamnitz und Steinschönau hielt bis kurz nach Mitte des 19. Jahrhunderts an. Gemäß der Volkszählung von 1857 hatte Böhmisch-Kamnitz 3188, Steinschönau 3109, Bodenbach (Gebietsstand 1930) 2958, und Tetschen 2758 Einwohner.
In der Folgezeit waren Böhmisch-Kamnitz ebenso wie Steinschönau durch ihre entfernte Lage von den damals aufkommenden modernen Verkehrsmitteln (Eisenbahn und Dampfschifffahrt) benachteiligt und wurden von Bodenbach und Tetschen bald an Größe überflügelt.
Industrialisierung
Wohl der älteste Betrieb in Böhmisch-Kamnitz war die Mittelmühle, die für 1389 bezeugt ist und bis in 19. Jahrhundert in Betrieb war. Mindestens ebenso alt sind die Anfänge des bürgerlichen Bräuhauses, nachdem die Braurechte der Bürger in den Privilegien von 1394 bereits bestätigt wurden. Anfang des 18. Jahrhunderts hatte die Braukommune der Bürger einen Brauer angestellt, und auch die Herrschaft beschäftigte einen Brauer, der 1 Gehilfen und 1 Lehrling zur Seite hatte. Der Bierausstoß der Braukommune betrug laut TK von 1713 1239 Fass = 3000 hl jährlich, der Ausstoß der herrschaftlichen Brauerei im Jahre 1756 (Dominikalkataster) 1818 5/6 Fass = 4450 hl.
Im 17. Jahrhundert traten in Böhmisch-Kamnitz wie auch im benachbarten Steinschönau und anderen Orten die ersten Glasveredler auf, und 1713 wurden bereits 7 Glasschneider und 4 Glashändler gezählt. Beispielsweise besaß Christoph Kriesche um 1758 bis 1760 eine Erlaubnis zum Glashandel in Bayreuth und Kulmbach. Auch das Strumpfmachergewerbe begann sich seit dem 17. Jahrhundert in der Stadt zu konzentrieren; so gab es gleich nach dem Dreißigjährigen Krieg 9, im Jahre 1713 bereits 29 und im Jahre 1833 73 Strumpfwirker mit 98 Gehilfen. Aus der Zeit um 1820 wird von den Verlegern Johann Georg König und Johann Tagmann berichtet, dass sie Halb- und Ganzkastorstrümpfe und Berliner Strümpfe herstellen ließen. Im Jahre 1825 gab es 13 Herstellerbetriebe von Zwirnstrümpfen und Hosensäcken (Franz Joachim, Linka, Josef und Adam Lumpe, Rabe, Reinisch, Riehl, Ringel, Scherbach, Terme, Treschel, Walter und Wassermann), für das Jahr 1838 sind in der gleichen Branche die Firmen Josef Hacker, August Horn, Joachim Renger, Josef Renner, Ignaz Riehl, Ignaz Rochlitz, Karl Schiffner und Johann Vater überliefert. Die Erzeugung von Holzhüten (Sparterie) und Tischdecken war 1820 bzw. 1825 mit den Firmen Michael Zizelsberger, Josef Terme & Horn, Johann Horn sowie Christian Hickisch vertreten. Die Zwirnerei wurde 1825 von Josef Palme und Franz Ernst ausgeübt, die Zwirn- und Leinenerzeugung 1841 von Florian Forster, Franz Büchse und R. F. Schwab betrieben. Aus diesen und anderen kleinen Anfängen entwickelte sich bald nach der Jahrhundertmitte die Böhmisch-Kamnitzer Industrie.
Als erste industrielle Betriebe entstanden in Böhmisch-Kamnitz 1858 die Leinzwirnerzeugung Franz Preidl, die Maschinenfabrik Josef Theodor & Josef Rochlitz und die Spinnerei Gebr. Schwaab; im gleichen Jahre begann Ludwig Donath mit seiner Steindruckerei, die 1866 von Josef Fleck gekauft wurde, der dort ab 1868 die Zeitung „Böhmisch-Kamnitzer Anzeiger“ herstellte (siehe Stadt 1849 bis 1945). Im Jahre 1859 eröffnete der Leinenerzeugungsbetrieb Florian Hübel, der als kleinere Baumwollweberei seit 1828 zuerst in Kaltenbach und seit etwa 1850 in Philippsdorf gearbeitet hatte. Weiteres kamen hinzu: 1864 die Broncewarenmanufaktur Lösel, 1866 die Leder- und Maschinenfabrik Raimund Schiffner, später Leder- und Treibriemenfabrik (entstand aus einer Gerberei), 1867 das Strumpfwarengeschäft Jakob Pilz (ab 1883 Anton Pilz) und die Spinnerei Julius und Richard Renger, 1868 das Strumpfwarengeschäft Ignaz Müller. Anfang der 70er Jahre standen in Böhmisch-Kamnitz 300 Strumpfwirkstühle, die hauptsächlich sächsische und mazedonische Wolle verarbeiteten. Die herrschaftliche Brauerei hatte 1875 einen Jahresausstoß von 34.200 hl Bier, die bürgerliche Brauerei von 8900 hl.
Seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts wurden gegründet: 1871 Glasraffinerie Anton Heide und Söhne, 1873 die Mechanische Spinnerei und Weberei für Leinen, Baumwolle und Roßhaar der bereits bestehenden Firma Florian Hübel, 1877 die Firma F. W. Pilz (nach 1900 als „Castor Wirkwarenfabrik“ bezeichnet) und die Kammgarnweberei L. Schrader & Co (nach 1900 „Tuchfabrik„), 1880 die Glasraffinerien Heinrich Hegenbarth (später Alexander Hegenbarth) und Josef Czerny, 1866 die Glasraffinerie Josef Dörre und die Maschinenfabrik, Eisengießerei und Dreherei Florian Hübel, welche im gleichen Jahre von Adolf Renger übernommen wurde, 1886 bestand bereits die Fabrik für Möbel aus gebogenem Holz Gruber & Marschner (vormals Kohn& Marschner in Oberkamnitz). Die bis kurz vor 1880 ansässig gewesene Schleifschuhfabrik „Austria“ war nach Niederösterreich verlegt worden.
Bis 1888 kamen hinzu: die Baumwoll- und Schafwollewarenfabrik (Strümpfe, Handschuhe, Westen usw.) Julius Böhm, die Wollwarenfabrik Franz Wallum, die Glasmalerei Eduard Pilz, die Kunstblumenerzeugung Eduard Winter, die Porzellan- und Glasfarbenerzeugung Ferdinand Hübsch sowie – im Ortsteil Höllegrund – die Holzwollefabrik Johann Zimmer. Im Jahre 1889 wurde die Drechslerwarenfabrik Theodor Wenzel gegründet und vor 1894 von Fischer & Deutschmann die Antikesselsteinerzeugung aufgenommen. Das Jahr 1894 brachte die Fertigstellung der Hochquellwasserleitung mit Wasserwerk. 1899 wurde das städtische Schlachthaus eröffnet und 1900 das städtische Elektrizitätswerk in Betrieb genommen. Bis zum Jahre 1909 entstanden ferner folgende Industriebetriebe: Filz-, Filzschuh- und Hutfabrik Wilhelm Renners Nachfolger Philipp Schulz, Kunstwolle- und Wattefabrik Julius Heinrich, Mechanische Baumwoll- und Schafwollweberei Robert Kögler und Söhne sowie Mechanische Zwirnerei, Strickgarn-, Häkelgarn- und Nähfadenfabrik Casier- und Merzerisieranstalt Franz Beitlich.
Stadt Böhmisch-Kamnitz 1849 bis 1945
Nachdem seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Industrialisierung auch Böhmisch-Kamnitz erfasst hatte, setzte sich das Wachstum der Stadt, das schon in der napoleonischen Zeit begonnen hatte, zunächst unverändert stark fort. So wurde 1869 eine Bevölkerungszahl von 3778 gegenüber 3188 Personen im Jahre 1857 erreicht. Da die Einwohnerzahl in anderen Städten sich noch schneller vergrößerte, wurde Böhmisch-Kamnitz 1869 von Bodenbach (4866), Tetschen (3822) und Steinschönau (3813) übertroffen. Diese Reihenfolge- allerdings bei wesentlich erhöhten Bevölkerungsständen – blieb bis 1945 erhalten.
Im Jahre 1890 verzeichnete Böhmisch-Kamnitz 490 Häuser mit 4599 Einwohnern und im Jahre 1910 538 Häuser mit 4971 Einwohnern, durchwegs Deutsche. Bei den Zählungen von 1880, 1890 und 1900 war die Anwesenheit von 71, 44 bzw. 20 Tschechen festgestellt worden, die sich offenbar als Arbeiter in Kamnitz aufhielten. Eine ständige tschechische Minderheit entstand aber erst nach dem Ersten Weltkrieg durch Zuwanderung. So waren 1921 von 4539 Einwohnern 160 Tschechen und 1930 von 4790 Einwohnern 262 Tschechen (=5,5 %). Über die weitere Entwicklung der nicht deutschen Zuwanderung liegen keine Daten vor, doch darf als sicher gelten, dass der Anteil der Tschechen bis 1938 nicht über 10 % gestiegen war. Der größte Teil von ihnen wanderte nach dem Anschluss des Sudetenlandes wieder ins Innere Böhmens zurück, was sich zum Teil in dem Rückgang der Einwohnerzahl der Stadt auf 4357 im Jahre 1939 niederschlug.
Mit der Einrichtung der modernen Gemeindeverwaltung im Jahre 1849 wurde Böhmisch-Kamnitz einschließlich dem Ortsteil Höllegrund politische Stadtgemeinde. Ein Jahr darauf (1850) kam es zur Bildung des Gerichtsbezirkes Böhmisch-Kamnitz mit Verwaltungssitz in der Stadt. Es wurde daher sofort ein Umbau des veralteten Rathauses vorgenommen und in diesem neben dem Bürgermeisteramt auch das Bezirksgericht untergebracht, das dann von 1855 bis 1868 vorübergehend auch die politische Bezirksverwaltung mit einschloss („Bezirksamt“).
Infolge des Wachstums der Stadt musste 1850 der Friedhof an der Marienkapelle erweitert werden. Seit 1861 erschien die monatliche Zeitschrift „Der Friedensbote“ von Ludwig Donath, 1863 wurde der Spar- und Kreditverein gegründet, 1865 begann der Bau der Bahnanlagen, die südlich der Stadt mehrere städtebauliche Veränderungen zur Folge hatten, 1867 erschien der erste Jahrgang des von Josef Fleck herausgegebenen „Böhmisch-Kamnitzer Anzeigers“, 1868 konnte die böhmische Nordbahn von Tetschen über Bensen nach Böhmisch-Kamnitz eröffnet werden und die k. k. privilegierte Schützengesellschaft (Bezeichnung seit 1848) ließ das für das gesellschaftliche und kulturelle Leben der Stadt bedeutsame Schützenhaus neu erbauen. 1871 wurde das städtische Spital umgestaltet und 1872 das Preidl`sche Armenhaus mit 24 Zimmern für 38 Insassen sowie mit Kapelle und Garten geschaffen, 1873 brachte die Gründung der Sparkasse und der Fortbildungsschule, zu der 1881 eine neue Mädchenschule und 1883 die Knabenbürgerschule kamen, von 1883 bis 1885 ließ der Großindustrielle Franz Preidl die Marienkapelle renovieren, 1885 nahm die Zeitung die Bezeichnung „ Böhmisch-Kamnitzer Wochenblatt“ an, 1886 wurde die Verbindungsbahn nach Steinschönau eröffnet, 1888 bekamen die städtischen Anteile an Oberkamnitz und Henne laufende Hausnummern der Stadt, außerdem wurde bald darauf die Nummerierung der Häuser innerhalb der Straßen eingeführt und die Bräukommune genossenschaftlich organisiert, 1892 die Kanalisation begonnen, 1893 die Mädchenbürgerschule eröffnet, 1894 erfolgte die Inbetriebnahme der städtischen Hochquellwasserleitung mit dem Wasserwerk, 1895 wurde die Turnhalle des Deutschen Turnvereins erbaut, 1896 entstand am Marktplatz das sog. Stadthaus, in welches die Sparkasse, das Bürgermeisteramt und die Bezirksvertretung einzogen; im gleichen Jahre wurde die Badeanstalt eröffnet und die städtische Ascheabfuhr aufgenommen. In den Jahren 1891 bis 1899 gelangte die Straßenpflasterung und der Gehsteigausbau in mehreren Straßen zur Ausführung, beispielsweise in der Tetschner Gasse, Kapellengasse, Spitalgasse, Salhausen- und Bahnhofstraße.
Im Jahre der Jahrhundertwende wurde das städtische Elektrizitätswerk in Betrieb gesetzt und das Bezirkskrankenhaus eröffnet, 1909 entstand das Stadtmuseum im ehemaligen Salhausen-Schloss (Spital), 1912 war bereits das Kino vorhanden, und 1914 wurde die Expositur Kamnitz der Bezirkshauptmannschaft Tetschen eingerichtet.
Während des Ersten Weltkrieges 1914-1918 zeichneten die Einwohner der Stadt Böhmisch-Kamnitz Kriegsanleihe in Höhe von insgesamt 1,4 Mill. österr. Kronen (= 100 Kronen je Familie). Die Eisengießerei und Maschinenfabrik Renger war im Krieg auf die Produktion wichtiger Artilleriemunition umgestellt (Schrapnells). Die Verluste der Stadt in den viereinhalb Kriegsjahren betrugen 157 Gefallene und Vermisste.
Bald nach Kriegsende wurden durch Stadtratsbeschluß die Farben grün-gelb an Stelle der althergebrachten Farben schwarz-gelb eingeführt.
Noch im Jahre 1919 wurde in Böhmisch-Kamnitz gegen die Abwertung der österreichischen Krone protestiert. Einige Jahre später (1926) erfolgte ein Protest gegen die neueingeführte Zweisprachigkeit von Aufschriften und amtlichen Stempeln. Im Jahre 1925 musste der Name der „k. k. privilegierten Schützengesellschaft in „Deutscher bürgerlicher Schützenverein „geändert werden.
