Das Kriegsende im nordböhmischen Niederland, dem sogenannten „Zipfel“, begann mit dem Einmarsch der zweiten polnischen Armee im Rahmen der Streitkräfte des sowjetischen Marschalls Konjew, die den Auftrag hatte, von Schlesien nach Westen in die Lausitz vorzustoßen und von der Elbe aus den Schlag von Norden gegen Prag zu führen. Am 22. April 1945 abends erschienen die erste und zweite polnische Armee in den östlichen Vororten von Dresden und verhinderte den letzten Vorstoßversuch der Heeresgruppe Mitte durch Generalfeldmarschall Ferdinand Schörner in Richtung Berlin.

Die Heeresgruppe Mitte hielt noch am 5.Mai 1945 eine Linie, die sich aus dem Raum Brünn und Ölmutz zu den Sudeten und im Verlauf dieses Gebirgszuges zur Sächsichen Schweiz und dem Ergebirge erstreckte. Das Hauptquartier befand sich in der Festung Josephstadt, der Stab der Heeresgruppe Mitte (Chef des Stabes, Generalleutnant v. Natzmer).

Unter Generalfeldmarschall Schörners Führung konnten 1,6 Millionen Flüchtlinge aus Schlesien und dem Sudetenland dem Zugriff der anrückenden sowjetischen Verbände entzogen werden.

Anfang April kamen Deutsche Truppen aus Bautzen in die Stadt Schluckenau, über Nacht bezogen sie die Schule belegten damit die Schulräume. Es waren Fallschirmjäger [1] die zur 17. Armee gehörten.

Am 22.April zog viel deutsches Militär durch Wolfsberg, es waren Angehörige von Einheiten der 17.Armee (72. Infanteriedivision unter Generalleutnant Hugo Beisswänger), sie blieben vom 22.April – 2.Mai 1945, Oberfeldwebel Heinz Kortenhorn aus Mönchen-Gladbach und Unteroffizier Rapf.

72. Deutsche Infanterie und 545. Grenadier-Division der 4. Panzerarmee Schörner  Heeresgruppe „Mitte“.
Am Sonntagabend des 6. Mai stellten die polnischen Aufklärungskommandos der einzelnen Divisionen fest, daß die Hauptstärke des Feindes darin bestand, unauffällig nach Süden zu ziehen.
General Świerczewski beschloss daher, die morgendliche Vorbereitung der Artillerie abzubrechen und eine sofortige Verfolgung des Feindes zu beginnen. Die deutsche Verteidigung konzentrierte sich hauptsächlich auf Kommunen und Kommunikationsknoten.

Dann stieß die zweite polnische Armee (fünf Infanteriedivisionen und einem Panzerkorps mit insgesamt 89.000 Mann und wurde von Karol Świerczewski geführt) nach Süden vor in Richtung Prag. Am 7. und 8.Mai durchbrach sie den deutschen Verteidigungsgürtel und erreichte die Elbe. Mit sieben Infanterie- und Panzerdivisionen erreichten sie am 7.Mai abends den Raum Bad Schandau, nach dem sie am Morgen dieses Tages bei Dresden die deutsche Linien in Richtung Süden durchbrochen hatten. Die Folge war, das Generalfeldmarschall Schörner in der folgenden Nacht an dieser Front seine Truppen gegen Südwesten nach Böhmen zurückzog. Am Morgen des 8.Mai stießen polnische und sowjetische Kräfte nicht nur über das Erzgebirge nach Teplitz, Brüx, Bilin und Laun in Böhmen vor, sondern auch rechts der Elbe über Pirna nach Osten auf der Straße Dresden-Bautzen an unsere uralte Heimatgrenze zwischen Böhmen und Sachsen im Gebiet der Oberlausitz, die als Markgrafenschaft auch bis 1635 zu den böhmischen habsburgerischen Erbländern gehört hatte.

Am 8. Mai morgens beginnt der Abmarsch des Stabes der Heeresgruppe Mitte von Josephstadt bei KÖNIGSGRÄTZ in Richtung Westen. Tagesziel war Leitmeritz……

Punkt 8.00 Uhr morgens an jenem 8.Mai 1945 überschritten das 34.polnische Regiment unter einem Major Pluto die frühere Landesgrenze und Grenze des Niederlandes bei Hilgersdorf. Ein anfänglicher Widerstand, bei dem einige Polen fielen, kam bald zum Erliegen.