Seit den 20er Jahren führt die Stadt zahlreiche großzügige Baumaßnahmen durch. So wurde z.B. viele elektrische Freileitungen in Kabel verlegt, mehrere Straßen neu gepflastert bzw. altes ersetzt, Kanalisierungen durchgeführt, das Stadtbad mit Heilbad nach neuzeitlichen Anforderungen gebaut, die Wasserleitungsanlagen erweitert und ein zusätzlicher Hochbehälter errichtet sowie größeres Baugelände an der Kunnersdorfer Straße erschlossen.
In der Folge ist die Zahl der Häuser in Böhmisch-Kamnitz (einschließlich Höllegrund) von 585 im Jahre 1921 auf 677 im Jahre 1934 gestiegen. Im Jahre 1929 gelang es der evangelischen Gemeinde nach vieljährigen Bemühungen hauptsächlich aus Spenden die Christuskirche zu bauen.
Seit dem Jahre 1922 hatte die Zeitung „Böhmisch-Kamnitzer Wochenblatt“ einmal im Monat die Beilage „Mein Heimatland. Blätter für Heimatkunde des Böhmisch-Kamnitzer Bezirkes“. Ob außer den Jahrgängen 1 (1922) bis 5 (1926) noch weitere Jahrgänge davon erschienen, ließ sich derzeit nicht feststellen.
Von etwa 1936 bis 1938 bestand außer dem „Böhmisch-Kamnitzer Wochenblatt „auch die von Josef Schön unter Mitwirkung von Ferdinand Friedrich herausgegebene Zeitung „Kamnitzer Anzeiger“, die viel Belletristik enthielt; sie wurde zuerst in Haida und dann bei Fam. Wieden in Böhmisch-Kamnitz gedruckt. Vom gleichen Herausgeber erschien 1936 ein Adressbuch für die Stadt Böhmisch-Kamnitz. Nach dem Anschluss des Sudetenlandes wurde der „Kamnitzer Anzeiger“ eingestellt, während das „Böhmisch-Kamnitzer Wochenblatt“ mit einer Auflage von etwa 3000 wegen des Fehlens von geschäftlich tätigen Erben des Druckereibesitzers Emil Josef Fleck von der Druck- und Verlagsanstalt J. Koschler KG, Tetschen, käuflich übernommen und durch die „Sudetendeutsche Tageszeitung „ersetzt wurde.
Mit 1. April 1933 traf der Besitzer der Domäne Böhmisch-Kamnitz, der Fürst Ulrich Ferdinand Kinsky, eine für die Stadt wirtschaftliche wichtige Endscheidung, nämlich die Zentraldirektion seiner von der tschechischen Bodenreform schwer betroffenen Güter von Chotzen (Ostböhmen) nach Böhmisch-Kamnitz zu verlegen. In diesem Jahr übernahm die Kinsky‘sche Brauerei den Betrieb der bürgerlichen Bräukommune. Bereits gegen Ende 1932 hatte er auf der Steinwand zwischen Philippsdorf und Niederkamnitz einen Privatflugplatz anlegen lassen. Seit Mitte der 30-er Jahre nahm der Fürst zeitweise seinen Wohnsitz in dem herrlich gelegenen Jagdschloss Balzhütte bei Rennersdorf. Fürst Ulrich Ferdinand Kinsky starb im Dez. 1938 in Wien. Er wurde auf dem Friedhof in Böhmisch-Kamnitz beigesetzt. Das Vorhaben, ihn in ein bei der Balzhütte (Gemeinde Rennersdorf) geplantes Mausoleum zu überführen, kam wegen des Krieges und der Ereignisse von 1945 nicht zur Ausführung.
Die schwerste Auswirkung der Weltwirtschaftskriese war für Böhmisch-Kamnitz der Konkurs der großen Textilfirma Franz Preidl, Inh. Franz Karsch jun., Anfang der 30er Jahre. Von den betroffenen Betrieben befand sich je einer in Böhmisch-Kamnitz, Oberkamnitz und Niederkamnitz sowie drei in Johnsbach. Die Fabrikanlagen wurden bald darauf von den Kleinmünchner Baumwoll-Spinnereien und mechanischen Webereien AG übernommen und teils weiter betrieben. In den Jahren 1932/33 ging die in Schwierigkeiten geratene Steinschönauer Sparkasse in der Böhmisch-Kamnitzer Sparkasse auf und wurde von letzterer als Hauptzweigstelle weitergeführt.
Die mit Abstand häufigsten Familiennamen in Böhmisch-Kamnitz waren 1934: Richter, Wenzel, Müller, Beitlich, Beutlich, Hieke, Fischer, Hegenbarth, Kreibich, Vater, Hoffmann, Hofmann, Lehnert, Löhnert, Seidel, Weber, Bendel, Heide, Horn, Pilz, Pohl, Krause, Kraus, Dörre, Eschler, Gautsch, Günter/Günther, Patzner, Renger, Schiffner/Schiefner, Fritsch/Fritsche, Hiekisch, Knechtel, Kunert, Neumann, Purkert, Weiß/Weiße, Fiedler, Friedrich, Groß, Hackel, Hantschel, Jantschke, Kittel, Langer, Liebsch/Liebisch, Rösler, Schmid/Schmidt, Wertner, Wolf, Zinke, Büchse, Grohmann, Heinrich, Hermann, John/Johne, Karsch, Kny, Lösel, Rehnelt’s, Reichert, Scholze, Storch, WORM, Appelt, Bittner, Dörfel/Dörfler, Eiselt/Eisert, Franke, Holter, Hönisch, Kasper, Münzel, Nitsche, Schubert, Werner und Wieden.
Vom 12. Januar 1938 bis 30. September 1938 war Böhmisch-Kamnitz Sitz des Kommandos der tschechischen Grenzwache Nr.23 und des wurden in der weiteren Umgebung nördlich der Stadt zahlreiche Bunkeranlagen zur Grenzverteidigung angelegt. Die tschechischen Truppeneinheiten zogen in den ersten Oktobertagen des Jahres 1938 nach dem Anschluss des Sudetenlandes wieder ab, hinterließen aber große Zerstörungen in der Infrastruktur.
Durch die Vereinigung der Gemeinde Oberkamnitz und Niederkamnitz mit der Stadt Böhmisch-Kamnitz im Jahre 1943 hatte das neue größere Gemeinwesen gut 8000 Einwohner. Infolge der kriegsbedingten Unterbringung von zahlreichen Ausgebombten aus Nordwestdeutschland und von mehreren verlagerten Betrieben, davon ein Erzeuger von Teilen für die lange geheime Fernwaffe V 2, stieg die Bevölkerungszahl in den letzten Kriegsjahren auf annähernd 12.000. In der Nähe der Stadt befand sich ein Lager mit Kriegsgefangenen ausländischen Offizieren.
Ortsteile Gemeinde
Höllegrund
Neder gibt an, dass Höllegrund 1830 gegründet wurde. Tatsächlich ist diese Ansiedlung bis Ende des 18. Jahrhunderts in keiner Landkarte und keinem Ortsverzeichnis aufgeführt. Erst in der Topografie von Sommer (1833) kommt „Höllegrund „vor. Es heißt dort: Es heißt dort: „21 auf Stadtgrund erbaute Häuser mit 91 Einwohnern. Wird für eine Vorstadt gehalten.“ Der Ortsname scheint von „Höhle“ abgeleitet zu sein und bedeutet daher so viel wie „Höhlental“.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wuchs Höllegrund nur langsam. Bei den Volkszählungen wurden folgende Feststellungen getroffen. 1869 28 Häuser mit 182 Einwohnern, 1890 35 Häuser mit 199 Einwohnern und 1910 39 Häuser mit 248 Einwohnern, die durchwegs Deutsche waren. Für 1908 gibt der Touristenführer von Hantschel an: “Der Ort liegt am Weißbach und an beiden Talhängen. Es befindet sich dort die Holzwollerzeugung des Josef Zimmer.“
Die häufigsten Familiennamen in Höllegrund waren 1934: Eschler, Knechtel, Esche, Richter, Böhm, Dörfel, Fliegel, Hille, Jahnel, Karsch, Michel, Ramisch, Schicht, Seidel, Stroppe, Zechert, Zinke.
Die Zahl der Häuser betrug damals 42.
Stadtteile Henne und Oberkamnitz
Die Ortsbezeichnung Henne und Oberkamnitz gaben bisweilen Anlass zur Verwechslungen, denn außer der Ortschaft Henne (Teil der Gemeinde Niederkamnitz) und der selbständigen Gemeinde Oberkamnitz gibt es gleichnamige Stadtteile, die zu Böhmisch-Kamnitz gehören.
Im ersteren Falle handelt es sich um Häuser, die an der Gemeindegrenze anschließend an das eigentliche Henne entstanden. Gemäß den Volkszählungen von 1869 und 1880 waren es 10 Häuser bzw. 17 Häuser mit 63 bzw. 123 Einwohnern. Später erfolgte keine getrennte statistische Nachweisung mehr.
Im Falle des Stadtteils Oberkamnitz liegt zwar ebenfalls eine Zusiedlung vor, doch scheint auch eine Stadterweiterung zulasten der Gemeinde Oberkamnitz zufolge zu sein. Nach der Volkszählung von 1869 und 1880 wurden 69 bzw. 72 Häuser mit 626 bzw. 667 Einwohnern zum Stadtteil Oberkamnitz gezählt. Es waren dies die letzten gesonderten statistischen Nachweisungen.
Lage
Die Stadt Böhmisch-Kamnitz liegt in etwa 290 bis 350 m Meereshöhe (Marktplatz 292 m) an der Stelle, wo der von Osten nach Westen fließenden Kamnitzbaches aus dem Bergland heraustritt und das zuerst enge Tal sich zu einer hügeligen Niederung erweitert. In der Stadt trifft die vom Westen aus Tetschen kommende Staatsstraße auf die 1826 bis 1833 ausgebaute Staatsstraße von Rumburg über Sandau und Leitmeritz (Nord-Süd-Richtung). Weiteres führen von Böhmisch-Kamnitz Bezirksstraßen nach Norden (Richtung Kunnersdorf, Kaltenbach, Rennersdorf) und nach Osten (Oberkamnitz, Hillemühl, Niederfalkenau). Die Staatsstraße nach Steinschönau und Haida zweigt in der östlich anschließenden Nachbargemeinde Oberkamnitz nach Südosten ab. Böhmisch-Kamnitz ist somit ein bedeutender Straßenknotenpunkt.
Die Entfernung des Stadtzentrums von Tetschen beträgt etwa 15 Straßen- und 21 Bahnkilometer.
Bodengestalt
Das Gebiet der Stadtgemeinde Böhmisch-Kamnitz ist mit Ausnahme der Innenstadt fast ausschließlich hügelig bis bergig. Der nördlich des Kamnitzbaches gelegene Teil steigt an mehreren Punkten über 400 m an und gipfelt in dem Felsen Nolde, d. h. Nadel, mit 489 m. Hier, besonders im Osten, befindet sich fast der ganze innerhalb der Gemeindegrenzen gelegene Wald, der 24 % der Gemeindefläche ausmacht, während im Nordwesten an der Ausfallstraße nach Kunnersdorf, mehr an der Grenze zu Niederkamnitz, der Ortsteil Höllegrund liegt. Das südlich des Kamnitzbaches gelegene Gemeindegebiet steigt allmählich an und erreicht an den Abhängen des Schlossberges, dessen Gipfel (544 m) in Oberkamnitz liegt, rund 400 m Meereshöhe. Dieser Teil mit dem an der Ausfallstraße nach Gersdorf gelegenen Ortsteil Henne ist überwiegend landwirtschaftlich genutzt.
Geologisch dominieren Sandsteinformationen und in den Talniederungen Lößboden. Die Nolde ist ein durch die Erosion des Sandsteins freigelegter Basaltschlot.
Das geschlossene Waldgebiet (120ha) nordöstlich der Stadt, das auch Naturpark „Brand“ genannt wurde, ist durch zahlreiche Wanderwege erschlossen, die zu beliebten Nahausflugszielen führen. Zu nennen sind neben der sagenumwobenen Nolde mit dem Trompeterstein und der dort 1885 errichteten Schutzhütte namentlich die stillen Noldengründe, die drei mit einem Eisensteg verbundenen Brandfelsen mit der Julius-Stanka-Warte (387 m), der Dreifaltigkeitsaltar und der schon in der Gemeinde Oberkamnitz gelegene Brüderaltar. Nolde und Brandfelsen sind geschätzt als Aussichtspunkt, erstere vornehmlich für Blicke über die Stadt und gegen Steinschönau, letzterer besonders gegen die Dittersbacher Felsen. An Gedenkstätten gab es in diesem Gebiet die Tellplatte, die Jahntafel und die Emanuel-Hegenbarth-Tafel. Zum Schutz vor Unwetter dienten die Münzel-Schutzhütte und die Rosegger-Hütte.
An den Abhängen des Noldengebietes zur Stadt liegt die Flur „Kleine Nolde“ („der ehemals dort befindliche 10 bis 12 m hohe Basaltfels wurde 1886 zu Nutzungszwecken abgebaut), der Galgenberg, das Schießhaus (erbaut 1869) mit der 30 m hohen Vogelstange und mehrere sog. „Heiden“ (Naherholungsgebiet der Städter).
Infolge seiner anmutigen zentralen Lage inmitten touristisch interessanter Gebiete wurde Böhmisch-Kamnitz gern von Sommerfrischlern als Aufenthaltsort gewählt. Gelegentlich wurde das Prädikat „Nordböhmisches Berchtesgaden“ gegeben.
Gewässer und Trinkwasserversorgung
Das wichtigste Gewässer von Böhmisch-Kamnitz ist der Kamnitzbach, der schon im Mittelalter zu Antriebszwecken genutzt wurde, aber auch als Schutz der Nordseite der Ansiedlung diente. Von ihm ist der durch die Stadt fließende und mehrfach verzweigte Mühlbach abgeleitet. Im Stadtbereich nimmt der Kamnitzbach von Norden her zwei Rinnsale auf, von denen eines aus der Richtung der Nolde kommt. Von Süden, aus dem Gebiet von Henne, fließt ihm das Bächlein „Flössel“ zu. In Zeiten der Schneeschmelze und bei starken Regenfällen war das Hochwasser des stark anschwellenden und reißenden Kamnitzbaches gefürchtet. Dem Übergang über den Bach dienen im Stadtgebiet 8 bis 10 Brücken und Stege.
Teiche: Nördlich der Stadt in Richtung des Galgenberges befinden sich drei kleine Teiche, von denen der oberste der Bräuhausteich ist und der mittlere als Schwimmbad Verwendung fand. Unweit davon lag der stark verwachsene, nur kleine Pfeifelteich. Der oft erwähnte Noldenteich gehörte bereits in die Gemarkung der Gemeinde Kunnersdorf. Im südlichen Teil der Gemeinde liegen der Schlossteich und bis zum Staatsstraßenbau in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die 3 Henneteiche (u. a. Barbarateich, erwähnt 1756, und der Streckenteich).
Trinkwasserversorgung: Böhmisch-Kamnitz Besitz – an Stelle ältere Teilwasserleitung mit Holzrohren, welche die „Röhrhütte“ am Marktplatz, den Brunnen am Roßmarkt sowie verschiedene andere Brunnen gespeist hatten – seit 1894 eine moderne Hochquellwasserleitung. Zuerst war das Quellgebiet beim Wüsten Schloß einbezogen worden; 1924 erfolgte die Erweiterung durch Fassung des Guten Born östlich vom Wüsten Schloss unterhalb der Hillemühler Straße. Die Ortschaften Höllegrund und Henne waren nicht angeschlossen, sondern hatten Hausbrunnen.
Flur- und Geländenamen
Nördlich des Kamnitzbaches: Schämkenberg, Gulcht, Jungfernberg, Kaplanei, Lunaheide, Rochlitzheide, Steinbüchel, Röhrbohrerwiesel, Städtische Brandmühle, Brandkamm, Brandlehne, Brandhöhle, Brandkessel, Pfeilfelwiese, Schützenbrache, Säuberg, Naßgallen, Viebich, Hexenkeller, Maler- oder Rötelgassel, Großvaterstuhl, Totenstein, Backofenstein, Taubengrund, Im Steinbruche, Schlosserwiese.
Südlich des Kamnitzbaches: Dechants-Gründel, Barbarahöhe, Kolscht, Hübels Kirchen, Weinberg, Forst, Henner Teich, Hochgewänd, Klötzerweg.
Entlang der Außenseite der ehemaligen Stadtmauer lag als Schutzgraben der „Barchan“, der auch in anderen Städten, z. B. Bensen, belegt ist.
Flurnamen ohne Lokalisierung: Lobenkenflur, Schützeninsel, Heilige Wiesen.
Bevölkerung und Erwerb
Als Mittelpunkt eines ländlichen Bezirkes hatte Böhmisch-Kamnitz schon seit Jahrhunderten einen wachsenden Anteil gewerblich tätigen Einwohner. Die Aufgliederung der Bevölkerungszahl nach Wirtschaftsbereichen im Jahre 1939 zeigt, daß 50 % der Einwohner von Industrie und Handwerk lebten, das ist zwar weniger als in Steinschönau (64 %) und Bensen (55 %), aber mehr als in Bodenbach (43 %) und in Tetschen (33 %), wo der Handel, Verkehr und der Dienstleistungsbereich eine große Rolle spielten, während diese Wirtschaftsbereiche in Böhmisch-Kamnitz lediglich durchschnittlich vertreten waren (18,3 bzw. 9,9 %). Unter den in Kamnitz ansässigen Industrien nahm die Textilindustrie den ersten Platz ein.
Auf Land- und Forstwirtschaft entfielen nur 4,1 % der Bevölkerung. Es gab nur 8 landwirtschaftliche Betriebe mit 5 bis 20 ha Fläche und – etwa entsprechend dazu – führt das Adressbuch von 1934 10 hauptberufliche Landwirte auf. Auch 1713 hatte es nur 7 Wirte mit bäuerlichen Ackerflächen (8Strich und mehr) gegeben. Die 1934 im Ortsteil Höllegrund aufgeführten 11 Landwirte besaßen durchwegs nur Kleinbäuerinnen Betriebe. Bei dem in der Tabelle (Übersicht) erscheinenden Betrieb mit über 100 ha Fläche scheint es sich um den Waldbesitz der Stadt zu handeln und nicht um den Großgrundbesitz des Fürsten Kinsky; denn dieser war mit seinen einzelnen Forstrevieren am jeweiligen Sitz der Förstereien gezählt worden.
Dem Industrialisierungsgrad der Stadt entsprach die Quote der Arbeiterschaft (42,9 %), jedoch waren auch die Selbständigen (20,1 %) verhältnismäßig stark, was auf eine hohe Zahl von kleineren Handels- und Handwerksbetrieben zurückzuführen war (z.B. 25 Gemischtwarenhandlungen und Krämer, 25 Schuhmacher, 20 Galanterie- und Kurzwarenhandlungen, jeweils ohne Kaufhäuser, Konsumläden u. a. größere Firmen).
Die in Böhmisch-Kamnitz wohnhaften Arbeitnehmer waren meist in der Stadt selbst oder in der näheren Umgebung (Ober- und Niederkamnitz, Steinschönau) beschäftigt. Nur wenige fuhren nach Bensen oder Tetschen-Bodenbach zur Arbeit.
Wichtigste Industriebetriebe: Baumwoll-, Zwirn- und Strickwarenfabriken Franz Preidl (seit den 30er Jahren von der AG der Kleinmünchner Baumwollspinnerei und mechanischen Weberei übernommen), Castor Wirkwarenfabrik F. W. Pilz, mechanische Kammgarnweberei L. Schäfer (bis 1938), mechanische Leinen-, Schafwolle- und Baumwollweberei und Spinnerei Florian Hübel, Wirkwarenfabrik Carl Schiffner (Mitte der 30er Jahre in Liquidation), Böhmisch-Kamnitzer Bekleidungswerke R. Geibel u. Sohn (vormals GEC-Produktions- und Einkaufsverband für Erwerbs- und Wirtschaftsvereinigung, Bekleidungswerke Böhmisch-Kamnitz), Böhmisch-Kamnitzer Lederfabriken (vorm. R. Schiffner), Strickmaschinenfabrik und Autoreparaturwerkstätten J. Purkert, Eisengießerei und Maschinenfabrik Adolf Renger, Holzmöbelfabrik Emil Nitsche, Drechslerwarenfabrik Theodor Wenzel, „Halie“-Betrieb, Erzeugung von Fotohilfsmitteln und chem.-techn. Artikel H. Liebsch & A. Giebe, Glasraffinerien und Glasexportgeschäfte Anton Hegenbarth Söhne, Arnold Heide, Herbert Heide, Heide & Sommer-Zinke, Josef Johne, Emanuel Stanka sowie Josef Dörre, Sägewerk Franz Büchse Sohn, Ulrich Ferdinand Kinsky‘sche Brauerei (einschließlich der in den 30er Jahren übernommenen Bürgerlichen Braukommune), Schuhfabrik D. Orbits h.
An alten traditionsreichen Handwerken wurde in Böhmisch-Kamnitz bis in die 30er Jahre ausgeübt: Seilerei Hoffmann, Strumpfwirkereien A. Bauer, H. Bauer und M. Langer, Korbflechterei M. Heinrich, Feilenhauerei Bittner, Tontöpferei Günter usw.
Sparkassen und Banken: Älteste Geldinstitute der Stadt sind die Spar- und Kreditverein (auch Unterstützungsverein genannt), gegr. 1863, und die Böhmisch-Kamnitzer Sparkasse, gegr. 1873. Beide bestanden bis 1945. Die Sparkasse hatte 1933 durch Verfügung der Regierung die in Schwierigkeiten geratene Steinschönauer Sparkasse übernommen und diese als Haupt-Zweigstelle weitergeführt; deren Einlagenstand betrug am 1. Januar 1943: 18 Mill RM.
Bevölkerung 1939 waren es 4360 Bewohner zu 1930 mit 4790 Bewohnern der Gemeinde.
Noch vor 1909 eröffneten folgende weitere Kreditinstitute: die Expositur Böhmisch-Kamnitz der k.k. privilegierten Bank- und Wechselstuben AG „Merkur“ Wien, die Zahlstelle Böhmisch-Kamnitz der Deutschen Volksbank Leitmeritz, die Gewerbliche Spar- und Vorschußkasse samt Pfandleihanstalt und der Spar- und Darlehensverein für den Pfarrsprengel Böhmisch-Kamnitz (=Reifeisenkasse). Von diesen bestand nur die letztere bis 1945. Hingegen existierte die Gewerbliche Kasse bereits 1921 nicht mehr und die Zweigstelle der Merkur-Bank sowie der Volksbank Leitmeritz wurden in den 20er Jahren zuerst von der Böhmischen Kommerzialbank und dann von der Anglo-Tschechoslowakischen und Prager Kreditbank („Anglobank“) übernommen, die 1939 ihre Schalter schloss.
Als neue Kreditinstitute kamen 1917 die Filiale der Böhmischen Eskompte Bank (ab 1919: und Kreditanstalt, „Bebca“) und 1923 die Filiale der Kreditanstalt der Deutschen (KdD) hinzu. Letztere bestand bis 1945, während die 1939 von der Dresdner Bank übernommene Eskomptebank im Jahre 1943 wegen des totalen Krieges geschlossen wurde. Die 1939 gegründete landwirtschaftliche Bezirksvorschußkasse („Volksbank“) war bis 1945 geöffnet.
Genossenschaften: Genossenschaftliche Zusammenschlüsse gab es in Böhmisch-Kamnitz 12, und zwar die Genossenschaften der Schuhmacher, der Bäcker, der Kleidermacher und Kleidermacherinnen, des Baugewerbes, der Fleischer und Selcher, der Friseure und Perückenmacher, der Gastwirte, der Lackierer und Anstreicher, der Zuckerbäcker, Lebzelter, Kuchenbäcker usw., des Handels, der Strumpfwirker sowie des gemeinnützigen Bau- und Wohnungswesens.
Konsumvereine gab es in Böhmisch-Kamnitz zwei, und zwar den Arbeiterkonsum „Einigkeit „(gegr. vor 1909) mit zahlreichen Filialen in den umliegenden Dörfern und den Eisenbahner-Konsum (gegr. um 1920).
An freien Berufen verzeichnet das Adressbuch von 1942 in Böhmisch-Kamnitz: 4 Rechtsanwälte, 9 Ärzte, einschließlich Zahnärzte, 2 Tierärzte, 4 Dentisten und 2 Apotheken, und zwar die 1780 gegründete erste Apotheke und die in den 30er Jahren hinzugekommene „Marienapotheke“.
Personen des öffentlichen Lebens
Johannes Eduard Hegenbarth (Pseudonym: Hannes Hegen) wurde am 16. Mai 1925 in Böhmisch Kamnitz geboren; Produzent der Jugendzeitung „Digdags“ bis Ausgabe 223 1975; verstorben 8.November 2014 in Berlin.
Verkehr, Gastgewerbe, Sport
Verkehr: Böhmisch-Kamnitz hat einen Bahnhof der Anfang 1869 eröffneten böhmischen Nordbahn, die von Tetschen über Bensen und Kamnitz ins nordböhmische Niederland führt (Rumburg, Schluckenau, Warnsdorfer). Seit 1886 zweigt in Böhmisch-Kamnitz von der Nordbahn die sog. „Sekundärhandlung“ nach Steinschönau ab, von wo aus 1903 die „Lokalbahn“ nach Böhmisch-Leipa weitergeführt wurde. – Postamt in Böhmisch-Kamnitz seit 1845.-
Autobusverbindungen: über Bensen nach Tetschen, über Steinschönau und Haida nach Böhmisch-Leipa, über Johnsbach und Windisch-Kamnitz nach Dittersbach (VDU) sowie über Henne nach Gersdorf.
Gastgewerbe: Entsprechend dem wirtschaftlichen Aufblühen der Stadt seit dem 19. Jahrhundert besaß Böhmisch-Kamnitz ein gut entwickeltes Gast- und Beherbergungsgewerbe. An der Spitze 4 Hotels: „Schwarzes Roß“ mit 14 Zimmern (J. Hebestreidt, Marktplatz 1), „Stern“ mit 11 Zimmern (M. Anders, Tetschner Str. 55), „Bahnhofs Hotel“ (R. Schmid, Bahnhofstraße. 46) und „Deutsches Haus“ (Topfmarkt 6), aufgelassen um 1930. Daneben gab es rund 24 Gasthöfe, Gasthäuser und Speisehäuser, 4 Kaffeehäuser, und zwar „Central“, „Erstes Kaffee“ Knappe, Keßler und Fiedler, sowie 4 Kaffeeschankbetriebe.
Der älteste Gastgewerbebetrieb dürfte das Gasthaus „Zum blauen Löwen“, Marktplatz 2, gewesen sein, das 1576 erwähnt ist. Zur Zeit der StR von 1654 hatte Böhmisch-Kamnitz 3 Gastwirte; außer dem genannten „Löwen „dürften dies die Gasthäuser „Schwarzes Roß“, Marktplatz 1 (belegt 1640) und „Zur Sonne“, Marktplatz 9 (genannt im 16. und 17. Jahrhundert) gewesen sein. Um 1840 waren in der Stadt mindestens 10 Gasthäuser, nämlich „Schwarzes Roß“, „Zur Sonne“, „Zum Nordpolfahrer“, „Post“, „Zu drei Karpfen“, „Zum letzten Pfenning“, „Schwarzer Adler“, „Blauer Löwe“, „Zum grünen Kranze“, und „Zum Bär“ (die zwei letzteren um 1900 aufgelassen). Im Jahre 1869 wurde der Gasthof „Schützenhaus“ erbaut (1937: 20 Fremdenzimmer mit 50 Betten), vor 1883 entstand das Hotel „Stern“ und vor 1894 das Hotel „Deutsches Haus“.
Nach dem Stand von 1909 gab es außer den vorgenannten folgenden Gastgewerbebetriebe in der Stadt: „Bierhalle„, ‚Zur Taube“, „Kellerrestauration“, Josef Krause, Rudolf Michel (später „Kurschmiede“), „Turnhalle„, „Rengers Weinschank“, „Solingers Gasthaus“, „Zur Quelle“, „Deutsche Bierstube“, „Zur Lindenhöhe“, „Zur Nordbahn“, „Zum Dreieck“, „Dittrichs Restaurant“, „Zum grünen Baum“, Adolf Lehnert und „Zur Wilhelmshöh“. Mit Ausnahme der 6 letzteren bestanden alle bis 1945.
Im Höllegrund waren die Gasthäuser „Zum Bad“ und „Zum grünen Tal“, im Böhmisch-Kamnitzer Ortsteil Henne die Gasthäuser „Zur Lindenallee“, später „Zur Barbarahöh“, „Zur Wartburg“ und „Zum Franz Josefs Land“, später „Engländer“, ebenfalls schon 1909 in Betrieb und hatten bis 1945 Bestand.