Der einzige lebende Tscheche in Hilgersdorf ging mit einer weißen Fahne zwischen den deutschen und den sowjetischen Einheiten hin und her und erreichte nach längerem Verhandeln, das Hilgersdorf ohne Kampf übergeben wurde. Anders war es in Lobendau, wohin sich die deutschen Truppen aus Hilgersdorf zurückzogen und so weitere deutsche Einheiten standen. Lobendau wurde zunächst durch deutsche Artillerieabteilungen vom Annaberg aus verteidigt. Noch Ende April waren dort Befestigungen angelegt worden. Die Selbstfahrgeschütze der polnischen Armee an der Spitze der polnischen-sowjetischen Verbände gerieten schon am Ortsrand in das Feuer der deutschen Panzerabwehrkanonen, so das ein polnisches Fahrzeug sofort ausfiel. Daraufhin bezogen die Polen Stellung am nördlichen Ortsrand mit Geschützen und Minenwerfern und beschossen Lobendau von den Anhöhen aus. Eine in Linie auf den Ort vorgehende polnische Kompanie wurde ebenfalls durch direkten Beschuß abgewehrt worauf das dritte Bataillon des polnischen Regiment den Ort durch die Wälder im Westen umging und nach Erreichen des deutschen Vorpostens zwei rote Raketen in die Luft schoß, was für die nördlich gebliebenen Verbände das Zeichen zum größeren Angriff sein sollte. Nach dreistündigem Kampf kapitulierten die deutsche Besatzung von Lobendau. Ihr Kommandeur ein Oberst und 130 deutsche Soldaten aus Einheiten der 72.ID gerieten in Gefangenschaft, eine größere Menge Material und zahlreiche Lastautos gerieten in Feindeshand. Zur selben Zeit als die zweite und dritte polnische Kompanie um Lobendau kämpfte, nahm die erste Kompanie dieses Regimentes Neudörfel ein. (Gefallene Soldaten liegen seit 1946 gemeinsam auf dem Friedhof von Lobendau)

Wie sich auf der Linie Lobendava- Röhrsdorf -Sohland herausstellte, bauten die Reste der deutschen 72. Infanteriedivision unter Generalleutnant Hugo Beisswänger und ein SS-Bataillon, eine Verteidigungslinie mit Artillerie und Panzern auf. Der Kampf um die Vertreibung der Deutschen aus Röhrsdorf dauerte drei Stunden.

Röhrsdorf wurde am 9.Mai um 3.00 Uhr morgens eingenommen. Die deutschen Truppen benutzen zur Verteidigung auch zeitweilig die alten Befestigungen der Schöberlinie aus der Zeit vor 1938, zogen sich aber bald nach Hainspach zurück, wo der Ortsgruppenleiter der NSDAP die Evakuierung des Ortes befohlen hatte. Aber Bürgermeister Josef Kindermann widersetzte sich dem. Zur Verteidigung von Hainspach war auch eine Einheit des Volkssturms von Bautzen eingesetzt, deren Anführer Oberstleutnant Hopke den Befehl herausgab, daß jeder, der seinen Platz verläßt, sofort erschossen wird. (hier vielen im Kampf, Kinder, Volkssturm Männer und 12 polnische Soldaten) In Hainspach setzte sich dann der Stab der zweiten polnischen Armee fest, während die Truppe weiter vorrückte.

Am 8.Mai, ein Dienstag um 16 Uhr kommt der Räumungsbefehl, demzufolge die Stadt Nixdorf bis 19 Uhr geräumt sein muss, ein Befehl, der fast nicht befolgt wird. Die entscheidende Nacht bricht herein. Gegen 21 Uhr beginnt die Absetzung der deutschen Wehrmacht. Eine starke deutsche Besatzung- und Vereinigungstruppe aus Einheiten der 72.ID zieht sich aus der Stadt Nixdorf zurück.

Hier hat zuerst das 36.Regiment der polnischen Armee einen Frontalkampf durchgeführt, gleichzeitig umging das 34.Regiment den Ort von Südwesten und das 32.Regiment von Südosten. Es gab hier heftigen gegenseitigen Artilleriebeschuß, da die deutschen Geschützabteilungen hier verhältnismäßig stark waren. Als der Ring von drei Seiten immer enger wurde, zogen sich die deutschen Truppen in Richtung ZeidlerSchönlinde zurück. Nach dem polnischen Armeetagebuch beschossen sie dabei alle Gebäude, an denen weiße Fahnen aufgehängt waren. Der Abzug der deutschen Truppen aus Hainspach geschah zur gleichen Zeit wie in Groß-Schönau, wo vor dem Abzug Geschütze und Geräte zerstört wurden.