Sportanlagen: Turnhalle, Turnplatz, Tennisplätze, 2 Sportplätze; ursprünglicher Badeteich, durch Initiative des Industriellen Franz Karsch umgebaut in ein betoniertes Freibadbecken mit 28.000 hl Fassungsgehalt (Versorgung durch Hochquellwasserleitung), Badeanstalt (sog. „Schwimmschule“) mit moderner Kabinenanlage, Spiel- und Liegewiesen; Eislaufplatz.
Pfarrei, Matriken, Kirchen
Die Pfarrei Böhmisch-Kamnitz dürfte gleichzeitig mit der dörflichen Gründung von Kamnitz Anfang des 13. Jahrhunderts gegründet worden sein. Bei der Stadterhebung im Laufe des gleichen Jahrhunderts blieb die Pfarrkirche- wie auch in Tetschen – außerhalb der Stadtbefestigung, erhielt aber eine eigene Schutzmauer. Die älteste Nennung der Pfarrei bietet das lateinisch geführte Papstzehentregister von 1352, demzufolge „Kamenycz oppidum“ (= Stadt Kamnitz), im Dekanat Leipa gelegen, 9 Groschen halbjährlich abzuführen hatte. Dieser Betrag lässt auf 108 zehentpflichtige Häuser schließen. Da die Stadt im engeren Sinne aus 67 Häusern (innerhalb der Mauern) bestand, entfallen auf die zugehörigen Ortschaften offenbar 41 Häuser. Die Ortschaften Ober- und Niederkamnitz, Hasel, Johnsbach, Kaltenbach und Kunnersdorf/B.-Kamnitz haben aber zusammen 86 Bauern. Dies lässt den Schluss zu, dass damals die Ortschaften noch nicht voll ausgebaut oder – als junge Ansiedlung- noch nicht voll zinspflichtig waren. Das Pfarrwidum umfasste gemäß dem Dominikalkataster von 1756 bis 48 Strich (davon Äcker, 44 und je 2 Strich Trischfelder und Weiden); hinzu kamen 27 Fuder Wiesen. Diese für ein städtisches Pfarrgut sehr großen Flächen lassen den Schluss zu, dass die Pfarrei schon mit der dörflichen Gründung, also vor der Stadterhebung, eingerichtet worden war.
Im Jahre 1517 wurde in Kamnitz ein neues Dekanat errichtet, das aber hinfällig war, als die Pfarrei von 1532 bis 1624 dem lutherischen Glauben anhing. Als Pastoren wirkten damals u. a.: ab 1532 Johann Weinhardt (oder Manharth), 1553 bis 1575 Lorenz Drescher (Dresserus), 1598 bis 1607 Samuel Killer und bis 1624 Simon Münch, Georg oder Ludwig, Profelt und Johann Hofmann. Als Diakone waren tätig: 1561 Gregor Reinhard, 1574 bis 1576 Balthasar Cademann, 1596 bis 1604 Melchior Kittel und Martin Langhans. Die Gegenreformation gestaltete sich langwierig. Noch 1652 wurden in Pfarrsprengel 1321 Neubekehrte und 877 Protestanten gezählt; erst 1672 soll die Stadt wieder rein katholisch gewesen sein.
Bekannte katholische Pfarrer waren: Benedikt Conrad (gest. 1650), Thomas Theodor Tischke (gest. 1655), Franziskus Franz (gest. 1656). Unter dem Pfarrer August Franz Keindl wurde Böhmisch-Kamnitz 1662 wiederum zum Dekanat erhoben. Es folgten die Dechanten: Andreas Fromm (1669), Gottfried Benedikt Reinisch (gest. 1687), Heinrich Ignaz Teigel (1713-1735), Johann Ignaz Püschl (1735-1739), Wenzel Strohbach (gest. 1766), August Zippe (bis 1781, dann k.k. Wirklicher Hofrat am Theologischen Seminar in Wien, Mitarbeiter Kaiser Josephs II), Heinrich oder Georg Mentschel (1812 bis 1834) und Florian Kindermann (1834-1844), Dechant Fleck um 1900.
Im 19. Jahrhundert reichte der Bereich des neu gebildeten röm.-kath. Vikariats Böhmisch-Kamnitz westlich bis an die Elbe und schloss u. a. auch die Pfarrei Tetschen mit ein. Seit dem 20. Jahrhundert beschränkte sich das Vikariat auf das Gebiet des gleichnamigen Gerichtsbezirkes zuzüglich der Pfarrei Bensen und Ober-Ebersdorf.
Die Matriken der Pfarrei Böhmisch-Kamnitz sind durchwegs seit 1630, dem Zeitpunkt des Beginns der Rekatholisierung, erhalten. Lücken bestehen lediglich für die Jahre 1714 bis 1735. Hinzu kommen ab 1869 die Kirchenbücher der damals neu gegründeten evangelischen Gemeinde.
Der Pfarrsprengel umfasste außer der Stadt auch die Gemeinden Ober- und Niederkamnitz, Hasel, Johnsbach, Kaltenbach und Kunnersdorf/B.-Kamnitz mit den dazugehörigen Ortschaften. Ursprünglich gehörte auch Gersdorf und – bis zu seiner 1787 erfolgten Umpfarrung nach Dittersbach – auch Rennersdorf dazu. Zur Zeit der Gegenreformation von etwa 1630 bis um 1650 wurden die Pfarreien Arnsdorf, Markersdorf, Rosendorf und Steinschönau vorübergehend von Böhmisch-Kamnitz aus verwaltet. Ober-Preschkau gehörte sogar bis 1852, Windisch-Kamnitz bis 1856 und Gersdorf kurzfristig bis 1853 dazu.
Die letzten deutschen Pfarrer der Stadtpfarrei St. Jakob waren: Bischöflicher Notar und Dechant Anton Wenzel (vor 1909 bis 1915), Dechant Franz Weikert (1915 bis 1919), Administrator Pater Franz Kumpf (um 1921), Konsistorialrat und Dechant Heinrich Marschner (1922 bis 1934) sowie Dechant August Frenzel (1934 bis 1945). Sämtliche Pfarrer übten das Amt des Bezirksvikärs aus. Außerdem waren zwei Kapläne (belegt auch 1833) und – in der Marienkapelle – ein Altarist (Benefiziat) tätig.



Stadtpfarrkirche zum Heiligen Jakobus dem Älteren
Der älteste, wohl teils hölzerne Bau ging 1445 bei der Eroberung der Stadt durch die Lausitzer Sechsstädte in Flammen auf. Der folgende zweite Kirchenbau wurde 1562 teils abgerissen und teils – zusammen mit dem 1555 errichteten Turm (Höhe bis zur Spitze 46 m, bis zum Umgang 28 m) – in den breiten dritten Neubau einbezogen. Nach einer Erweiterung im Jahre 1587 erfolgte eine neuerliche Umgestaltung 1604/05 durch den Kamnitzer Baummeister Peter Parzenhauer. Um 1801 wurde das Kircheninnere nicht eben kunstverständig verändert (Abtragung der prächtigen Emporen-Stirnwände und Einsatz durch längere Holzanbauten zwecks Erweiterung). 1886 und 1922 wurden gründliche, sachverständige Renovierungen vorgenommen.
Das Kirchenbauwerk ist gotisch, weist aber Zubauten aus späteren Stilepochen auf. Der älteste Teil ist das offenbar frühgotische, tonnengewölbte Presbyterium mit Gesimsen, Sternmusterwerk und Fresken von der Verklärung Christi. Die dreischiffige Halle hat spätgotische Merkmale, vor allem spitzbogige Maßfenster, Spitzportal an der Westfront, und wird von polygonalen Pfeilern unterteilt. Haupt- und Seitenschiffe sind von Netzgewölben mit Stuckrippen nach oben hin abgeschlossen.
Im Westteil der Halle ist die Empore durch Kreuz- und Sterngewölbe unterwölbt. Die um 1600 in den Seitenschiffen eingebauten Emporen (Mischung von Gotik und Renaissance) tragen an den Brüstungen einen prächtigen Schmuck an Wappen, Ornamenten und Inschriften (Steinmetz Valtin Wollde aus Meißen), die eine hochinteressante Chronik darstellen. Es handelt sich um steinerne Wappen der Familien von Michelsberg, von Wartenberg, von Schönfeld, von Salhausen, von Coreth, von Kolowrat, von Schlick und von Weitmühl. Von den Fenstern sind zwei Figuranten spätgotische Farbenfenster (Herz Jesu, Herz Mariä) bedeutend; sie sind Geschenke des Valentin Schürer von der Falkenauer Glashütte.
Das Bild der Enthauptung des hl. Jakobus am Hauptaltar (1797) stammt entweder von Dominik Josef Kindermann (*Schluckenau 1739, ♰ Schönlinde 1817) oder vom österreichischen Spätbarock-Maler Martin Johann Schmidt, genannt Kremser-Schmidt (1718-1801). Von letzterem soll auch das eine Seitenaltarbild (Tod Josefs) sein, während das andere ein Werk des Georgenthaler Malers Donat ist.
Die Wandbemalung (im Altarraum die sieben Propheten, im Schiff ornamental) von Anfang des 17. Jahrhunderts stammen vom Tetschner Maler Hans Teufel, die Deckengemälde von Tetschner Maler Kitzinger; letztere freigelegt 1922.
Als sehr beachtenswert gelten mehrere Grabsteine an den Wänden sowie das Marmor-Epitaph Christophs von Wartenberg (♰ 1537) von Heinrich oder Christoph Walter aus Dresden rechts beim Haupteingang. Es stellt einen knienden Ritter im Hochrelif mit Wappen dar. Die Inschrift lautet: „Nach Christi Geburt MDXXXVII Jar am Tag, Sant Martini ist verschieden der edele und wolgeborne Her, Her Christoff, Her von Wartenberg, oberster Schengk des Königreiches Bemhen. Dem Gott gerodet.“ Es ist einer der schönsten Rittergrabsteine der Renaissance.
Die Einrichtung der Kirche ist barock und entstammt dem 18. Jahrhundert. Die Orgel ist 1754 von Damnitius in Zittau geschaffen worden.
In der Gruft unter dem Kirchenschiff ruhen 8 Mitglieder der Familie Wartenberg in sechs Zinn- und zwei Kupfersärgen, u.a. Heinrich von Wartenberg (♰ 1604), Siegmund von Wartenberg (♰ 1608), Ursula Schlick von Passaun (♰ 1588). An den letzten Sarg knüpft sich mancherlei Sagen.
Wallfahrtskapelle Mariä Geburt
Lange vor der Errichtung der Marienkapelle war 1680 von dem Holzbildhauer Christian Ullrich in Zittau die später als wundertätig geltende Marienstatue geschaffen worden (Auftraggeber: Orgelbauer Tobias Fleck in Böhmisch- Kamnitz). Zuerst stand die Statue auf einem Nebenaltar der Pfarrkirche, dann zeitweise in der Friedhofskapelle und ab 1713 wiederum in der Kirche. Wegen der um 1730 geschehenen 129 Mirakel, darunter 16 in Böhmisch-Kamnitz, wurde in den folgenden Jahren die Errichtung der Kapelle beschlossen.
Der Grundstein wurde 1736 in Gegenwart des Bürgsteiner Grafen Joseph Philipp Kinsky und des Dechanten Johann Pöschel vom Baumeister Jakob Schwarz aus Aussig gelegt. In den architektonischen Grundzügen erinnert die Kapelle an den Architekten Lukas von Hildebrand. Die Einweihung und Aufstellung des Marienbildnisses erfolgte 1739, die Vollendung des Baues jedoch erst 1763 durch den Kamnitzer Baumeister Johann Georg Katschinka (Gesamtbaukosten 60.000 fl).
Die durchwegs barocke Kapelle hat einen kreisförmigen Grundriss und steht inmitten eines quadratischen Umganges (Kreuzgang mit fast durchlaufenden Platzelgewölbe), der in der Achse der Hauptfront einen Turm mit zwiebelartiger Haube (fertig 1849) und viereckige kuppelgewölbte Eckkapellen hat.
Der Kapellenrundbau ist von einer Kuppel gedeckt und außen von zahlreichen Sandsteinplastiken geziert, von denen die meisten von Johann Wenzel Füger aus Markersdorf gefertigt sind , welche der Schule der Bildhauerfamilie Brokoff nahekommt. Als bedeutendste Stücke gelten die vier Heiligen zwischen den Ecktürmchen. Vor der Kapelle stehen Statuen zweier Landesheiligen von Böhmen: Veit und Johann von Nepomuk.
Die Inneneinrichtung stammt überwiegend aus der Zeit des Kapellenbaues, wurde aber im Zuge der Renovierung 1883 bis 1885 ergänzt. Der vierfache Hauptaltar ist ein Werk des Prager Bildhauers Johann Josef Klein aus dem Jahre 1746, der Aloysi-Altar von Johann Lampel aus Prag (1750), staffiert von dem Kamnitzer Maler Fr. Knechtel, und die Kanzel vom Bildhauer Josef Max in Bürgstein. Im Kreuzgang befinden sich der Freundschaft-Christi-Altar (1757), der Nepomuk-Altar vom Bildhauer Nikolaus aus Leipa (1715), der Bruderschaftsaltar (ehemals in der Dekanalkirche), der Herz-Jesu-Altar und der Floriani-Altar (um 1850). Die Wände sind bis hoch in die Kuppel hinauf mit kunstvollen Darstellungen aus dem Leben der Gottesmutter und aus der Apokalypse in Freskomalerei von Ferdinand Brunetti sowie teils mit Stuckarbeiten geziert. Sämtliche Fenster – teils figürlich, teils ornamental – sind Glasgemälde von vorzüglicher Ausführung.
Die Orgel wurde 1763 von Benedikt Matzke in Böhmisch-Kamnitz hergestellt und 1840 von Franz Feller aus Königswald renoviert. Die ursprünglichen drei Glocken waren von den heimischen Handwerkern Josef Pitschmann in Hemmehübel (größte Glocke), G. W. Paul in Leipa und Brickner gegossen. Sie mussten im Ersten Weltkrieg teils abgeliefert werden und wurden später ersetzt.
Seit den in den Jahren 1883 bis 1885 auf Kosten des Industriellen und Herrschaftsbesitzers Franz Preidl, Edlen von Hassenbrunn, durchgeführten großzügigen Renovierungsarbeiten gilt die Marienkapelle als „künstlerisches Schaustück“ (F. Hantschel). In der Vorhalle befindet sich auf einer Marmortafel eine Inschrift zum Gedenken an diese Renovierung durch den Mäzen Preidl. Zur 200. Wiederkehr des Jahres der Kapelleneinweihung wurde im Juli 1939 eine große Jubelfeier veranstaltet (Lichtprozession, Scheinwerferanstrahlung usw.)
Dreifaltigkeitskapelle an der Ausfallstraße nach Sandau (Leipaer Straße): Dies ist eine Wegekapelle in der Art von Stationskapellen. Sie hat einen turmförmigen Giebelaufsatz, in welchem die Statue der hl. Babara steht. Errichtet wurde sie neben der älteren Barbarasäule auf der Barbarahöhe im Jahre 1694 vom Böhmisch-Kamnitzer Bürger Josef Luna. Das Dreifaltigkeitsbild im Inneren stammt vielleicht aus der Kapelle des alten Salhausen-Schlösschen in der Tetschner Gasse Nr. 35.
Barbarasäule: Ebenfalls an der Leipaer Straße, 4 m hoch, 1627 oder 1675 errichtet. Hier soll schon im 15. Jahrhundert eine Babarakapelle gestanden sein (J. Fleck).
Weitere Andachtstätten: Brüderaltar (siehe Gemeinde Oberkamnitz), Dreifaltigkeitsaltar (siehe Punkt 5. Bodengestallt) sowie Mariensäule am Marktbrunnen und Michaelstatue.
Im Jahre 1937 ließ sich die tschechoslowakische Provinz des Ordens der Armen Dienstmägde Christi in Böhmisch-Kamnitz nieder und übernahm u. a. die Pflegedienste im Bezirkskrankenhaus.
Kirchenfeste und Gelöbnistage: Patroziniumsfest der Stadtpfarrkirche zu Jakobi am 25. Juli unter Beteiligung des ganzen Pfarrsprengels. – Kapellenfest der Marienkapelle zu Mariä Geburt am 8. September. An diesem Tage und am Vortage kamen Prozessionen mit tausenden Menschen nach Böhmisch-Kamnitz, teils aus vielen Ortschaften der näheren Umgebung, u. a. die Kunnersdorfer Prozession mit Musik (siehe auch bei den Nachbargemeinden), teils aber auch von weither, z. B. aus Nixdorf, Königswalde und Schluckenau, letztere erst zu Mariä Namen, das ist der Sonntag nach Mariä Geburt. In diesen Wochen wurde ein großer Markt abgehalten, dessen Verkaufsstände hauptsächlich am Marktplatz, am Topfmarkt, am Roßmarkt und in der Kapellengasse standen. Da aber schon acht Wochen vor dem Hauptfesttage zahlreiche andere Prozessionen zur Marienkapelle kamen, sprach man gern von den „Kamnitzer Wallfahrtswochen“. Den Anfang machten die Kaltenbacher und Limbacher am 13. Juni (acht Tage währende Antonifest), es folgten Hasel am 2. Juli mit seinem Gelöbnistag und Prozession, der Kamnitzer Ortsteil Henne am 26. Juli (St. Anna), Blottendorf/Kreis Böhmisch-Leipa und Ober-Preschkau am 5. August (Maria Schnee) und Philippsdorf mit seinem Gelöbnistag am 25. August (Philippus). Alle Prozessionen waren von Musikkapellen begleitet. – Der Gelöbnistag der Stadt Böhmisch-Kamnitz war der 21. November (Mariä Opferung) und Erinnerung an das Erlöschen der Pest 1713 (Bräuche: dreitägiges Ausstellen des „Pestwagels“ im Kreuzgang der Marienkapelle, Turmblasen während acht Tagen u. a.)
Bittage mit Umzügen zu den Wegekreuzen: In Böhmisch-Kamnitz wurden vor Christi Himmelfahrt drei Bittage begangen. Der Umzug des ersten Tages – ausgehend von der Stadtpfarrkirche nach der 6-Uhr-Frühmesse, wie auch an den beiden anderen Tagen – nahm folgenden Weg: Kreuz am Kellern (beim Bürgerlichen Bräuhaus (, Kreuz in Karschens Garten (Schillerstraße), Rochlitzkreuz am Säuberg und Hegebarthkreuz (Obere Straße). Zweiter Tag: Kreuz beim Lebensmittelgeschäft Beitlich (Neue Gasse), Säule auf der Barbarahöhe, Kreuz beim Hübelhaus (Schüttbodenstraße) und Kreuz bei der Liebischmühle (Mühlplatz). Dritter Tag: Kreuz beim Museum, Kreuz beim Büchsegut, Kreuz bei Wenzels Fabrik (Gartenstraße) und Kaspers Kreuz beim Gasthaus „Zum letzten Pfennig“. – Weiters fand zu Markus (25. April) ein Umzug statt, der das Kreuz bei Haufert und Eiselt Uhrmacher zum Ziele hatte. Ein Kreuz stand unter dem Kreuzbaum am Weg zum Schlossberg.
Der Friedhof für den gesamten Pfarrsprengel war ursprünglich rings um die Pfarrkirche, befand sich aber bereits seit 1643 nördlich außerhalb der Stadt am Kunnersdorferweg und hatte eine Friedhofskapelle, an deren Stelle später die Marienkapelle errichtet wurde. Dort steht auch das um 1889 erbaute Mausoleum der Familie Preidl von Hassenbrunn-Karsch. Obwohl 1850 eine Erweiterung des alten Friedhofs erfolgte, musste 1922 ein neuer Friedhof weiter nordwestlich, nahe der Straße nach Philippsdorf, auf Niederkamnitzer Gebiet angelegt werden.
Evangelische-Gemeinde
Böhmisch-Kamnitz hatte in Anbetracht seines evangelischen Bevölkerungsanteils schon seit 1869 eine Predigtstadtion der evangelischen Gemeinde A. B. Im Jahre 1930 wurde als eigenes Gotteshaus die deutsch evangelische Christuskirche gebaut, die zur Pfarrei Rosendorf gehörte und von einem Kurator verwaltet wurde. Künstlerisch zeichnet sich diese Kirche besonders durch ihre Glasfenster aus, die vom Graslitzer Maler Franz Gruß entworfen und vom Kamnitzer Kunstglas- und Hinterglasmalerei Franz Tschörner ausgeführt worden war. Sie stellen Motive aus der Zeit der Gegenreformation dar. Sehenswert ist auch das gläserne Taufbecken. Der Baustil des Kirchenschiffes empfindet den romanischen Stil nach. Der Helm des Turmes erinnert an den Turm der Stadtpfarrkirche.
Schulen
Die Anfänge der Böhmisch-Kamnitzer Schulen liegen, in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts, wenn nicht noch früher. Im ältesten Stadtbuch ist 1419 „Nicol Schulmeyster“ erwähnt. Im 16. Jahrhundert erfolgte unter den lutherischen Pastoren eine Verbesserung des Schulwesens; schon vor 1562 wurde ein neues Schulhaus gebaut. Gemäß dem TK von 1713 hatte Böhmisch-Kamnitz einen Lehrer. Im Jahre 1785 befand sich die Schule im erweiterten Anwesen Nr. 108 nahe bei der Pfarrkirche und 1802 erfolgte die Teilung in eine Knaben- und Mädchenschule. Schon 1833 besaß Böhmisch-Kamnitz zwei Knabenschulen mit den Lehrern Anton Rösler und August Glogler sowie eine Mädchenschule mit dem Lehrer Franz Hanke. Die Knaben- und Mädchenschule waren nach dem Stand von 1903 und 1914beide fünfklassig. Für die vorschulische Erziehung stand bereits 1914 ein öffentlicher Kindergarten zur Verfügung. Seit den 20er Jahren gab es zwei Knaben- und zwei Mädchenschulen mit zunächst je vier und dann drei Klassen. Nach dem Anschluss des Sudetenlandes wurde die volle Klassenzahl wiederhergestellt.
Zusätzlich zu den Volksschulen wurde in Böhmisch-Kamnitz 1883 eine Knabenbürgerschule in einem neuen Schulhaus errichtet (Geldmittel: Schneider‘sches Legat von 32.000 fl) und 1894 eine Mädchenbürgerschule gegründet. Beide Schulen hatten je drei Klassen und es unterrichteten 1903 5 bzw. 3 Lehrkräfte. Etwa 1908/09 erhielten die Knabenvolks- und die Knabenbürgerschule zusammen ein neues Gebäude. In den 30er Jahren umfassten beide Bürgerschulen je vier Klassen. Nach dem Anschluss des Sudetenlandes im Jahre 1938 wurden die Anstalten umgewandelt in dreiklassige Hauptschulen, an denen je 10 Lehrkräfte unterrichteten.
Im Jahre 1873 wurde die zweitklassige Gewerbliche Fortbildungsschule eingerichtet; sie hatte 1909 sechs Abteilungen, später nur fünf bzw. drei. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde eine Gewerbliche Fortbildungsschule für Kleidermacherinnen mit zwei Fachklassen gegründet.
Der Schulsprengel für das deutsche Schulwesen in Böhmisch-Kamnitz umfasste außer der Stadt einschließlich Höllegrund auch die Gemeinde Ober- und Niederkamnitz, letzteres aber ohne Philippsdorf, da dieses eine eigene Schule hatte.
Gleich nach dem Ersten Weltkrieg kam es zur Gründung einer tschechischen Minderheiten-Volksschule, die 1934 zweitklassig war und 1938 geschlossen wurde. Ebenso wurde der seit etwa 1930 geführte tschechische Kindergarten nach dem Anschluss des Sudetenlandes wieder aufgelassen.
Verwaltung, Behörden
Verwaltungsgeschichte bis Ende des 18. Jahrhunderts
Aus den ersten hundert Jahren seit der Erhebung von Kamnitz zur Stadt sind zwar keine direkten Nachrichten über die städtischen Privilegien und den verwaltungsmäßigen Aufbau überliefert. Jedoch lassen eine königliche Urkunde aus dem 13. Jahrhundert, mehrere städtische und herrschaftliche Urkunden von Ende des 14. Jahrhunderts sowie weitere aus dem 15. und 16. Jahrhunderte eindeutige Rückschlüsse auf die älteste urkundenlose Zeit zu. Kamnitz muss ursprünglich eine königliche Stadt gewesen sein (gegründet während der Regierungszeit Premysl Ottokars II., 1253 bis 1278), denn König Wenzel II. (1278 bis 1308) beauftragte in einer Urkunde seine Bürgerschaft in „Kemnitz“, die Stadt außerhalb ihrer Mauern auf königliche Kosten mit Wall und Graben zu versehen. Dies lässt den Schluss zu, daß es sich damals bereits um eine voll ausgebaute und berechnete Stadt gehandelt haben muss.
Eine zweite wichtige Aussage bietet das Papstzehentregister von 1352. Demnach hatte die Pfarrei Kamnitz (bestehend aus der Stadt und mehreren Dörfern) einen halbjährlichen Zehent von 9 Groschen abzuführen, was auf 108 Häuser im Pfarrbereich schließen lässt, davon 68 in der Stadt. Die Höhe des Zehents entspricht dem der Pfarrei Höflitz, ist aber sichtlich niedriger als in den Stadtpfarreien Bensen (12 Groschen) und Tetschen (30 Groschen).
Offenbar waren – nachdem die Zahl der Bürger der drei Städte einander entsprach – mehrere in der Folgezeit zur Kamnitzer Pfarrei gehörende Dörfer noch nicht voll ausgebaut.
Mit dem Jahre 1380 werden die urkundlichen Quellen über die Stadt Kamnitz und ihre Dörfer reichhaltiger, denn in jenem Jahr wurde das älteste Kamnitzer Stadtbuch mit Genehmigung und Bestätigung des Grundherrn Johann III. von Michelsberg begonnen. Es ist nach dem Stadtbuch der Prager Altstadt und dem Stadtbuch von Neu-Bydschow das drittälteste in Böhmen und wurde ausschließlich in deutscher Sprache geführt (spätes Mittelhochdeutsch in obersächsischer Färbung). Es reicht bis 1511 und enthält auf 93 Seiten 219 Eintragungen.
Privilegien und Stadtverfassung
Aufgrund des Stadtbuches sowie aufgrund der in den Jahren 1383, 1394, 1511, 1568 und 1592 der Stadt Kamnitz ausgestellten Privilegien samt Privilegien Bestätigungen stellt sich die Gesamtheit der Stadtprivilegien wie folgt dar:
1. Stadtrecht nach Magdeburger Art, das alle landesüblichen Gewohnheiten und Rechte einschloss, also auch hinsichtlich der Abhaltung von Märkten, hinsichtlich Maß und Gewicht und hinsichtlich der Handwerksbannmeile.
2. Gerichtsbarkeit und Verwaltung zunächst in Form eines Erbgerichtes mit 12 Schöffen. Ab 1380 Umwandlung in eine Ratsverfassung mit 12 Räten, von denen einer Bürgermeister war, mit jährlicher Wahl. Daneben Älteste, die von 6 Räten und 6 weiteren Bürgern aus der Gemeinde gewählt wurden. Den Vorsitz des Gerichtes übernahm ein vom Grundherrn bestellten Vogt, der später Stadtrichter und ab 1451 auch Amtmann genannt wurde. Dieser war vom Grundherrn aus der Bürgschaft zu bestimmen. Ab 1593 alle drei Jahre Wahl von drei Bürgermeistern, die jeweils ein Jahr amtierten. Etwa seit 1584 eigenes Rathaus.
3. Siegelrecht, Bürgeraufnahmerecht und Recht zum Führen von Stadt- und Gerichtsbüchern mit voller „Macht und Kraft“, die in einer Gerichtslade aufbewahrt wurden (Einrichtung 1380). Die zwei Schlüssel hierzu befanden sich in den Händen des Vogtes und des Stadtschreibers.
4. Erbrecht, nach dem Privileg von 1383 bis ins dritte Glied und 1511 dahingehend geändert, daß im Falle des Fehlens von Erben statt des Grundherrn die Gemeinde und das Gericht das Gut übernehmen.