Über Rosenhain und Sankt Georgswalde zogen neben Teilen der zweiten polnischen Armee vor allem Truppen der 28.sowjetischen Armee in unser Heimatgebiet ein. In Schluckenau hatte der Ortsgruppenleiter der NSDAP noch am 6.Mai die Räumung der Stadt Schluckenau angeordnet. Blockleiter trugen die Räumungsbefehle aus. Doch die Bevölkerung dachte nicht daran, dieser Anordnung Folge zu leisten. Man sah das nahe Ende des Krieges vor sich und hoffte, das dann die Kriegszeit und alles schreckliche, was sie mit sich gebracht hat, vorbei sei. Man hoffte wohl auch, das dann wieder friedliche Zustände einkehren würden. Dann lief das Gerücht um, das der Volkssturm die Stadt Verteidigen sollte. Wieder schlich die Angst durch die Straßen, denn aus unerfindlichen Gründen hatten viele Bewohner erfahren, das die anrückenden Russen die Stadt dem Erdboden gleich machen würden, wenn diese verteidigt werden sollte. Am 7.Mai griffen russische Flugzeuge an und die Bomben verursachen zahlreiche Tote und Verwundete. Zu einem Widerstand gegen die Rote Armee ist es nicht mehr gekommen. Der Volkssturm löste sich auf. Am 9.Mai wurde durch den Chef der Schutzpolizei, der den abwesenden Bürgermeister vertrat, die Stadt an die Russen übergeben.

Am 9.Mai 1945 10 Uhr zogen von Friedersdorf kommende Einheiten der zweiten polnischen Armee und von Ebersbach her Soldaten der 37.sowjetischen Infanterieregimentes in Georgswalde ein und ziehen auf der „Langen Meile“ in Richtung Rumburg. Das abseitsliegende Philippsdorf blieb davon verschont.

Die Stadt Rumburg lag im Grenzbereich der Operationen der 28.sowjetischen Armee und war aber auch der letzte Orte des organisierten größeren Widerstandes deutscher Verbände.

Am 8.Mai herschte bereits große Unruhe unter der Bevölkerung. Die Personenzüge aus Richtung Böhmisch Leipa führten in der Mitte einen Plattformwagen mit, auf dem eine Besatzung mit Vierlinksflak gegen Tieffliegerangriffe stationiert war. Am 8.Mai kam es zu Tieffliegerangriffe auf das Stadtgebiet und dem Bahnhof, das Bahnhofsgebäude und der Lokschuppen wurden dabei getroffen. Nördlich des Rumburger Bahnhofs befand sich eine große Flakstellung.

Im Stadtzentrum und vor allem an den strategischen Straßen nach Georgswalde, Schluckenau, Warnsdorf, hatte sich eine Gruppe der Waffen-SS festgesetzt. Hier kam es im Stadtgebiet zu heftigen Beschießungen und starken Beschädigungen von Gebäuden und Straßen in erbitterten Kämpfen. Schließlich ergaben sich die deutschen Einheiten der Übermacht.

Am 8.Mai wurde der Ort Sebnitz/Niedereinsiedel bis 17 Uhr geräumt, die Hauptkampflinie verlief hier noch bis 21 Uhr, es kam zu Sprengungen der Eisenbahnbrücken zwischen Tunel III und IV.

In der Nacht zum 9.Mai zogen auf der Straße von Rumburg nach TetschenBodenbach ununterbrochen Truppen deutscher Soldaten in Richtung Elbe vorüber. Die Soldaten warfen alles seitwärts in die Straßengräben und Büschen, was ihnen hinderlich erschien. Funkgeräte mit Kopfhörern, Schreibmaschinen, jede Menge Briefpapier und Briefumschläge mit dem Reichsadler samt Hackenkreuz bedruckt, Brotbeutel, Stahlhelme, Gasmasken, Benzinkanister, Gewehre, Munition und andere Kriegsausrüstung, Teile von Uniformen, Schuhe, Stiefel, Socken und Decken. Sie fuhren mit ihren Panzern, Mannschaftswagen und Geländewagen mal langsamer, mal schneller. Die Schlangen von Militärfahrzeugen mit ihren blickenden Lichtern krochen weiter in der Dunkelheit in Richtung Westen (LAGER Eger – US-Armee).

Im Laufe des 9.Mai zogen die polnischen Truppen auch in Kreibitz ein. Das 25. polnische Regiment besetzte Altehrenberg und Schönlinde, wo eine starke sowjetische Panzerabteilung einrückte, und rückte in Richtung St. Georgenthal vor.