5. Einnahmen aus dem Braurecht, der Badestube, dem Salzhandel und den Märkten (Gebühren und Zölle), die vor 1394 dem Grundherrn zustanden. Als Gegenleistung Zahlungen von 70 Schock Groschen an den Grundherrn und jährliche Leistungen von 7 Groschen für eine ewige Messe am St. Petersaltar der Pfarrkirche sowie 3 Schock Groschen an den Grundherrn. 1568 erhielt die Stadt das Salzmonopol für die zum Obergericht Kamnitz gehörigen Dörfer.
6. Einrichtung der Schützenbruderschaft (Schützenverein) 1394, Verbesserung ihrer Rechte 1560.
7. Einrichtung von handwerklichen Zechen (Zünfte). So entstanden 1426 die Zechordnung der Wagner, Schmiede, Schlosser und Fleischer, 1483 die Zeche der Bäcker, 1528 die Zeche der Schuhmacher, 1544 die Zeche der Tischler usw. (siehe Punkt Stadtgeschichte).
8. Einführung städtischer Abgaben, und zwar seitens der außerhalb der Ummauerung wohnenden Gärtner und Häusler für das Marktrecht.
9. Einrichtung städtischer Weidegebiete.
10. Einrichtung städtischer Fischrechte im Kamnitzbach. 11. Einrichtung der städtischen Biermeile auf die Dörfer Hasel, Johnsbach, Kunnersdorf, Kamnitz-Neudörfel, Limpach, Nieder- und Ober-Preschkau, Schemmel, Steinschönau und Windisch-Kamnitz.
Anfang des 17. Jahrhunderts (wahrscheinlich 1605) wurden zahlreiche ältere Urkunden vom Bürger Mathes Zeibich abgeschrieben und in einem sog. Urkundenbuch zusammengefasst, das erhalten ist.
Bürgermeister der Stadt Kamnitz waren seit 1380: Gans, Peuker, Freise, Kretschmer, Bauer, Fleischer, Molacker, Dietel, Schubert, Weinischer, Richter, Blor, Voit, Schönbusel, H. Beck, P. Siebenkegel, Hornischer, M. Beck, Watzla, N. Siebenkegel, H. Knobloch, Austen, Frosch, C. Schuster, Fleischer, Langhans, A. Schuster, Achtzennicht, M. Schuster, Nemich, V. Beck, Scheubel, Hinke, Wolfgang, Knobloch, Jungelt (bis 1501). Die folgende Aufzählung ist nicht vollständig: V. Schuster, Seifert, Hänel, Becker, S. Patzenhauer, S. Langhans, Gleißberg, P. Patzenhauer, Zeibich (ab 1628), L. Langhans, Helfer, Ch. Michel, Krause, Th. Klaus (um 1700), Fleck, Block, Elster, M. Luna, Th. Klaus, Mentschel, Therme, J. Rochlitz, Helzel, J. A. Rochlitz (1812 bis 1848).
Die 1592 eingeführte gleichzeitige Wahl von drei sich abwechselnden Bürgermeistern wurde 1791 wieder aufgehoben. In diesem Jahr wurde der Magistrat neu organisiert. An der Spitze der Stadt standen fortan der Bürgermeister, ein geprüfter Magistratsrat und zwei andere Räte.
Stadtsiegel, Stadtwappen und Stadtfarben
Stadtsiegel: Das älteste etwa von 1400 stammende Stadtsiegel hat die Umschrift „S-Civium Ur-Kamniaz“ (Siegel der Bürger der Stadt Kamnitz) und zeigt einer vierteiligen Rosette einen in der Mitte senkrecht geteilten Wappenschild mit darauf sitzenden Bärenkopf. Die zweite Form von Mitte des 16. Jahrhunderts lautet. „Sigillum Civitatis Kamnici Bohemy“. Sitzender Bär, der mit seinen vier Tatzen einen ovalen, senkrechten geteilten Wappenschild hält. Ab 1849 wurde das Wappen der Wartenberger im Siegel geführt.
Wappen: Bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts zeigte das Stadtwappen wie das Stadtsiegel einen Bären, der in seinen Tatzen einen ovalen, weiß-rot gestreiften Schild hält. Im Jahre 1591 erscheint erstmals das Wappen der Herren von Wartenberg als Stadtwappen, das ein senkrecht geteilter Schild ist, rechts in goldener und links in schwarzer Farbe gehalten, und von einem Lindwurm umrahmt. Auf dem den Schild krönenden Helm ist eine in einem Kahn sitzende Jungfrau eingelassen, die ein Ruder in den Händen hält.
Nach den heraldischen Regeln wäre die Gestaltung so zu deuten (Angaben von J. Weiden): Der Lindwurm bedeutet Tapferkeit und Bereitschaft, kaiserliches Recht und kaiserlichen Besitz zu verteidigen, der Helm ist Ausdruck der Ritterschaft, die rudernde Jungfrau zeigt die Würde als Landvogt der Oberlausitz und das Vlies gilt als Zeichen des Erbschenkenamtes des Königreiches Böhmen. Das Wappen am Rathaus enthält die Umschrift „INRICH ARTENBERG HE. HER. V. W. HER. A. KEM. V. T.Z.W. DES KONIGREICH BOE ERBSCHENKE 1591 P.P.“ (Letztere zwei Buchstaben sind die Initialen des Bürger- und Baumeisters Peter Patzenhauer).
Seit dem Verkauf der Herrschaft Kamnitz durch die Wartenberger im Jahre 1614 wurde bis ins 19. Jahrhundert nochmals das alte Wappen mit dem Bären verwendet, bis schließlich bei der neuen Gemeindekonstituierung im Jahre 1849 das Wartenberger Wappen wiedereingeführt wurde.
Stadtfarben: Die alten, mit dem Wartenberger Wappen übereinstimmenden Farben schwarz-gelb wurden 1919 durch Stadtratsbeschluß durch grün-gelb ersetzt, da schwarz-gelb wegen der Gleichheit mit den kaiserlich österreichischen Farben bei den Tschechen hätte Anstoß erregen können.
Stadtverwaltung des 19. und 20. Jahrhunderts
Bei der Gemeindeeinteilung 1849 wurde die Katastralgemeinde Böhmisch-Kamnitz – bei Beibehaltung ihres Gebietsumfanges – auch politischer Gemeinde. Zum Unterschied von Nachbarstädten Tetschen und Bensen wurde die 1771 eingeführte Hausnummerierung im Böhmisch-Kamnitz nicht geändert, sondern einfach fortgesetzt; 1888 wurden auch Höllengrund und die Stadtteile Oberkamnitz und Henne durchnummeriert. Noch vor dem Ersten Weltkrieg setzte die Stadtverwaltung neben die Konskriptionsnummern zusätzlich die Nummern innerhalb der Straßen, Gasen und Plätze; es war dies die erste Straßennummerierung in den Städten des Kreises. Im Jahre 1902 kam es zur Einführung der elektrischen Straßenbeleuchtung: in einigen Fabriken war bereits 1890 elektrischer Strom vorhanden.
Seit Einrichtung der modernen Gemeindeverwaltung hatte Böhmisch-Kamnitz bis 1919 folgende Bürgermeister: Ludwig Rihl (1850-1865), Franz J. Renner (1866), Dominik Burka (1867-1870), Franz Preidl, Großindustrieller (1870-1874), Karl Horalek (1874-1876), Anton Giebe (1876-1879), Franz Preidl (1879-1883), Gustav Nowak (1883-1888), Dr. Wenzel Bieber (1888-1892), JUDr. Johann Wenzel (1892-1914) und Eduard Kögler, Zahntechniker (1914-1919).
Nach Einführung des gleichen Wahlrechts im Juni 1919kamen bei der ersten Gemeindewahl nach den neuen Bestimmungen fünf politische Parteien in die Gemeindevertretung. Auf die drei deutschen bürgerlichen Parteien (Deutschböhmische Einheitspartei, Deutschsoziale Partei und Wirtschaftspartei der Deutschen Festbesoldeten) entfielen 18 Mandate (= etwa 60 % der Stimmen), auf die deutschen Sozialdemokraten 11 Mandate (= etwa 37 %) und auf die Tschechen 1 Mandat (= etwa 3 %). Die Stadtvertretung bestand somit gemäß den Bestimmungen des neuen Gemeindegesetzes von 1919 aus insgesamt 30 Mitgliedern. Aus ihrem Kreis wurden der Bürgermeister und seine zwei Stellvertreter sowie die 7 Stadträte gewählt; die Zahl der übrigen Stadtverordneten betrug 20. Hinsichtlich der Parteistruktur ist Erläuterns wert, daß die Deutschböhmische Einheitspartei und die Deutschsoziale Volkspartei der Deutschen Nationalpartei nahestanden, jedoch in Folge ihrer Entstehung aus den Deutsch-Fortschrittlichen und den Deutsch-Radikalen einen liberalen Zuschnitt hatten; sie gingen bereits ab 1920 in der Deutschen Nationalpartei auf. Die Wähler der Interessengruppe der Festbesoldeten hingegen verteilten sich später auf mehrere Parteien.
Von 1919 bis 1945 amtierten als Bürgermeister: Alois Kirtschel, Steueroberverwalter (1920-1923), Franz Hübel, Fabrikant (1923-1939), Franz Karsch senior Großindustrieller (1930-1933), JUDr. Heinrich Hain, Rechtsanwalt, kommissarisch von der Regierung eingesetzt (1934-1938), Fritz Zekert, Sattlermeister (1938-1942) und Franz Uhmann (1943-1945).
Die dem Bürgermeister 1934 zur Seite stehenden Stellvertreter waren Franz Purkert und Peregrin Beitlich, die sieben Stadträte Marie Zimmer, Johanna Müller, Anton Giebe, Josef Pilz, Rudolf Fischer, Emil Blumtritt und JUDr. Franz Rothe.
Die Stadtverwaltung war 1934 wie folgt gegliedert und besetzt: Bürgermeisteramt (Stadtsekretär mit 5 beamteten oder angestellten Kräften), Stadtarzt, Stadttierarzt, Polizei- und Meldeamt (Amtsleiter mit 6 Kräften), Schlachthof (Verwalter und 2 Kräfte), Wasserwerk (Wassermeister), Schwimmbad (Schwimmmeisterschaft), Heilbad (Bademeister und Kassiererin), Preidl“sche Armenhausstiftung (Verwalter). Im Personalstand sind die Arbeiter nicht enthalten.
Seit dem Anschluss des Sudetenlandes im Oktober 1938 standen neben dem Bürgermeister 4 Beigeordnete und 12 Ratsherren (Gemeinderat) an der Spitze der Gemeinde.
Behörden, Ämter und Dienststellen für den Gerichtsbezirk Böhmisch-Kamnitz, Stand 1934
Amtsstelle der ständigen Amtstage der Bezirksbehörde Tetschen mit 1 Kommissär als Leiter sowie 1 Beamten (Vorläufer dieser Einrichtung war die Expositur der [k.k.] Bezirkshauptmannschaft Tetschen in Böhmisch-Kamnitz von 1914 bis 1927); Bezirksgericht – seit 1850 bestehend – mit angeschlossenem Grundbuchamt (Bezirksrichter als Gerichtsvorstand, 2 Richter und 8 Kräfte), Steueramt (Direktor und 6 Kräfte), Notariat, Gendarmerie-Posten-Kommando (Kommandant: Oberwachtmeister), Gefällskontrollamt (Leiter und 1 Kraft), allgemeines öffentliches Bezirkskrankenhaus (Primararzt MUDr. Vinzenz Traube und 2 Kräfte sowie 14 geistliche Schwestern vom Orden der Armen Dienstmägde Christi als Pflegerinnen). – Das Bezirksgericht Böhmisch-Kamnitz gehörte bis 1938 zum Kreisgerichtssprengel Böhmisch-Leipa und – nach der infolge des Anschlusses erfolgten Umwandlung in ein Amtsgericht – zum Landgericht Böhmisch-Leipa.
Krankenkassen und andere soziale Einrichtungen, Stand 1934: Bezirks-Krankenversicherungsanstalt Böhmisch -Kamnitz (Direktor und 17 Kräfte sowie Chefarzt und 5 Kräfte), Krankenkasse der selbständigen Handel- und Gewerbetreibenden für den GB Böhmisch-Kamnitz (Obmann und Geschäftsführer), Deutsche Bezirksjugendfürsorge (Kanzleiter, auch Generalvormund), Bezirksanstalt für unentgeltliche Arbeits- und Dienstvermittlung, Hilfsstelle des Verbandes der Kriegsbeschädigten.
Kulturpflege und Vereinsleben
Vereine: Im Jahre 1934 bestanden in Böhmisch-Kamnitz 74 Vereine, davon 73 deutsche und 1 tschechischer, nach 1918 entstandener Verein. Von den deutschen Vereinen waren 18 gemeinnützige und Wohlfahrtsvereine (darunter drei freiwillige Feuerwehren, und zwar von der Stadt, vom Ortsteil Höllegrund und von der Böhmisch-Kamnitzer Papierfabrik AG), 13 dienten wissenschaftlichen, Kunst- und Bildungszwecken, 5 ein nationale, politische und Schutzvereine, 18 hatten die Unterstützung und Vertretung von Berufs- u. a. Interessen zum Ziel (darunter 13 Arbeitnehmerzusammenschlüsse), je 3 waren Musik- und Gesangsvereine sowie religiöse Vereine, 6 Schützen-, Turn- und Sportvereine, je 2 Tierschutz- und Tierzuchtvereine, Geselligkeitsvereine sowie Vereine zur Förderung der Interessen von Industrie, Handel und Gewerbe und 1 studentische Vereinigung (Verein „Alania“ ehemaliger Mittelschüler, d.h. Gymnasiasten und andere höhere Schüler).
Die längste Tradition von den Kamnitzer Vereinen hatte der deutsche bürgerliche Schützenverein (so bezeichnet seit 1925), der auf die k.k. privilegierte Schützengesellschaft (Bezeichnung seit 1843) bzw. die Schützenbruderschaft zurückging, welche im Stadtprivileg von 1394 im Zusammenhang mit ihren Bieransprüchen genannt ist und 1568 durch die herrschaftlichen „Gnadenbrief“ erweiterte Privilegien erhielt. Das Verzeichnis der Mitglieder ist seit 1759, das Verzeichnis der Schützenkönige seit 1796 erhalten. Einer der letzten Könige war 1938 der Fürst Ulrich Ferdinand Kinsky.