Am 10.Mai 1945 wurde Wolfsberg durch polnische Einheiten, welche unter sowjetischem Oberkommando standen besetzt.

Die zerklüftete Landschaft des Erbsandsteingebirges und die „Böhmische Schweiz“, deren enge Täler und Straßen, behinderten das Vordringen der feindlichen Truppen in diesem Abschnitt, die hauptsächlich von Herrnskretchen aus am Abend des 9.Mai nach Südosten (Arnsdorf, Elbleiten) rückten, während Teile der Verbände aus Nixdorf auch unmittelbar nach Süden zogen und so z.B. Daubitz, Dittersbach, Kamnitzleiten und Windischkamnitz erreichten.

Am 9.Mai erfolgte auch der Einmarsch in Warnsdorf, sowohl vom sächsischen Zittauer Zipfel als auch von RumburgSchönborn. Am späten Abend des 9.Mai waren Tetschen und Böhmisch Kamnitz erreicht, während am 10. Mai schon Böhmisch Leipa, Leitmeritz, ja sogar Melnik eingenommen wurden, wo zuletzt der polnische Armeestab eingerichtet wurde.

Am 10.Mai um 23.00 Uhr war die Linie Leitmeritz-Melnik-Wegstädtl-Dauba erreicht und galt diese gesamte Operation der russichen-polnischen Armee als abgeschlossen. Am 13.Mai wurde auf dem Marktplatz von Melnik eine große Militärparade der polnischen, sowjetischen und der inzwischen hinzugezogenen tschechischen Truppen veranstaltet und am selben Tag noch wurden die polnischen Soldaten in ihre Heimat Polen abtransportiert.

Die polnische Armee hat bei ihrer „Operation Lausitz-Nordböhmen“ 56.000 Soldaten, 1000 Geschütze und 2000 Panzer eingesetzt und nach ihren Berichten 580 deutsche Soldaten, 13 deutsche Panzer und 28 Geschütze vernichtet und 3086 deutsche Soldaten und Offiziere gefangen genommen.

Für eine Darstellung des militärischen Ablaufs aufseiten der deutschen Armee im Schluckenauer Zipfel fehlen leider die Unterlagen zu den Einheiten der 17.Armee – 72.Infanterie-Division.

  • April 1945  Stab Schule Oberoppach OT Eichen
  • 1545 /545 Sani im Wehrmachtzentrallager Warnsdorf
  • San.-Komp. 1545 der 545. Inf.Div. – 8.5.1945 Warnsdorf 
  • Lazarett:
  • 20.09.1944, Rumburg, Rela. Teillaz. Krankenhaus
  • 22.11.1944, Rumburg, Reservelazarett
  • 01.1944, Georgswalde, Teillazarett von Ebersbach/Sachsen

Leider sind die Kriegstagebücher der 72.Infanterie-Division nur bis Ende 1942 erhalten geblieben, danach alles verschollen.

Deutsche Soldatenfriedhöfe werden vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge in Böhmen renoviert bzw. aufgestellt. Die erste deutsche Kriegsgedenkstätte wurde Ende 1992 in Marienbad eingeweiht. Am 15. Mai 1993 wurde in Karlsbad der zweite deutsche Soldatenfriedhof eröffnet für über 2000 Soldaten und deutsche Zivilisten (Patienten Berliner Krankenhäuser). In Pilsen soll es ebenfalls zur Aufstellung zweier Kriegerdenkmäler kommen, ein weiterer in Brünn ist im Entstehen. Noch immer wird nach den Massengräbern bei Taus gesucht, um auch dort ein Denkmal aufzustellen.

Angehörige der Deutschen Wehrmacht, die im Zweiten Weltkrieg auf dem Gebiet der jetzigen Tschechischen Republik gefallen sind, sollen nach Eger überführt und im dortigen Friedhofsbereich beigesetzt werden.
Mit der Umbettung von ursprünglich in Nordböhmen bestattenden Soldaten habe man bereits 1993 begonnen.

Die deutsche Minderheit in Tschechien bemühte sich schon länger um den Erhalt deutscher Grabstellen, die keine Chance haben, von Nachkommen gepflegt zu werden. Diese wurden nach 1945 vertrieben. Die tschechische Regierung hat sich zu ihrer Verantwortung für die Grabpflege bekannt.

Wilhelm Pfeifer – „Weißbuch Niederland“ – Heft 12 – 1980
„Unser Niederland“ – Ausgaben Mai/Juni/Juli 1993

Unser Niederland“ Ausgabe 857 4/2021 S.101 [1]

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