Zu den ältesten Vereinsgründungen des 19. Jahrhunderts gehörten: Musikkapelle seit 1843, deutscher Gesangsverein seit 1849, Freiwillige Feuerwehr seit 1856 (erster derartiger Verein im alten Österreich), Deutscher Turnverein seit 1862, Turner-Rettungs-Kompanie seit 1871, Gewerbeverein seit 1875, Anpflanzungs- und Verschönerungsverein seit 1879, Damengesangsverein seit 1880, Liedertafel der Musikfreunde seit 1899.
Der Gesangverein 1849, dem sich 1938 auch der Frauengesangsverein und die Liedertafel sowie 1940 der Gesangsverein Oberkamnitz anschlossen, hatte gesellschaftlich und kulturell die größte Bedeutung in der Stadt. Weithin bekannt waren seine Veranstaltungen, wie z.b. Konzerte, Gesangsveranstaltungen (Chöre, „Johne-Quartett „), Operetten sowie der alljährliche Vereinsball.
Noch vor 1914 waren gegründet worden: Musikverein (1908), Deutscher Sportklub (1910), Arbeiter-Bildungsvereine „Blitz“ und „Pfeil“, Deutscher Theaterverein, Eislaufverein, Ortsgruppe des Bundes der Deutschen, des Deutschen Schulvereines und des Vogelschutzvereines, Frauenwohltätigkeitsverein „Sank Elisabeth“, Freiwillige Feuerwehr Höllengrund und Papierfabriken Robert Fuchs, Gabelsberger Stenografenverein, Kasinoverein, Krankenunterstützungsverein, Land- und forstwirtschaftlicher Verein, Musikverband für Nordböhmen, Pfarrgruppe „Zum hl. Jakobus“ des katholischen Schulvereins, Verein für Gesundheitspflege usw.
Von 1914 bis 1934 erhöhte sich die Zahl der Vereine von 46 auf 74. Darunter befand sich lediglich 1 tschechischer Verein, nämlich die tschechische Bezirksfürsorge. Von 1921 bis 1929 hatte der Schwimmverein bestanden. Nicht unerwähnt bleiben darf der Feuerwehr Bezirksverband, Sitz Böhmisch-Kamnitz.
Ein weit über Böhmisch-Kamnitz hinauswirkender Zusammenschluss war der Verein der Kunstfreunde oder der „Thoma-Bund“, der 1919 von neun jungen Künstlern, meist Junglehrern, mit Karl Ramisch an der Spitze gegründet worden war. Der Verein trug seinen Namen mit wohlwollender Genehmigung des Malers Hans Thoma (1839-1924). Die Tätigkeit des Vereins bestand hauptsächlich darin, Kunstausstellungen und Vorträge zu organisieren und Veröffentlichungen vorzunehmen (u. a. Festschrift zum 10-jährigen Bestehen im Jahre 1929). Bemerkenswert unter zahlreichen anderen Ausstellungen „Sieben Maler stellen aus“, in welchem Werke von Emanuel Hegenbarth, Josef Hegenbarth, Rudolf Emanuel Karsch, Josef Rolf Knobloch, Anton Ohme, Karl Ramisch und Siegmüller, durchweg gebürtige Kamnitzer, gezeigt wurden. Wie die meisten Vereine musste auch der Thoma-Bund 1938 aufgelöst werden.
An Arbeitnehmerzusammenschlüssen bestanden 1934: Allgemeiner Werkmeisterverein, Bezirksgewerkschaftskartell, Deutscher Handlungsgehilfenverband, Ortsgruppen der Gewerkschaft deutscher Arbeitnehmer, Gewerkschaft der Postler, der Gewerkschaft der Handels- und Transportarbeiter, des Verbandes der öffentlichen Angestellten (Sitz Reichenberg), des Vereines der Staatsbeamten deutscher Nationalität in Böhmen, Verband deutscher Berufskraftfahrer (Sitz Aussig), Verband der Arbeiter in der Bau-, Stein- und Keramikindustrie, Verein der deutschen Handels- und Industrieangestellten, Verein staatlicher Ruheständler, Zentralverein der Deutschen Lehrerinnen in Böhmen und Zweiglehrerverein.
Brauchtum und Veranstaltungen: Osterbräuche: Ratschkasten, aufgestellt am Umgang des Kirchturmes als Ersatz für das Glockengeläut während der Kartage. Osterschießen mit zahlreichen Mörsern unterm Schützenhaus von Karsamstag Mittag bis Mitternacht in halbstündigen Abstand. Am Ostersonntag Fortsetzung des Mörserschießens, Tagwacht-Konzert der Musikkapelle und Osterreiten unter Beteiligung des ganzen Pfarrsprengels. Die Reiter aus der Stadt, aus Ober- und Niederkamnitz versammelten sich am Marktplatz um 6 Uhr früh und zogen mit der Musikkapelle über Höllengrund, Kunnersdorf, Hasel nach Oberkamnitz und von dort als Prozession zurück nach Böhmisch-Kamnitz. Unterwegs hatten sich auch die Teilnehmer aus Philippsdorf, Kaltenbach, Limpach und Hillemühl angeschlossen. Nachdem die Reiter – in manchen Jahren bis zu 125 – am Marktplatz vor dem Altar beim Stadthaus Aufstellung genommen hatten, traf auch die kleine Prozession unter Führung des Dechants von der Stadtkirche kommend dort ein. Es wurde die Osterreitermesse zelebriert und eine Ansprache gehalten. Anschließend wurde die Reiterfahne und die „Auferstehung„ (gekreuzigter Heiland mit Darstellung der Auferstehung) vom ‚Reitergeneral‘ bei der Fahnenpatin, Frau Marie Karsch, in der Karsch-Villa bis zum nächsten Osterfest in Verwahrung gegeben. Die Reiterkavalkade durchritt dann noch die wichtigsten Straßen, Gassen und Plätze und löste sich schließlich am Marktplatz auf.
Schützenfest: Alljährlich zu Pfingsten fand beim Schützenhaus das dreitägige Fest des Schützenvereines statt. Die Veranstaltung gipfelte im Königsvogelschießen, Schützenumzug mit Königseinzug und Königsessen. Der Verlauf des Vogelschießens war ähnlich wie in Bensen. Außerdem hielt der Schützenverein am Fronleichnamstage ein Königsscheibenschießen ab, das auch „Biervogelschießen“ genannt wurde. Vor dem Ersten Weltkrieg gab es zu Kaisers Geburtstag (18. August) ebenfalls Scheibenschießen.
Vogelweide: Dieser Brauch hatte die Art und den Verlauf eines Volksfestes mit zahlreichen Verkaufsständen, Würstelbude, Ringelspielen, Schaukeln u. ä. auf der Kreuzerwiese gegenüber dem Gasthaus „Deutsche Bierstube“. Auch wurden dort Konzerte, Feuerwerke, Verlosungen und bisweilen Wettfliegen unbemannter Ballons veranstaltet. Die Vogelwiese fand im Hochsommer statt, so z.b. 1937 vom 7. bis 16. August.
Oktoberfest: Im Herbst wurde bei der Turnhalle ein vier Wochen dauerndes Volksfest vom Deutschen Turnverein und der Turner-Rettungskompanie abgehalten, das „Oktoberfest“ genannt wurde.
Sonstiges: Die Stadtbücherei von Böhmisch-Kamnitz umfasste etwa 2500 Bände und war im sog. Stadthaus am Marktplatz untergebracht. Außerdem gab es die Bücherei des Bundes der Deutschen, eine katholische Bücherei und die Arbeiterbücherei.
Theater und Konzert: Da in Böhmisch-Kamnitz kein eigenes Theater bestand, fanden von Zeit zu Zeit Gastspiele des Bodenbacher und des Aussiger Stadttheater statt, und zwar abwechselnd im Saal des Schützenhauses mit kompletter Bühneneinrichtung und in der Turnhalle. Auch von den örtlichen Gesangs- und Turnvereinen wurden dort weithin beachtete Theater,- Orchester- und Choraufführungen geboten, beispielsweise Goethes „Egmont“ und Operetten. In „Rengers Weinschänke“ veranstaltete die Gesellschaft der Musikfreunde nahezu regelmäßig kammermusikalische Morgenkonzerte. Desgleichen beliebt waren die Konzerte und Chordarbietungen des Kirchenorchesters, des Kirchenchores sowie das Schülerorchester der Bürgerschule.
Das Kino bekam Böhmisch-Kamnitz bereits 1913; Lizenzträger des damaligen Lichtspieltheaters war Franz John. Daneben gab es seit Anfang der 20er Jahre bis etwa 1936 das sogenannte Weltpanorama.
Museum: Das Böhmische-Kamnitzer Stadtmuseum wurde 1908/09 eröffnet. Träger war der Museumsverein. Es war im ehemaligen Salhausenschlößchen in der Salhausenstraße 35 untergebracht. Als bedeutendste Abteilung bzw. Exponate sind zu nennen: Dokumentensammlung, insbesondere das älteste Stadtbuch von 1380 bis 1511, das zweite Stadtbuch ab 1511, Zechbriefe, Zechtruhen, Stadtprivilegien, Siegel usw., Volkskunst wie z. B. Kleidung, Stickereien, Möbel, Spielzeug, altes Gebrauchsgeschirr, Handfeuerspritzen, tragbare Handorgel, eine komplette Strumpfwirkstube und ein Raum, der dem Gedenken von Persönlichkeiten gewidmet war, die aus Böhmisch-Kamnitz stammen, insbesondere: Johannes Klein, Johannes Baptist Pohl, Raimund Klaus, Jakob Frint, Augustin Zippe, Josef Schwaab, Emanuel Hegenbarth, Josef Hegenbarth.
Dem Stadtmuseum und -Archiv wurde 1939 das Herrschaftsarchiv (Patrimonalarchiv) eingegliedert.
Zeitungen: Über die Zeitungen ist unter Punkt 3.5 Stadtgeschichte in den Abschnitten Industrialisierung und Stadt Böhmisch-Kamnitz 1849-1945 berichtet.
Sehenswertes
Fürst Kinsky‘sches Schloß: Dieses dürfte 1541/42 von Heinrich von Wartenberg an Stelle eines alten herrschaftlichen Wirtschaftshofes (möglich das um 1467 aufgelösten Hofes) erbaute, später aber erweitert und umgestaltet worden sein. Es befindet sich in unmittelbarer Nähe der Pfarrkirche St. Jakob und somit knapp außerhalb des ältesten Stadtbereiches beim ehemaligen Südtor. Über dem vorderen Eingangstor fällt ein Stein mit dem Kinsky‘schen Wappen und dem Trczka‘schen Wappen auf sowie der Aufschrift „Wilhelm Graf von Wchinitz und Tettau auf Töplitz, Neuschloß, Kamnitz, Bensen, Hainspach, Rumburg und Zahorzan, röm. Kais. Majestät Rat und Kämmerer – Elisabeth Gräfin Wchinsky, geb. Gräfin Trczkin von Lipa auf Töplitz usw. 1631“.
Das Schloß hat einen großen viereckigen Innenhof. Architektonisch erwähnungswert ist, daß der Südflügel Renaissancestil mit Bogengängen (Arkaden) im Erdgeschoss und ersten Stock hat und daß der Nordflügel in barocker Art gebaut ist. An der Nordseite jüngere Vorbauten. Das hintere Schloßtor (zur Brauerei hin) dürfte seiner Bauart zufolge zu den ältesten Bauteilen gehören und vielleicht noch aus der Zeit des Meierhofes stammen. Zwischen Schloß und Brauerei steht der barocke Marstall, ein wohlgegliederter Bau mit gebrochenem Walmdach.
Das Schloß ist seit seiner Errichtung (1541/42) von Mitgliedern der Familie von Wartenberg und nach 1614 zeitweise auch von der Familie des 1643 in Eger ermordeten Grafen Wilhelm Kinsky bewohnt worden. Die weiteren Besitzer weilten nur gelegentlich hier, sodass die Schloßgebäude bis 1945 fast ausschließlich von Kanzleien und Beamtenwohnungen genutzt wurden. – Südlich des Schlosses, anschließend an die Kinsky‘sche Brauerei, ist ein kleiner Schlosspark, ein Überrest der einst größeren herrschaftlichen Gästen.
Salhausenschlößchen: Dieses kleine gotische Bauwerk ist 1515 von Hans, Wolf und Friedrich von Salhausen errichtet worden, als diese gerade die noch ungeteilte Herrschaft Tetschen und Scharfenstein erworben haben. Es befindet sich außerhalb der damals bestehenden Stadtumwallung, und zwar etwa 250 m westlich des Tetschner Tores in der späteren Salhausenstraße Nr. 35. Diese Lage lässt erkennen, daß es sich um einen eilends erstellten Bau handelt, für den innerhalb der Mauern nicht schnell genug Platz gefunden werden konnte. Ob das sog. „Schlösschen“ tatsächlich als Wohngebäude für die Herrschaft vorgesehen war, lässt sich nicht entscheiden, den schon 1521 wurde es von Hans von Salhausen als Spital gewidmet. Infolge späterer Umbauten ist von den ursprünglichen gotischen Formen äußerlich nur der östliche Treppengiebel und im Inneren die Wölbung im östlichen Raume des Erdgeschosses übrig. Im Jahre 1833 war das Spital nicht besetzt, später wurde es als Armenhaus benutzt und 1908 das Stadtmuseum darin untergebracht.
Herrschaftliches Spital: Dieses unmittelbar östlich der Marienkapelle gelegene hübsche Gebäude wurde 1749/50 auf Anweisung des Grafen Franz Ullrich Kinsky errichtet, der damit das Testament seines Bruders Philipp Josef Kinsky entsprach. Die Bauleitung wird dem Georg Katschinka zugeschrieben. Das Haus war für 24 Pfründler eingerichtet, für welche ursprünglich ein Jahresertrag von 1200 fl zur Verfügung stand. Jeder Insasse – im Erdgeschoss die Frauen, im ersten Stock die Männer – bewohnte eine der 24 Kammern, die durch 2 m hohe Holzwände abgetrennt waren. Die Heizung erfolgte durch große Kachelöfen an beiden Enden des Oberen und des unteren Mittelganges.
Der Baustil des Gebäudes ist barock und scheint vom Leitmeritzer Baumeister Oktavian Broggio beeinflusst zu sein. Typisch ist das schöne Doppelwalmdach. Das Innere ist weniger künstlerisch als praktisch ausgeführt, typisch für die Theresianischen Zeit; Bewunderung kann die erhaltene hölzerne Stiege hervorrufen.
Preidl‘sche Spital oder Armenhaus: Das Gebäude mit geschmackvollem Äußeren in neugotischem Stil, großem Garten und 24 Zimmern, die einst 36 Personen aufnehmen konnte, wurde 1872 bis 1880 vom Großindustriellen Franz Preidl gestiftet. Es befindet sich in der Salhausenstraße unweit westlich des Salhausenschlößchen. Wertvoll ist der Raum der ehemaligen Hauskapelle mit reichbemalten neugotischen Fenstern.
Außer den drei Spitalgebäuden besaß Böhmisch-Kamnitz eine weitere Armen- bzw. Altenstiftung, allerdings ohne eigene Unterkunft. Es handelt sich um die „Armenunterstützungsanstalt“, die 1781 vom ehemaligen Dechanten August Zippe gestiftet worden war und die nach dem Stand von 1833 jährlich 1935 fl Ertrag an 183 Personen verteilen konnte.
Rathaus: Es steht an der Nordfront des Marktplatzes als Haus Nr. 219 und trägt noch die lateinische Aufschrift „Palladium civitatis“ (= Heiligtum der Bürgerschaft), die wahrscheinlich bei der Errichtung des Gebäudes 1493 angebracht worden war. Früher befand sich über dem Eingang eine Sonnenuhr mit der ebenfalls lateinischen Beschriftung „Die Stadt und das Vaterland“. Bei der Erweiterung im Jahre 1591 erhielt es zwei sehr schöne Barockgiebel, die einer 1850 erfolgten Renovierung zum Opfer fielen, so daß ein bis zur Gegenwart schmuckloses Gebäude übriggeblieben ist. Im Erdgeschoss fallen die ursprünglichen gotischen Gewölbe und die mächtigen Mauern auf. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war darin das Bezirksgericht untergebracht. In dem nördlichen Anbau gegen den Kamnitzbach sind noch die Zellen des Untersuchungsgefängnisses vorhanden.
Sogenanntes „Stadthaus“: Dieses stadtpalaisartige Gebäude im überladenen Stil der Gründerzeit mit Elementen des Sezessionsstils (= Wiener Jugendstil) wurde 1896 an Stelle eines alten einstöckigen Bürgerhauses mit Holzgiebel am Marktplatz Nr. 272 vollendet. Die Planung stammt vom Baumeister Weinhold. Bauträger war die Böhmisch-Kamnitzer Sparkasse, welche die vorderen Räume des Hochparterres bezog, während die hinteren Räume von der Bezirksvertretung eingenommen wurde. In den ersten Stock übersiedelte das Bürgermeisteramt, in den zweiten Stock die Stadtbücherei und die Registratur. In Folge dieser Verwendung bürgerte sich die Bezeichnung „Stadthaus“ ein, die umso mehr berechtigt ist, als über dem Giebel eine Ritterfigur steht, die ideell auf das Rolandsymbol des mittelalterlichen deutschen Stadtrechtes zurückgeht.
Denkmäler: Kriegerdenkmal für die Opfer des Ersten Weltkrieges errichtet 1924 vor dem Aufgang zur Marienkapelle. Außerdem ein schon 1921 aufgestellter Kriegergedenkstein. Robert-Rochlitz-Denkmal vor der Turnhalle (überlebensgroße Büste aus Carara-Marmor auf Syenitsockel) für den ersten „freiwilligen Feuerwehrmann„, gestiftet 1897 von den deutsch-österreichischen Feuerwehren.
Emanuel-Hegenbarth-Gedenktafel, angebracht vom Kamnitzer Thoma-Bund und Turnvater-Jahn-Gedenktafel, angebracht in den 20er Jahren im Waldgelände zwischen Nolde und Brandfelsen.
Bürgerliche Bauten: Böhmisch-Kamnitz hatte eine größere Anzahl sehr beachtlicher alter Wohngebäude, insbesondere am Marktplatz und in den von dort ausgehenden Gassen. Sie sind überwiegend in Stein oder Ziegel ausgeführt, jedoch gibt es auch Holzgiebel. Fachwerk sind nicht vertreten. Die ältesten sind die gotischen Häuser oder Häuser mit Bauteilen aus jener Zeit, äußerlich erkennbar an der Giebelform und einigen Resten von Lauben im Erdgeschoss, im Inneren gekennzeichnet durch die Gewölbeart und die langen Stiegenaufgänge (Himmelsleitern). Von den drei ursprünglichen Städten des Kreises, nämlich Tetschen, Bensen und Böhmisch-Kamnitz, hat letztere verhältnismäßig die meiste spätmittelalterliche Bausubstanz bewahrt. Beachtlich sind besonders das gotische Haus mit Stufengiebel a, Marktplatz Ecke Schloßgasse (Nr. 73) und das Doppelhaus „Gasthof Adler“ am Marktplatz Ecke Kapellengasse (Nr. 253). Weitere, allerdings überwiegend kleinere Gebäude gleichen Alters stehen in den malerischen engen Gässchen in der Nähe der Pfarrkirche, wo sich auch die Pfarrschule von 1562 befindet, und bei der Mittelmühle sowie am unteren Mühlgraben.
Aus dem 15. Jahrhundert stammt das Haus der städtischen Badetube. Aus der Barockzeit überkommene Häuser mit schönen Portalen gibt es beispielsweise an der Kreuzung Tetschner Gasse/Bräugasse und in der Nähe der Mühle. Auch einzelne Renaissance- und Empirehäuser kommen vor, so z.b. am Marktplatz. Etwa in der Mitte des Marktplatzes befindet sich der Marktbrunnen (Röhrbütte) von 1575, in dessen Mitte eine Säule steht, mit einer hübschen Marienstatue, die auf 1680 datiert wird.
Von der Mitte des 17. Jahrhunderts (1658) stammt die Bebauung der sog. „Neuen Gasse“ (um 1900 umbenannt in Leipaer Straße), die damals als Stadterweiterung gegen Süden entstand. Die dortigen Häuser haben wie auch die Vorstadthäuser gegen Ober- und Niederkamnitz und die Häuser am Ufer des Kamnitzbaches zwischen Turnhalle und Gasthaus „Zur Lerche“ meist die für Nordböhmen charakteristische Holzbohlenbauweise, teils mit Umgebinde Konstruktion, und boten ebenfalls malerische Anblicke.
Mehrere Villen von Fabrikanten im Wiener Jugendstil (Sezessionsstil) beispielsweise die Villa Preidl-Karsch mit repräsentativer Auffahrt und die Villa Knappe, beide östlich der Stadt an der nach Oberkamnitz führenden Oberen Straße.
Am Berghang zwischen der Stadt und dem Schützenhaus waren seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in ausgedehnten Gärten mehrere Gartenhäuser gebaut worden, die „Heiden“ genannt wurden, weil sie inmitten des von Erika bewachsenen Heideland lag. Die künstlerische bemerkenswertesten waren die „Knöspel-Heide“ und die „Rochlitz-Heide“ (benannt nach Bürgerfamilien), beides reizende Barockbauten, die von Prag bis Dresden stilistisch beeinflusst waren.
Hinsichtlich des landschaftlich sehr schönen Waldgeländes „Brand“ samt den Brandfelsen, dem Nolde-Felsen usw. ist im Rahmen des Punktes 5. Bodengestalt berichtet worden. Zu ergänzen ist, daß eine etwa 700 Jahre alte Eibe sich zwischen dem Pfarramt und der ehemaligen Mädchenschule (zuletzt Ämtergebäude) befindet und eine 1813 gepflanzte Allee den Aufgang zur Marienkapelle säumt.
Nachwort (Ausklang)
Nachdem die Stadt und ihre Umgebung während der ganzen Kriegszeit von Feindeinwirkungen verschont geblieben war, erfolgte am 8. Mai ein (russischer) Fliegerangriff. Die Bomben fielen zwar hauptsächlich außerhalb der Stadt, trafen aber das Gasthaus „Sonne“ und das Arbeiterheim. Bei dem Angriff kamen zahlreiche Wehrmachtsangehörige und einige Zivilpersonen ums Leben.
In der Nähe der Stadt befand sich das Lager Rabstein in Johnsbach mit über 1500 Kriegsgefangenen ausländischen Offizieren.
Die gesamten Kriegsverluste von Böhmisch-Kamnitz im Zweiten Weltkrieg betrugen – soweit feststellbar- 142 Gefallene und Vermisste, das sind 7,2 % der männlichen Bevölkerung von 1939. Es ist nicht mit Sicherheit zu ermitteln, ob darin auch die Verluste von Nieder- und Oberkamnitz eingeschlossen sind. Wenn dies zuträfe, musste die Anzahl der Toten größer sein. Anderseits sind keine gesonderten Verlustzahlen von Nieder- und Oberkamnitz nachgewiesen.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs übernahm am 8. Mai 1945 ein antifaschistischer Ausschuss von in der Stadt wohnhaften Deutschen und Tschechen das Rathaus. Die Massenverteibung der deutschen Einwohner von Böhmisch-Kamnitz begann – abgesehen von der einigen Tage vorausgegangen Aussiedler einzelner Personengruppen – am 19. und 20. Juni 1945 und wurde am 15. und 22. Juli fortgesetzt. Die Betroffenen, deren Anzahl an jenen Tagen in die Tausende ging, wurden in Fußmärschen über Johnsbach und Windisch-Kamnitz nach Hinterdittersbach (Kirnizsch) getrieben, mussten dort die sächsische Grenze Richtung Hinterhermsdorf überschreiten, wo sie ihrem Schicksal überlassen waren. Nur sehr gebrechliche Personen sowie Frauen und Kleinkindern wurden auf Fuhrwerken transportiert, welche die Bauern aus Böhmisch-Kamnitz und Umgebung zu stellen hatten. Seit dem Herbst 1945 ging von Böhmisch-Kamnitz Bahntransporte mit Güterwagen ab, doch hatten diese meist im Lager in Bodenbach noch einen Zwischenaufenthalt. Einer der Bahntransporte wurde nach Thüringen und ein anderer nach Hessen (Raum Eschwege) geleitet. Die letzten Deutschen aus Böhmisch-Kamnitz gelangten 1946 über das Lager Bodenbach nach Mecklenburg.
Nach Kriegsende wurde die frühere Spinnerei Rabstein Nr. 59 bis 1946 als Sammelstelle für die vertriebenen Deutschen genutzt.
Im Jahre 1959 befanden sich von den ehemaligen Einwohnern von Böhmisch-Kamnitz – soweit Unterlagen verfügbar waren – 43,4 % in der Bundesrepublik Deutschland, 52 % in der Deutschen Demokratischen Republik, 1,9 % in der CSSR und 2,7 % im übrigen Ausland (größtenteils Österreich). Auch bei diesen Daten lässt sich nicht genau angeben, ob Nieder- und Oberkamnitz mitenthalten sind.
Wie das derzeitige tschechische Gemeindewesen zeigt, ist die 1943 durchgeführte Eingliederung der Gemeinden Nieder- und Oberkamnitz beibehalten worden. Bei diesem Gebietsumfang hatte die Stadt Česká Kamenice (deutsch Böhmisch-Kamnitz) im Jahre 1961 801 bewohnte Häuser mit 4997 Bewohnern. Die vergleichbaren Zahlen für 1939 sind (ebenfalls des gesamten Kamnitz, einschließlich Ober- und Niederkamnitz): 1040 Häuser mit 6851 Einwohnern. Die Stadt selbst war 1961 von 3270 Personen bewohnt (1939: 4357); davon entfielen auf Pekelský Důl (deutsch Höllegrund) 126 Personen; 1939 waren es etwa 230.
Heute

Česká Kamenice (deutsch Böhmisch-Kamnitz) ist eine Stadt im Okres Děčín im Ústecký kraj in Tschechien.
2020 – Franz-Preidl Park
Nicht nur Krásná Lípa pflegt die Erinnerung an die deutschen Vorfahren. Auch Česká Kamenice (deutsch Böhmisch Kamnitz) hat seinen wohltätigen Industriellen, den Unternehmer Franz Preidl. Auch er war in der Textilindustrie erfolgreich und zugleich Mäzen seiner Stadt. Diese honorierte sein Engagement, in dem sie den bisher namenlosen Park an der Marien-Wallfahrtskapelle in Franz-Preidl-Park umbenannte. Und die Stadt plant noch mehr: „Wir wollen die im Park befindliche Grabkapelle der Familie Preidl erneuern“, kündigt Bürgermeister Jan Papajanovský an. Der Park selbst wird ebenfalls gerade neu gestaltet und im Herbst unter neuem Namen wieder eingeweiht. „An Franz Preidl, der ja übrigens auch einmal Bürgermeister war, soll außerdem in der benachbarten Wallfahrtskapelle eine ständige Ausstellung erinnern“, ergänzt Papajanovský. „Mit diesen Aktivitäten machen wir etwas gut, dass seit 1945 die Verdienste Preidls wegen seiner deutschen Herkunft verschwiegen wurden.“
Die Benennung von Straßen und Orten nach den deutschen Vorfahren ist bisher in Tschechien die Ausnahme, sagt Petr Joza. Doch das Interesse steigt sichtbar und weitere Straßenumbenennungen wären nur eine logische Folge, meint Joza.
Sächsische Zeitung Steffen Neumann
2022 – Kriegerdenkmal
An der Südwestseite der Kapelle lag der zweite Friedhof von Česká Kamenice, der im Jahre 1643 den ältesten, die Kirche zum hl. Jakob umgebenden Friedhof ersetzte. Heute ist hier ein kleiner Park, denn im Jahre 1922 wurde auch dieser Friedhof aufgelassen und ein dritter am nordwestlichen Stadtrand an der Strasse nach Filipov (Philippsdorf) angelegt. Am Rande des Parkes steht heute nur noch die Begräbniskapelle der Familie Preidl (um 1889) und im hinteren Teile ist das Torso des Denkmals der Gefallenen des Ersten Weltkriges.
uzicke-hory.cz 12.2022
„Tetschen-Bodenbach – Heimatverband Kreis Tetschen-Bodenbach“ (Hrsg.) – Heimatkreis Tetschen-Bodenbach. Ein Buch der Erinnerung“ – 1969
„Alfred Herr – Heimatkreis Tetschen-Bodenbach: Städte und Gemeinden“ – Heimatverband Kreis Tetschen-Bodenbach e.V.“ 1977 – S.165-198
„Die deutschen Heimatführer“ Band 17/18 Sudetenland – Druck 1939
„Trei da Hejmt!“ Heimatzeitung für den Landkreis Tetschen-Bodenbach
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